𝐖𝐎𝐑𝐓𝐄

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Ein kalter Windhauch weht ins Haus, als ich die Tür hinter mir schließe.
Der Geruch von frischem Brot liegt in der Luft.
Ich streife mir den grauen Mantel vom Körper und gehe schließlich ins Esszimmer, wo Nale gerade den Tisch deckt.
Als er mich entdeckt, lächelt er mir zu, und in seinen grünen Augen sehe ich so viel Mitgefühl.
Ohne mich mit falschen Worten zu belügen kommt er auf mich zu und umarmt mich.
Ich schließe die Augen und sein Duft nach Meer, Strand und Zuhause beruhigt mich trotz der Trauer.
Ich spüre, wie er mir durch die Locken streicht, wie er es immer tut, wenn wir uns nahe sind.
Für einen Augenblick genieße ich einfach den Moment, ihm nah zu sein und ein ganz kleines bisschen zu vergessen, was um mich herum geschieht.

Langsam lösen wir uns wieder, doch bevor er oder ich irgendetwas tun oder sagen kann,
ertönt plötzlich ein Schrei aus einem anderen Raum.
Meine Augen weiten sich.
Ist den Kindern etwas passiert?
Auch Nale blickt besorgt, doch bevor wir uns auf die Suche nach den Kindern machen können, ruft jemand euphorisch:
„Mom, Dad, kommt her! Katniss und Peeta haben gewonnen!"
Einen Moment lang stehe ich still und versuche, die Informationen zu verinnerlichen.
Bevor ich weiterdenken kann, nimmt Nale meine Hand und schnell gehen wir ins Wohnzimmer, aus dem Arvin gerufen hat.

„Was ist los?" rufe ich verwirrt, obwohl ich seine Worte genau verstanden habe.
Mein Blick auf den Fernseher im Wohnzimmer genügt.

Dort sieht man Caesar Flickerman, wie er in seinem Studio über eine Szene in den Spielen spricht.

Wir haben uns diese Spiele nicht angesehen, da sie uns so sehr an Jinias Tod erinnern.
Nur in den Nachrichten wurden immer die wichtigsten Ereignisse zusammengefasst, wie an diesem Tag.
Man sieht wie Katniss und Peeta die giftigen Beeren essen wollen, um sich beide umzubringen, doch dann vom Kapitol zurückgehalten werden.
„Nun, dieses Jahr ist ein ganz besonderes Jahr, denn wir haben zum ersten Mal zwei gemeinsame Sieger, Katniss Everdeen und Peeta Mellark aus Distrikt zwölf! So etwas habe ich noch nie gesehen! Ich freue mich schon sehr auf unser Interview morgen Abend mit unseren beiden brillanten Siegern! Seien Sie live dabei!"
Ich höre Caesars Worte kaum.

Beinahe hätten die beiden es geschafft. Dann hätte das Kapitol keinen Sieger gehabt.
Doch sie haben es nicht zugelassen, nicht um Katniss' und Peetas Wohl, sondern um ihr eigenes.
Was für ein Skandal wäre es im Kapitol gewesen, wenn sie keinen Sieger, den sie anhimmeln können, gehabt hätten?
Dann hätten die Distrikte gewonnen, nicht sie.

Doch irgendwie glaube ich, dass Präsident Snow diese Aktion garnicht gefallen hat. Ich glaube, er will es nicht an die Öffentlichkeit bringen, doch insgeheim weiß er, dass dies ein Zeichen einer Rebellion war.

Schließlich beginnt im Fernsehen ein eigenes langes Interview, wo das Kapitol das Ende der 74. Hungerspiele schön redet.
Arvin weiß wohl sofort, was ich denke, denn er schaltete den Fernseher aus.

„Hoffentlich ist dem Kapitol langsam mal klar, was hier gerade passiert." murmelt Nale und ich nicke zustimmend.

„Ich sehe mal nach Willow und Blue." meine ich knapp und verlasse das Zimmer.

Nachdem ich die Treppen hoch gegangen bin, bin ich in dem runden Flur, den das große Siegerhaus uns bietet.
Ich gehe auf Blues Zimmertür zu und klopfe vorsichtig an.
„Mhm." höre ich ihre zarte Stimme und daraufhin öffne ich die Tür.
Ihr sonnendurchflutetes Zimmer ist klein, doch sehr gemütlich eingerichtet.
Blue liegt auf dem Bauch auf ihrem Bett, sie scheint etwas zu malen.
Ich komme auf sie zu und setze mich auf die Bettkante.
Die schwarzen, glatten Haare der zehnjährigen, die ihr über die blaue Bluse fallen, erinnern mich sehr an die
von meiner Schwester Aline.

„Was malst du gerade?" frage ich sie.
Blue dreht sich zu mir und ich blicke direkt in ihre tiefblauen Augen.
Dann legt sie ihren Stift zur Seite und reicht mir ihre Zeichnung.

Tribute von Panem | Stürmische SeeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt