24. Hübsche Lügen

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Elsas Sicht

Der hell leuchtende Mond war das einzige Licht am dunklen Abendhimmel. Vielleicht glitzerte der eine oder andere Stern, doch außer dem war es vollkommen düster. Nicht eine Lampe brannte. Ich lag auf der weichen Bettdecke und starrte in die Luft. Es war warm. Auch wenn ich einen ruhigen Eindruck erweckte, war ich alles andere als entspannt. Wie jedes Mal, wenn ich Jacks Besuch erwartete. Ob es ihm ähnlich erging? Keine Ahnung. Lohnt sich all das Herzrasen überhaupt? Immer musste ich mir diese Fragen stellen. Aber vielleicht sind sie berechtigt. Ich mochte Jacks Gesellschaft. Doch irgendwie plagte mich der Gedanke, dass er nicht vollkommen vertrauenswürdig war. Was, wenn Merida recht hat? Ich war wütend. Wieso wollten mich alle verunsichern? Gratulation. Sie hatten es geschafft und mich in ein Gefängnis aus meinen eigenen Gedanken gesperrt.

Ruckartig erhob ich mich, als ich Geräusche vernahm. Ein leises Fluchen. Ich stürzte auf und eilte zum offenen Fenster. Jack kletterte in mein Zimmer. Mein Blick fiel auf seine zerkratzte Wange.

„Du hast recht. Dieser Weg ist nicht der beste.", sagte er nur.

Ich verdrehte die Augen und griff nach einem Taschentuch, das ich ihm überreichte.

„Wie kommt man auch auf sowas?"

„Keine Ahnung.", entgegnete er abgelenkt und tupfte das Blut von seiner Wange.

„Geht es?", fragte ich schließlich doch etwas sanfter.

„Das war ein Ast und kein Schuss, Schätzchen.", sagte er nur und blickte mich an.

Er kam einen Schritt auf mich zu. Unsere Lippen schwebten zentimeterweit voneinander entfernt. Ich spürte wie meine Wangen zu glühen begannen, die Hitze in mir aufstieg. Sich mein Gesicht rot färbte.

„Brauchst du irgendwas zum Desinfizieren?", hauchte ich und schielte auf die blassen Lippen.

Ich spürte seinen warmen Atem auf meiner Haut. Ehe ich mich versah, lagen seine Lippen auf meinen. Ich stolperte zurück und stoß mit den Beinen gegen das Nachtkästchen. Mein Kopf war benebelt, mein Körper taub. Zugleich war es wie tausende Nadelstiche auf meiner Haut. Atemlos löste ich mich von ihm.

„Deine Wange.", sagte ich nur und beobachtete wie er seine Augen grinsend verdrehte, „Komm mit ins Bad."

Ich hörte seine Schritte. Langsam schlich ich über den Flur in das kleine Badezimmer. Zur Sicherheit verschloss ich die Tür. Nach einiger Zeit fand ich das kleine Fläschchen und überreichte es ihm. Als sich unsere Finger berührten, war es wie ein kurzes Zucken, das mich durchfuhr. Ich beobachtete ihn. Seine Schönheit war irgendwie fesselnd.

„Was?", fragte er lächelnd.

Ich tat es ihm gleich. „Nichts. Was soll sein?"

Leicht schüttelte er den Kopf. Er grinste und ich kam irgendwie nicht umhin es ebenso zu tun, ohne zu wissen warum. Jack nahm den Blick nicht von mir und stellte das kleine Fläschchen ab.

„Gehen wir oder willst du mich noch ewig grinsend anstarren?", wollte er wissen und näherte sich mir.

Eigentlich will ich genau das tun.
Doch ich wendete den Blick, öffnete die Tür und steuerte auf mein Zimmer zu.
Es war dunkel. Der angenehme Mondschein erhellte eine Ecke meines Zimmers. Ich lächelte Jack schüchtern an. In diesem Moment ertönte ein leises Klingeln. Meine Augen streiften das Handy. Rasch warf ich Jack einen entschuldigenden Blick zu und entsperrte den Bildschirm. Merida. Ich erstarrte. Unsicher nahm ich den Anruf an.

„Elsa? Hi."

„Hi." Unschlüssig ging ich auf die Tür zu, doch Jack bedeutete mir mit einer Handbewegung zu bleiben. Augenrollend leistete ich seinem Wunsch Folge.

Die WinterroseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt