8. Ungewissheit

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„His palms are sweaty, knees weak, arms are heavy. There's vomit on his sweater already, mom's spaghetti. He's nervous, but on the surface he looks calm and ready to drop bombs. But he keeps on forgetting what he wrote down, the whole crowd goes so loud. He opens his mouth, but the words won't come out. He's choking how, everybody's joking now. The clock's run out, time's up, over, blaow!", rappen Max und ich, es sind noch ungefähr zwanzig Kilometer, bis wir in Hamburg sind und natürlich stehen wir im Stau. Als wir eine Stunde später da sind, fühle ich mich endlich wieder frei. „Wow.", flüstere ich. Max umarmt mich und in diesem Moment fühle ich mich unendlich. Zuerst einmal gehen wir etwas essen, wir haben ziemlich Hunger und die Franzbrötchen, die wir bei Netto gekauft haben, schmecken nicht mal ansatzweise so gut, wie hier. Außerdem bestehen die gefühlt zu achtzig Prozent aus Zucker und wir haben uns auf der Fahrt nur von den Dingern ernährt. Normalerweise vertrete ich eher die Veggie Fraktion, aber in Hamburg muss man einfach Fisch essen. Frisch gestärkt, machen wir uns auf dem Weg zu Levi. Er ist total begeistert und empfängt uns mit offenen Armen. „Warum schlaft ihr eigentlich diese Woche im Hotel? Ihr hättet ja auch bei mir schlafen können. Und Max, in der Zeit, in der Charlie im Krankenhaus ist, hättest du auch bei mir wohnen können.", erklärt mein bester Freund. Am Abend gehen wir gemeinsam auf die Reeperbahn, ich habe es so sehr vermisst. Ich kann auch gar nicht verstehen, dass so viele Angst davor haben, hier passt irgendwie jeder auf jeden auf und sollte es doch einmal dazu kommen, dass jemand irgendwie angefasst wird oder geschlagen wird, wird man eigentlich immer verteidigt. Im Safari sind wir die jüngsten. Heute werden überwiegend ältere Schlager gespielt, die wir natürlich alle von unseren Großeltern kennen. Levi und ich tanzen wie verrückt, Max schaut uns eine Weile zu. Einige ältere Leute halten uns für ein Paar, was uns ziemlich zum Lachen bringt. Danach gehen wir noch in Olivias Show Club, ein absolutes Muss, wenn man auf der Reeperbahn unterwegs ist. Levi will uns die Ritze zeigen, aber da man dort rauchen darf, bin ich nicht so besonders begeistert. Seit meiner Diagnose versuche ich, nicht mehr zu rauchen und das würde mich wahrscheinlich ziemlich triggern. Auch Max ist nicht so begeistert, denn er will mich soweit es möglich ist, von schädlichen Einflüssen fernhalten. Unsere lange Party Nacht endet um ungefähr drei Uhr in Dönerladen. Danach laufen wir zu meinem besten Freund und fallen müde, aber glücklich in unsere Betten.

Als wir im Krankenhaus ankommen, wird mir erst einmal Blut abgenommen. Max muss mich festhalten, denn ich habe immer noch wahnsinnige Angst davor. Eigentlich hatte ich mich in der Zwischenzeit daran gewöhnt, aber das macht mir noch immer Angst, weil es mich an mein früheres Trauma durch meinen Exfreund erinnert. Als die ganze Scheiße dann endlich vorbei ist, wird mir ein Zimmer und ein Bett zugewiesen, zum Glück habe ich erst mal keinen Zimmernachbarn, ich hasse Menschen und in meiner momentanen Situation, würde ich wahrscheinlich noch angepisster sein, als ohnehin schon. Am nächsten Morgen muss ich mich umziehen, so eine komische Stoffunterhose, ein dünnes Hemd und ich muss meine Socken ausziehen, was für mich ein riesiges Drama ist. Ich habe in meinem Leben noch nie ohne Socken geschlafen, selbst im Hochsommer trage ich zumindest dünne Socken. Manchmal glaube ich, dass ich wirklich autistische Züge habe. Als ich für die OP vorbereitet werde, habe ich eine kleine Panikattacke, denn mir muss noch mal ein extra Zugang gelegt werden. Nadeln, die weiter in meinen Körper gehen, als Tattoonadeln, mache mich irgendwie panisch. Als die Narkose dann endlich wirkt, drifte ich ziemlich schnell ab. Alles um mich herum nehme ich nur noch dumpf war und schon bald bin ich komplett weg. „Charlie?", fragt eine Frau, die mir ziemlich bekannt vorkommt. Nachdem ich genauer hin gesehen habe, erkenne ich meine Mutter. „Mama? Was machst du hier?", frage ich erstaunt. „Charlie, was machst du hier? Hier landest du nur, wenn du kurz davor bist, zu sterben.", antwortet sie. „Werde ich sterben?", frage ich. „Nein, mein Schatz. Deine Zeit ist noch nicht gekommen. Komm mit mir, wir laufen ein Stück und dann bringe ich dich wieder zurück.", entgegnet meine Mutter. Sie nimmt mich in den Arm, wir laufen und reden eine Weile, dann bringt sie mich zu einem Tunnel, der ziemlich dunkel ist. „Sollte der nicht eigentlich hell sein?", frage ich. „Nein, du wirst leben. Pass auf dich auf. Irgendwann werden wir uns wieder sehen.", verabschiedet sich meine Mutter von mir und schubst mich sanft in die Richtung des Tunnels. Ich öffne langsam meine Augen und blicke in das blasse und besorgte Gesicht meines Bruders. „Charlie, oh mein Gott. Ich hatte solche Angst um dich.", flüstert Max und weint.

