𝗚𝗘𝗗𝗔𝗡𝗞𝗘𝗡

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Es ist der Geruch von frischen Brötchen in meiner Nase, der mich am nächsten Morgen wach werden lässt.
Wach werden, aber nicht aufstehen.

Ich sehe keinen Grund dafür.

Verschlafen drehe ich mich im Bett herum und blicke daraufhin aus dem Fenster nach draußen.
Ein paar wenige Regentropfen leisten sich ein Wettrennen das Glas hinunter.
Ich weiß noch, wie ich mir als Kind immer einen von ihnen herausgesucht habe, und gehofft habe,
dass dieser als erstes am unteren Ende des Fensters ankommt.

Beim Gedanken an früher, an ganz früher muss ich schmunzeln.
Es kommt mir vor, als wäre ich damals ein anderer Mensch gewesen.
Irgendwie noch ich, aber ein viel fröhlicheres, freieres Ich.
Ein Kind, dass sich um nichts Sorgen gemacht hat.
Das keine Befürchtungen oder Ängste hat.
Es gab jeden Tag immer nur Mom, Dad, meine Geschwister und mich. Und das Meer.
So oft waren wir zusammen dort.
Haben Mom und Dad beim Weben von Netzen zugesehen.
Haben uns im kühlen Sand vergraben und gespielt, dass uns niemand finden darf, obwohl wir insgeheim alle genau darauf gewartet haben.

Ich habe das Gefühl, man hat die glücklichste Zeit seines Lebens, wenn man sich vielem unbewusst ist.
Als ich noch ein Kind war, bevor meine Eltern gestorben sind, bevor ich von den Spielen erfahren habe, ging es mir so gut.
Meine Familie war zwar nicht besonders reich, und wir konnten uns oft nur wenig leisten, doch ich glaube das hat in dem Moment nicht für mich gezählt.
Ich war nur ein Tropfen im Meer aus Zeit, bis eine Welle kam, die mich von meinem Zuhause fortriss.
Und dann noch eine. Und noch eine.
Bald war ich so weit weg, dass ich das Ufer kaum noch sehen konnte.

Eine Stimme reißt mich aus meinen Gedanken.
Ich fahre herum und erkenne Ella Henderson, die sich an den Türrahmen meines Zimmers lehnt.
„Guten Morgen. Sie verkünden gleich die Zahlen für die Prüfungen im Fernsehen. Saphire ist schon ganz nervös, weil du nicht auftauchst."
Beim letzten Satz huscht ein kleines Schmunzeln über Ellas Lippen.
„Alles klar, danke." erwidere ich schnell und richte mich auf.

Ella macht noch keine Anstalten, wieder zu gehen, also blicke ich sie fragend an.
Ihr Blick liegt bereits auf mir.
„Worüber hast du nachgedacht?" fragt sie schließlich.
Ich seufze.
„Früher" ist das einzige, was ich sage.
Doch Ella scheint zu verstehen.
Sie wirft mir ein Lächeln zu und ich erkenne, dass auch sie kurz an ihre eigene Vergangenheit denkt.
Ich kenne sie zwar nicht gut, doch ich weiß, dass so gut wie jeder Sieger sich manchmal wünscht, einfach wieder Kind zu sein.

Mit einer dampfenden Tasse Kaffee trete ich an da große Samtsofa unseres Abteils und an die vielen Sessel heran,
die vor dem Fernseher platziert sind.
Ron, Ella, Saphire, Finnick und die Stylisten sind bereits alle dort.
Ich lehne mich an die Hinterseite eines unbesetzten Sessels und nehme einen Schluck des warmen Getränks, als auch schon Caesar Flickerman in die Kamera winkt.
Wie jedes Jahr verkündet er höchstmotiviert die Punktzahlen der Tribute.

Es liegt eine seltsame Spannung in der Luft.
Dieses Jahr werden die Zahlen sehr hoch sein, das steht fest.
Ich bin wirklich gespannt, was ich habe.
Denn wirklich Mühe gegeben, irgendwelche Punkte zu erzielen, habe ich mir diesmal nicht.
Meine Intention war, den Spielmachern eine Nachricht zu überbringen.
Die Frage ist aber, was hat das für Auswirkungen?
Eine schlechte Punktzahl würde bedeuten, dass ich vermutlich kaum Hilfe in die Arena gesendet bekommen würde.
Doch ich sehe ein, dass ich diese auch nicht brauchen werde.
Denn in den 75. Hungerspielen geht es nicht eine Sekunde lang um mich.
Ich werde Plutarch Heavensbees Plan folgen und alles dafür tun, dass Katniss und Peeta überleben.

Es beginnt wie immer mit Distrikt eins, wo beide Tribute eine zehn erhalten.
In zwei bekommen beide sogar eine elf.
Selbst Beetee und Wiress, die viele wohl unterschätzen, erhalten eine neun und eine acht.

Tribute von Panem | Stürmische SeeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt