Kapitel 4

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Leise drehte ich den Schlüssel im Schloss herum, damit mich ja keiner hörte. Ich nahm schon extra den Hintereingang des Tores, wo nur einer von seiner Männer stand. Dieser hatte mich zwar verwundert betrachtet, aber sonst nichts weiter gesagt. Schließlich dachten sie wahrscheinlich auch, dass ich drin war oder sie wussten noch nicht Bescheid. Ich hoffte natürlich auf ersteres, ich hatte wirklich keine Lust auf Stress.

Wie als würde ich schweben, versuchte ich leise über den Boden zu tapsen, während ich unruhig nach meinem Handy kramte für die Taschenlampe. Dabei flog mir leider meine Jacke beziehungsweise die von Nevio herunter, welche um meinen Körper gewickelt war. Ich bemerkte sie erst, als ich in der Kälte herumlief und kurze Zeit später mir ein Taxi rief. Zum Glück trug ich immer mehrere Euro bei mir in meiner Handyhülle mit.

Ein lautes Klirren ertönte durch die herunter fliegende Jacke auf dem Boden, während ich zusammenzuckte. Merda, hoffentlich hatte er das nicht gehört. An sich wäre es nicht schlimm, wenn er wüsste, dass ich alleine draußen war, dies gefiel ihm zwar nicht, aber da konnte er nichts tun. Aber wie sollte ich erklären, dass Nevio wieder da war und ich bei ihm? Er würde doch sofort alles in den falschen Hals nehmen.

Erschrocken fuhr ich hoch, als plötzlich das Licht anging. Kam ich etwa an den Lichtschalter? Nein, ich stand nicht mal an der Wand. Schnell suchten meine Augen die Umgebung ab, worauf ich sie noch weiter aufreißen ließ, durch die Präsenz welche am Esstisch saß, mit einem Whiskyglas in der Hand. Eljero. Okay ganz ruhig Chiara, er saß da bestimmt nicht deinetwegen, wahrscheinlich konnte er einfach nur nicht schlafen oder hatte Lust auf einen Drink.

Ach was versuchte ich mir da eigentlich einzureden. Bei seinem Blick, welcher Giftpfeile schießen könnte, war doch klar, dass er hier auf mich gewartet hatte. Unruhig spielte ich mit den Bändeln meiner Jacke, welche ich wieder aufhob, als ich versuchte nicht in seine wütenden Augen zu sehen.

,,Hey", kam es mit gespielt unschuldiger Stimme aus mir hervorgepresst. Vielleicht würde er ja nur denken, dass ich kurz spazieren war. Ganz bestimmt, mit einer Jacke, welche nicht mir gehörte und dazu noch so lange während ich eigentlich am Kochen war, wem versuchst du eigentlich etwas einzureden?

,,Wo warst du?", hörte ich seine knurrende Stimme. Eindringlich betrachtete er mich, was mich ein wenig einschüchterte. ,,Hier", log ich schnell. Vielleicht hielt meine Lüge aufrecht, auch wenn ich dies sehr stark bezweifelte. ,,Lüg mich nicht an."

,,Ich lüge nicht", beharrte ich, bevor ich wahrnahm, wie sein Stuhl rumpelnd über den Boden fuhr und meine Oberarme fest umgriffen wurden. ,,Chiara, ich frage dich jetzt ein letztes Mal, wo warst du?" Sein heißer Atem prallte dabei auf meinem Gesicht ab, welcher meine Atmung nur noch flacher werden ließ. ,,Ich sagte doch schon, ich war die ganze Zeit hier, nur ganz kurz an der frischen Luft, da ich nicht schlafen konnte."

Ein lauter knurrender Laut entkam ihm, als sein Griff immer fester wurde, schon schmerzhaft. ,,Lüge mich verdammt nochmal nicht an, dir ist klar da sich alles herausbekomme, aber wenn du mich anlügst zerstört du unser Vertrauen zueinander. Also noch einmal nur für dich, wo warst du seitdem du angefangen hast zu kochen? Denn ich weiß, dass deine wirklich nicht einfallsreiche Lüge nicht stimmt. Und wenn wir schon dabei sind, wem gehört diese Jacke? Denn ich kenne deine Kleidung und diese gehört ganz bestimmt nicht dazu."

Ein tiefes Schlucken konnte ich nicht mehr unterdrücken, als ich ihm panisch in die Augen blickte. Merda, was sollte ich jetzt sagen? Ich konnte wohl kaum zugeben, dass ich Nevio getroffen hatte oder doch?

Nein, das ging nicht. Nicht nachdem, was er über Eljero sagte. Aber ich traute seinen Worten doch nicht, dann müsste ich doch eigentlich mit der Wahrheit herausrücken können. Doch irgendwas hielt mich davon ab, ich konnte es nicht verhindern, dass ich zumindest ein Fünkchen Vertrauen in Nevios Worte hatte.

Plötzlich war alles andere interessanter, während ich in meinem Kopf nach den richtigen Worten suchte. Wies das Sofa schon immer so ein schönes Schwarz auf, mit Grauen nahten? Wow, so genau hatte ich es nie betrachtet. Und glänzte der Esszimmertisch schon immer so im Schein des Lichtes?

,,Ich – ich musste raus. Okay ja, ich hatte dich angelogen, das stimmt und es war echt scheiße von mir. Andauernd sehe ich Nevio und heute war wieder einer dieser Momente. Ich versuche ihn ja wirklich loszulassen, aber ich kann es einfach nicht. Aber natürlich war er nicht da und das hat mich einfach so fertig gemacht, dass ich draußen herumgelaufen bin und völlig die Zeit vergessen habe, es tut mir leid, kommt nicht wieder vor. Und die Jacke ist seine, ich habe sie in meinem Schrank versteckt, damit du sie nicht bemerkst. Ich weiß ja das ihr euch nicht so versteht, aber ich habe seinen Geruch heute einfach bei mir gebraucht." Bei meinen Worten, versuchte ich die Mitleids Nummer zu bringen. Ich fühlte mich so schlecht, dass ich ihn in vielem anlog, aber es ging doch nicht anders.

Mein Atem wurde vor schlechtem Gewissen und der Unruhe, ob er die Notlüge abkaufte, immer hektischer, während ich meine schwitzigen Handflächen an meiner Jeans abstreifte. Meine Augen huschten voller Unsicherheiten über sein Gesicht, während er meinen Blick versuchte konstant standzuhalten. ,,Chiara, du musst wirklich endlich von ihm loskommen, das tut dir doch nicht gut. Aber merke dir eines, du musst wirklich nichts vor mir verstecken, selbst wenn es Dinge von Nevio sind."

Erleichtert atmete ich auf, er glaubte mir, zum Glück. ,,Danke", hauchte ich, da er anders reagierte, als erwartet. ,,Nichts zu danken, für dich immer. Ich liebe dich, das weißt du."

Ich spürte wie sich ein schwerer Klotz in meinem Hals bildet, den ich schwermütig herunterschluckte. Er sagte diese drei Worte nicht das erste Mal, einmal sogar noch als Nevio da war, doch jedes Mal wurde mir schwermütig. Ich konnte diese Worte einfach nicht erwidern, da sie nicht der Wahrheit entsprachen, nur der hoffnungsvollen Wahrheit.

Um davon abzulenken, nichts zu erwidern, lehnte ich mich schnell nach oben, um ihm einen kurzen Kuss auf die Lippen zu hauchen. Ich musste echt irgendwann ehrlich zu ihm werden. ,,Ich bin müde, ich gehe schlafen", sagte ich ihm noch, als ich mich wieder von ihm löste.

,,Gute Nacht, ich gehe auch bald hoch. Alissia schläft", gab er mir Bescheid. ,,Gute Nacht und danke, dass du sie schlafen gelegt hast", erwiderte ich noch schnell, als ich mich herumdrehte und schnell nach oben ging. Dabei zog aber ein Zimmer meine Aufmerksamkeit auf sich und dies war weder meines noch ihres. Es war Eljeros Arbeitszimmer, welches mich quasi anzog vor Neugierde.

Lösten Nevios Worte so viel Misstrauen in mir auf, dass ich Eljero hintergehen wollte? Sollte ich da überhaupt hereingehen?

Ja sollte ich, beschloss ich. Wenn Nevio log war es eben so, dann zerstörte er mein Vertrauen in ihn komplett und wenn er der Wahrheit aussprach, dann – ja was dann? Ich hatte keine Ahnung, was dann wäre. Aber ich würde all dies nur herausfinden, wenn ich mich in diesem Raum ein wenig umsah. Weswegen ich mich nicht mehr davon abhalten konnte, die Türklingel herunterzudrücken und den schwer beleuchteten Raum zu betreten, voller Neugierde und einem unguten Gefühl, was mich erwartete.

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