„Es war einmal ein kleines Mädchen namens Charlotte, aber eigentlich nennen sie alle nur Charlie. Sie wollte ein großes Abenteuer erleben. Eines Tages, als sie im Wald spazieren ging, traf sie einen sprechenden Vogel namens Max. Max war ein kleiner, aber mutiger Vogel, der Charlie fragte, ob sie ihm helfen könnte, seine Freunde zu finden, die von einer bösen Hexe entführt worden waren. Charlie zögerte zuerst, aber sie spürte, dass dies ihre Chance war, ein echtes Abenteuer zu erleben. Also stimmte sie zu und Max führte sie tief in den Wald zu einem geheimen Versteck der Hexe. Charlie und Max schlichen sich hinein und fanden die Freunde des Vogels, die in einem Käfig gefangen gehalten wurden. Charlie wusste, dass sie schnell handeln musste, um die Freunde von Max zu retten. Sie dachte sich einen Plan aus und mit Max' Hilfe gelang es ihnen, die Freunde zu befreien und aus dem Versteck zu fliehen. Die Hexe bemerkte, dass sie entkommen waren und jagte ihnen hinterher. Charlie und Max rannten um ihr Leben, aber die Hexe holte sie fast ein. In letzter Minute hatte Charlie jedoch eine Idee und sie rief all ihre Freunde im Wald um Hilfe. Bald kamen viele Tiere, darunter Hirsche, Eichhörnchen und Kaninchen, um Charlie und Max zu helfen. Sie setzten sich gegen die Hexe zur Wehr und schafften es, sie zu besiegen. Charlie und Max waren erleichtert und dankbar für die Hilfe ihrer Freunde. Sie kehrten in ihre Heimat zurück und Charlie wusste, dass sie nun ein echter Abenteurer war.", flüstert mein großer Bruder, der sich zu mir ins Bett gelegt hat und mir über die Schulter streichelt. Unsere Mutter hat gerne Geschichten geschrieben und Max hat sie irgendwann auswendig gelernt und mir erzählt, als ich noch klein war. Die Geschichte lenkt mich etwas von meinem noch ziemlich kaputten Körper ab. Momentan kann ich noch nicht laufen, ich muss es erst wieder lernen. Mein Bruder ist aber immer an meiner Seite und übt mit mir. Es tut ziemlich weh und es kostet mich verdammt viel Überwindung, aber mit der Hilfe meines Bruders schaffe ich es, langsam wieder auf die Beine zu kommen. Längere Strecken soll ich aber noch nicht laufen, dafür habe ich in Zukunft einen Rollstuhl. Das geht gar nicht, das lässt sich nicht mit meinem Ego vereinbaren. Ich bin doch erst neunzehn und noch keine neunzig. Auch hier tröstet mich Max wieder. „Es ist ja nicht für immer.", beruhigt er mich.

„Heyho, what's up, bitches?", brüllt mein bester Freund und tanzt in das trostlose Zimmer. „Levi!", rufe ich begeistert und hebe langsam meinen Arm. Ich glaube, zu mir bin ich heute nicht in der Lage, denn heute ist wieder ein schlimmer Tag. „Du bist ja nur noch Gemüse. Come on, Charliepuuh, das kannst du besser.", entgegnet er. Dann pflanzt er sich direkt auf mein Bett und klemmt erst mal meinen Fuß ein. Levi ist so ein Tollpatsch, aber dafür liebe ich ihn. Jedem anderen wäre ich für diese Aussage im übrigen ziemlich böse gewesen. „Aber jetzt mal ernsthaft, wie geht es dir? Ich habe mir solche Sorgen gemacht und als Max dann auch noch meinte, dass ich dich erst mal nicht besuchen soll, hatte ich total Panik.", sprudelt es aus meinem besten Freund heraus. Hilfesuchend schaue ich zu meinen großen Bruder, ich kann mit den ganzen Infos, Reizen und Fragen nicht umgehen, also übernimmt er für mich. „Charlie hat die OP ganz gut überstanden, aber der Tumor war so groß, dass Nerven beschädigt waren, die ihre Motorik betreffen. Sie kann noch nicht richtig laufen und ist etwas grobmotorisch. Durch den Eingriff ist sie noch ziemlich platt, sie bekommt auch noch ziemlich starke Schmerzmittel, deswegen kann sie nicht mit allzu vielen Reizen umgehen. Auch ihr Sprachzentrum hat sich noch nicht vollständig erholt, immerhin wurde sie fast zehn Stunden operiert. Aber der Tumor konnte komplett entfernt werden. In ein paar Monaten wird sie wieder ganz die alte sein.", erklärt er und ich bin unfassbar dankbar, dass er sich so um mich kümmert. Ich habe einfach den besten Bruder der Welt, der das alles mit mir durchgestanden hat und dabei auch noch so ruhig geblieben ist. Levi geht jetzt ganz behutsam mit mir um, er hat mir Zeitschriften mitgebracht, über die wir uns immer lustig gemacht haben. Die liest er mir vor und wir lachen gemeinsam darüber. „Was ist denn eigentlich mit Milla, Tinka und deinem Vater?", fragt mein bester Freund interessiert. „Charlie wollte nicht, dass jemand von unserer Familie, sie so sieht und Milla ist in letzter Zeit ziemlich beschäftigt gewesen.", erklärt mein großer Bruder. Levi bleibt noch eine Weile bei uns, dann fährt er aber wieder nach Hause, weil mich das alles ziemlich überfordert. In den nächsten Tagen kommt er immer mal wieder für eine halbe Stunde zu Besuch, Max ist immer an meiner Seite. Ich bin so dankbar, dass ich das Ganze nicht alleine durchstehen muss.

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