Chapter Nine//Erröten

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Am nächsten Morgen wurde ich durch das helle Vogel Gezwitscher geweckt. Verschlafen rieb ich mir meine Augen und blinzelte gegen das gleißende Sonnenlicht, dass durch die Windschutzscheibe fiel. Ich drehte meinen Kopf zu Felix und sah direkt in seine Meerblauen Augen. Er schaute mich liebevoll an und seine Augen strahlten heller als jeder Stern in diesem Universum.

"Morgen", gähnte ich müde und mit kratziger Stimme. Vorsichtig, damit ich Felix nicht schlug, streckte ich mich, soweit es mir in dem kleinen Auto halt möglich war.

"Morgen", antwortete Felix fröhlich und lächelte mich an.

"Wie lange bist du denn schon wach?", fragte ich.

"Nicht lange, vielleicht 'ne Viertel Stunde."

"Wieso hast du mich denn nicht geweckt?" Ich setzte mich hin und stütze mich auf meine Ellenbogen, so dass ich ihn nun besser anschauen konnte. Verschmitzt lächelte er mich an. "Du sahst so süß aus beim schlafen, ich wollte dich nicht stören."

Meine Wangen färbten sich rosa und ich musste den Blick senken. "Wir sollten langsam wieder nach Hause fahren", nuschelte ich. Ich setzte mich aufrecht hin, wobei mir erst auffiel, dass sein Arm die ganze Zeit um meine Hüfte geschlungen war. Mein Herz machte einen schmerzhaften Stolperer und kurz verzog ich das Gesicht.

"Alles in Ordnung bei dir?", fragte Felix mich besorgt. "Was? Ach so, ja, alles gut. Aber wir sollten jetzt wirklich zurück fahren, sonst geben unsere Eltern noch eine Vermisstenanzeige auf."

Umständlich und äußerst unelegant kletterte ich zurück auf den Fahrer Sitz, Felix folgte mir und ließ sich auf den Beifahrer Sitz fallen. Ich drehte den Schlüssel, der immer noch im Zündschloss steckte, um. Wie erwartet passierte rein gar nichts. Doch nach dem siebten Versuch geriet der Motor in's Stottern und sprang endlich an. Erleichtert fuhr ich vom Parkplatz und bog auf die Autobahn in Richtung zu Hause ab.

Während der Fahrt breitete sich eine unangenehme Stille im Auto aus. Als ich dachte, ich würde es nicht länger aushalten, streckte ich die Hand nach dem Radio aus, um die Musik lauter zu drehen. Felix hatte wohl zufällig die gleiche Idee. Unsere Hände berührten sich. Es war, als hätte ich einen elektrischen Zaun angefasst und Blitze würden über meine Haut schießen. Reflexartig zog ich meine Hand schnell zurück.

"Oh, tut mir leid, da hatten wir wohl den selben Gedanken", sagte Felix und lachte gekünstelt. Ich schenkte ihm nur ein müdes Lächeln. Er drehte die Musik lauter und beobachtete die vorbeifahrenden Autos.

Nach etwa einer Stunde Autofahrt hielt ich vor seinem Haus. Er klaubte seine Klamotten von gestern aus dem Fußraum. Den Griff bereits in der Hand, drehte er sich noch mal zu mir um. "Das war schön gestern. Wenn du irgendwann in den Ferien Zeit hast, können wir das ja wiederholen." Bevor ich reagieren konnte, war er schon ausgestiegen und hatte die Tür hinter sich zugeschlagen. Völlig durcheinander sah ich ihm zu, wie er zitternd durch den Vorgarten in Richtung Haustür lief. Auch Minuten nachdem er im Haus verschwunden war, starrte ich noch die Stelle, an der er gestanden hatte, an. Mit einem Kopfschütteln vertrieb ich die Gedanken und fuhr nach Hause.

Ich parkte den Wagen in unserer Einfahrt. Ich suchte meinen Klamotten zusammen und lief schnell zur Haustür. Mit tauben Fingern angelte ich in meiner Hosentasche nach dem Schlüsselbund und steckte ihn in's Schloss. Da meine Hände wegen der Kälte extrem zitterten, dauerte das Ganze doppelt so lange wie üblich.

Kaum hatte ich die Türschwelle übertreten, fiel meine Mutter mir um den Hals. "Oh Gott, Alexander, ich habe mir solche Sorgen gemacht! Wo warst du denn?" Sie ließ mich los und musterte mich kritisch. "Warst du betrunken? Oder warst du etwa bei einem Mädchen?" Ihre Stimme wurde gegen Ende hin ein wenig schrill. Sie war sehr fürsorglich und hatte immer Angst um mich. Ich war ihr einziges Kind, da hatte sie nun mal den starken Drang mich vor allem und jedem beschützen zu müssen. Sie wusste auch, dass ich sehr sensibel war und ihre größte Angst war es wahrscheinlich, dass ich verletzt werden würde.

"Nein nein, alles gut. Ich habe weder Alkohol getrunken, noch hatte ich Sex und ich war auch nicht auf irgendwelchen Partys. Mein Wagen wollte nur nicht anspringen und da haben Felix und ich dort übernachtet. Aber ich erkläre dir gleich alles, okay? Ich will mich erstmal umziehen." Mit diesen Worten ließ ich meine Mutter im Flur stehen und rannte nach oben in mein Zimmer. Ich schnappte mir einen Pulli, eine Jogginghose und frische Boxershorts. Ich ging in's Bad, warf meine immer noch leicht feuchten Klamotten in den Wäschekorb und stellte mich unter die warme Dusche.

Das heiße Wasser entspannte nach und nach jeden Muskel und taute mich wieder auf. Ich streckte dem Duschkopf mein Gesicht entgegen und ließ das Wasser darüber prasseln. Ich hatte meine Augen geschlossen und genoss einfach nur das Gefühl, welches das heiße Wasser auf meiner kühlen Haut hinterließ.

Ich drehte das Wasser ab und wickelte mich in mein Handtuch. Eine Weile stand ich einfach so da, starrte auf einen nicht vorhandenen Punkt und dachte nach. Nach einigen Minuten seufzte ich und zog mich an.

Ich hatte einen Entschluss gefasst. Ich würde meiner Mutter nun ein paar Antworten auf ihre nicht gestellten Fragen geben.

Song: California Dreamin' - The Mamas & The Papas

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