𝗚𝗘𝗠𝗘𝗜𝗡𝗦𝗔𝗠

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Schon seit einigen Stunden läuft das Training an diesem Tag, und überraschenderweise bin ich nicht so erschöpft, wie es sich vielleicht vermuten lässt. Ich denke, es liegt an meinen Gedanken. Ich versuche, mich völlig auf das Training zu konzentrieren, um nicht wieder so zu enden wie gestern.
Als ich heute Morgen in die Halle gekommen bin, haben sie mich seltsam angesehen. Nicht nur die anderen Tribute, nein, auch die Spielmacher, die fein zurechtgemacht über uns sitzen und jeden unserer Bewegungen beobachten.
Ich weiß nicht, wie ich ihre Gesichtsausdrücke deuten soll. Es war eine Mischung aus Belustigung, Neugier und noch etwas, was ich aber nicht benennen kann. Ich traue mich nicht, es Mitleid zu nennen, denn ich weiß, dass ich nur wieder enttäuscht werde, wenn es das nicht ist.

Ich bin gerade dabei, einige Wasserpflanzen zu studieren, als mich jemand am Arm packt.
Ich blicke auf und sehe in Finnicks durchdringende Augen.
Mit einer Kopfbewegung weist er mir zu, ihm zu folgen.
Etwas verwirrt stehe ich auf und gehe Finnick nach. Er führt mich bis zum hinteren Ende der Pflanzenstation, die man von den meisten anderen Stationen aus durch die vielen aufgestellten Bäume und Pflanzen nur wenig erkennen kann.
„Was ist los?" zische ich.
Finnicks Stimme ist gedämpft.
„Bündnis. Du. Ich. Niemand sonst. Wir tun alles, um Katniss und Peeta zu retten, koste es unser Leben.
Ich will da niemanden sonst mit reinziehen, klar? Das können wir uns nicht leisten und vor allem habe ich auch keine Lust auf die anderen. Wenn es sich ergibt, schließen wir uns Mason an. Aber sonst dürfen wir keine Beziehungen eingehen. Du weißt ganz genau, warum."
Es ist eines der wenigen Male, in dem in Finnicks Stimme keinerlei Freude oder Charme mitschwingt. Er meint es todernst.
Ich schlucke.
Ich weiß, dass es das richtige ist. Wenn ich mich mit zu vielen Leuten verbünde, werde ich Katniss und Peeta aus den Augen verlieren.
Und vor allem, ich werde meine langjährigen Freunde vor meinen Augen sterben sehen.
Ich weiß, dass sie es sowieso werden müssen. Doch wenn ich es nicht sehe...
Ich wage es nicht, den Gedanken zu beenden.
Also nicke ich Finnick zu.

Das Training liegt in seinen letzten Stunden, und mittlerweile bin auch ich müde geworden.
Ich stehe bei der Station für essbare und giftige Pflanzen und schweife meinen leeren Blick über die verschiedenen Gewächse.
„Die direkt vor dir ist giftig." ertönt es plötzlich hinter mir.
Es ist Maisie, die sich daraufhin zu mir setzt.
„Du bist echt beeindruckend." murmele ich.

Meine Freundin Maisie aus neun hat ihre Spiele durch ihre wahnsinnige Pflanzenkenntnis gewonnen. Sie hat es geschafft, sich selbst lange genug davon zu ernähren und die am Ende verbliebenen Karrieretribute mit giftigen Pflanze zu töten.
Maisie grinst ganz kurz, wie sie es immer tut.
„In neun lernen wir von Kind an wie man mit Pflanzen umgeht. Hab gehört in vier gibt's das aber auch?"
Ich schüttele den Kopf.
„Nicht wirklich. Wir kennen uns eher mit den Pflanzen unter Wasser oder in Ufernähe aus, aber die haben noch kaum einem Tribut in den Spielen weitergeholfen. Ich glaube, Tribute aus unserem Distrikt haben eher körperliche Vorteile. Wir können mit Waffen umgehen und lernen von klein an zu schwimmen."
Maisie scheint einen Moment über etwas zu überlegen, doch es scheint, als würde sie schon länger auf etwas hinauswollen.
Schließlich räuspert sie sich und sagt: „Wir ergänzen uns gut, du und ich. Ein Bündnis wäre perfekt. Wir halten uns fern von den Karrieros, und streifen abseits des Füllhorns umher. Katniss und Peeta können wir gemeinsam im Auge behalten. Du zeigst mir, wie man schwimmt und mit Waffen umgeht, ich lehre dich über Pflanzen. Das ist perfekt für die Arena."
Ihre Augen beginnen immer hoffnungsvoller zu leuchten, während sie von ihrem Plan erzählt.
Doch ich bekomme mit jedem Wort, das ihre Lippen verlässt, ein noch schlechteres Gewissen.

Bündnis. Du. Ich. Sonst niemand.

Finnicks Worte hallen mir im Kopf wieder.
Ein gewaltiger Konflikt baut sich in mir auf.
Was soll ich Maisie sagen? Ich weiß, dass ihr es ganz alleine schwer fallen wird, in der Arena lange zu überleben.
Das wird jedem schwer fallen, und genau deshalb sind Bündnisse umso wichtiger.
Es gibt keinen Grund, sich nicht mit meiner Freundin zu verbünden. Ich kann es unmöglich ablehnen. Sie weiß, dass ich in der Arena niemals allein sein wollen würde, und sie weiß, was das Alleinsein für sie bedeuten würde.

Tribute von Panem | Stürmische SeeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt