tension

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Sicht Kai

Kalter Wind weht durch meine Haare, während ich die letzten Runden um den Trainingsplatz laufe. Das Training war wieder super anstrengend, aber es ist so schön, wieder mit Jule zu trainieren. Ich hab das echt vermisst. Ich habe ihn vermisst...

Über den gestrigen Abend haben wir nicht noch einmal gesprochen. Wir haben nur über irgendwelchen Blödsinn geredet und zusammen das Training bewältigt. Gerade läuft er neben mir die letzte Runde um den Platz, bevor wir das Training beenden und zurück ins Hotel gehen können.

„Ey Kai, hast du Lust nachher noch eine Runde Tischtennis mit Marco und Mats und mir zu spielen?" Fragt Jule und sieht mich grinsend an.

Schweratmend nicke ich, da ich gerade kaum ein Wort heraus bekomme. Meine Lunge brennt und ich habe das Gefühl, gleich an Luftmangel zu sterben. Doch das Ziel liegt nur noch einige Meter vor uns, weshalb ich gar nicht daran denke, langsamer zu werden.

Dies stellt sich im nächsten Moment wohl als nicht ganz so kluge Entscheidung heraus, denn auf einmal durchfährt mein Bein ein unbeschreiblicher Schmerz, weshalb ich sofort zu Boden sinke.

Jule, welcher sofort stehen geblieben ist, hockt sich vor mich und sieht mich besorgt an.

„Havy? Hey, was ist los?" Fragt er und streicht sanft mit seiner Hand über mein Bein.

Ich hingegen kneife schmerzverzerrt die Augen zusammen und halte mein Bein mit den Händen fest. Tief ein-und ausatmend versuche ich, eine Antwort herauszubringen.

„Krampf" ist das einzige Wort, was ich über die Lippen bringe.

Sofort nimmt Jule mein Bein in seine Hände und dehnt es. Ganz sanft und vorsichtig bewegt er es, weshalb sich nach einigen Minuten der Krampf löst.

„Besser?" Fragt er, als er sieht, wie ich mich entspanne.

Meine Augen öffnen sich langsam wieder und direkt sehe ich in seine, voller Sorge glänzenden, blauen Augen.

„Ja, es geht schon wieder. Danke Jule" antworte ich und richte mich auf.

Jule hilft mir dabei, wieder aufzustehen und stützt mich den ganzen Weg bis in die Kabine. Nur in die Dusche verschwinde ich alleine und das Umziehen schaffe ich auch ohne Hilfe.

Wieder im Hotelzimmer angekommen setze ich mich auf das große Bett und lehne mich mit dem Rücken an das Kopfteil. Jule folgt mir und setzt sich wieder vor mich.

„Wie geht es deiner Wade?" Fragt er mitfühlend und streicht vorsichtig mit seiner Hand über den Stoff meiner Jogginghose.

„Es geht. Fühlt sich noch ein bisschen verspannt an, aber das wird schon wieder" gebe ich ehrlich zu.

Sofort platziert er mein Bein auf seinem Schoß und streift mir den Stoff der Jogginghose bis zum Knie nach oben. Seine weichen Hände legen sich an meine Haut und massieren meine Wade.

Seufzend schließe ich die Augen und genieße seine Berührungen sichtlich. Ich spüre, wie sich all die Anspannung in mir löst, allein durch seine Hände.

„Jule" hauche ich und lasse ihn mich weiter verwöhnen.

„Hmm?" Auch seine Stimme ist nur noch ein ganz leises Hauchen.

„Bitte hör nicht auf. Das fühlt sich so gut an"

Als ich meine Augen wieder öffne, kann ich seinen konzentrierten Blick auf mir genau erkennen. Er massiert jeden Zentimeter meiner Wade und jagt mir damit eine Gänsehaut über den Körper.

Ich weiß nicht wieso, aber ich will ihn gerade unbedingt berühren. Möchte seine Haut unter meinen Fingerspitzen spüren.

Zögerlich strecke ich meine Hand aus und lege sie ganz vorsichtig an seine Wange. Jules Augen treffen direkt auf meine und lösen damit eine Explosion in meinem Magen aus. Mein Herz schlägt plötzlich noch viel schneller und mein Atem stockt.

Ganz sanft streiche ich mit meinen Fingern über seine Wange. Seine Haut fühlt sich so verdammt weich an. Ob sich seine Haare auch noch wie damals anfühlen?

Ganz sachte lasse ich meine Hand weiter nach oben gleiten, um ihm eine Strähne hinters Ohr zu streichen. Die Luft fühlt sich immer dicker an und ich habe kein Zeitgefühl mehr. Der Raum ist komplett auf uns geschrumpft. Auf uns und dieses Bett.

Zögerlich wage ich es, meinen Blick von seinen Augen loszureißen und nur für den Bruchteil einer Sekunde auf seine Lippen zu richten. Diese Lippen, welche so unglaublich einladend aussehen.

All das hier fühlt sich so falsch, aber auch so verdammt gut an. Mein Kopf hat sich schon längst ausgeschalten, weshalb ich auch erst jetzt bemerke, wie nah sich unsere Gesichter bereits sind. Nur noch wenige Zentimeter trennen uns voneinander und ich kann seinen heißen Atem schon auf meiner Haut spüren.

Ein Klopfen an der Tür unterbricht den Moment und wir schrecken augenblicklich auseinander.

Räuspernd und mit knallrotem Kopf erhebt sich Jule vom Bett und öffnet die Tür des Zimmers. Ich sitze noch völlig perplex von der Situation, welche sich gerade abgespielt hat, auf der Matratze und versuche meinen Atem und meinen Herzschlag wieder zu regulieren.

Was zur Hölle war das denn gerade? Hätten wir uns gerade fast geküsst? Was ist nur los mit mir? Ich habe einen Freund. Das kann und darf nie wieder passieren. Ich empfinde doch gar nichts mehr für Jule. Warum reagiert mein Körper nur so auf ihn? Mein Herz gehört einzig und allein Tobi. Nur ihm. Tobi tut mir gut und macht mich zu einem besseren Menschen. Ich liebe ihn. Das gerade war nur ein ganz ganz kleiner Schwächeanfall, so wie gestern. Nur dass sich das niemals wiederholen darf. Und es wird sich nicht wiederholen, da bin ich mir ganz sicher. Niemals würde ich Tobi betrügen.

„Wolltet ihr nicht mit uns Tischtennis spielen? Mats und ich warten schon seit zehn Minuten auf euch." Höre ich Marcos Stimme.

Jule kratzt sich verlegen am Nacken und bringt mit leiser Stimme eine Antwort hervor.

„Wir kommen gleich nach. Gib uns noch drei Minuten" danach schließt er einfach wieder die Tür und wendet sich mir zu.

Doch seinen Blick hat er auf den Boden geheftet. Sollten wir darüber reden? Wahrscheinlich nicht. Wir sollten das wohl einfach vergessen. Dieser Moment hat niemandem von uns etwas bedeutet und es ist besser für jeden von uns, würden wir darüber schweigen.

„Alsoooo... Tischtennis?" Frage ich um die Stimmung etwas aufzulockern.

Jule nickt nur, nimmt sich einen Pullover aus seinem Schrank und zieht sich diesen über. Ich stehe währenddessen vom Bett auf und stelle mich an die Tür.

Schweigend verlassen wir das Zimmer und gesellen uns zu Mats und Marco.


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