"Wenn du mich nur anfässt mit deinen dreckigen Fingern", knurrte ich ihn drohend an. Doch Taran lachte einfach nur und verließ dann das Zelt. Panik kroch mir im Nacken hoch. Was wird er mit mir anstellen? Viel wehren konnte ich mich nicht.
Im Zelt wurde es dunkel, als Taran die Tür verschloss. Nirgends drang Licht von außen herein und es gab auch keine Lampe hier drinnen. Also saß ich im Dunklen. Für eine lange Zeit, die sich für mich ewig anfühlte.
Irgendwann ging die Tür auf, allerdings nur kurz, denn eine vermumte Person kam herein. In diesem kurzen Moment sah ich, dass es draußen bereits dunkel war.
Die vermumte Person stellte mir eine Kanne mit Wasser und einen Teller mit Essen hin. Ohne ein Wort zu sagen, verließ sie das Zelt wieder. Ich fühlte mich wie ein weggesperrter Hund.
Langsam begann ich zu essen und zu trinken. Ich entdeckte einen Eimer in meiner Reichweite stehen. Oh ja klar, jetzt war ich wirklich ein weggesperrter Hund.
Nicht nur musste ich hier rumsitzen im Dunkeln, sondern auch noch mich in einem Eimer erleichtern.
In den ersten Tagen, ich glaubte es waren Tage, versuchte ich mich noch fit zu halten, obwohl das Essen, was mir gegeben wird zu wenig war, um körperlich stark zu bleiben. Auch das Sitzen wurde lästig. Wenn ich lag, schlief ich meistens ein. Es war so als wäre die Welt um mich herum angehalten worden. Ich hörte nur meine Bewegungen, meinen Herschlag und meine Atmung. Sehen tat ich nur die eine Person, die mir Essen und Trinken brachte. Ich dachte viel nach, was mich immer tiefer zog.
Über meine tote Familie, meine toten Drachenreiterfreunde und über all die Menschen, die leiden und sterben müssen wegen Kriegen oder sonstigen Auseinandersetzungen. Vielleicht war diese Welt verflucht. Vielleicht war es so bestimmt, dass alle Drachenreiter sterben mussten, damit die Welt erkennt, dass es keine Kriege geben muss.
Mir machte das ständige Hungergefühl und die ständige Steife meines Körpers zu schaffen. Aber am schlimmsten war die Tatsache, dass ich meinen Gedanken ausgesetzt war.
Diese Gedanken und Schuldgefühle kamen wieder zurück. All das hatte ich verdrängt durch die Jagd auf Taran. Doch jetzt prasselte alles ohne Schutz auf mich ein. Die Alpträume kamen zurück. Wenn ich die Augen schloss, kamen entweder Bilder vom Krieg oder das Bild von meiner toten Familie.
Ich musste an meine Kindheit denken. An diese glückliche Familie von damals.
Aroa rief in meinen Gedanken immer noch nach mir, aber ich musste sie weiter von mir fernhalten. Ein Drache und sein Reiter verband ein starkes und magisches Band. Geht es deinem einem schlecht, geht es dem anderen ähnlich.
Doch in diesen Tagen oder Wochen in Dunkelheit spürte ich wie nicht nur mein Körper taub wurde, sondern auch meine Gedanken und die Verbindung zu Aroa. Es war so, als ob ich alle Verbindungen zur Realität verlor. Aroas Rufe wurden immer leiser bis sie ganz verstummten.
Auch meine Gefühle wurden taub bis ich gar nichts mehr spürte bis auf den Hunger.
Meine Gedanken wurden weniger bis ich nur noch vor mich hinstarrte.
Die Person, die mir Essen brachte, nahm ich kaum noch wahr. Ich existierte nur noch. Sitzen, liegen und essen waren das einzige was ich tat. Vage erinnerte ich mich an die Lektion von damals in der Ausbildung zur Drachenreitererwählung. Die Lektion über die weiße Folter. Doch ich wollte nicht mehr nachdenken.
Die Person, die mir immer Essen brachte, kam mir diesmal näher, weshalb ich sie diesmal auch wahr nahm.
Sie leuchtete mir mit einer Lampe in meine Augen. Es war so hell, dass ich versuchte meine Augen zu schließen. Die Person eilte kurzdarauf wieder nach draußen. Ich fiel zurück in meine Trance.
Laute Stimmen drangen plötzlich zu mir durch. Doch ich stand neben mir. Die Stimmen drangen wie durch eine dicke Wand zu mir, doch es interessierte mich nicht.
Plötzlich wurde es hell um mich. Zwei Männer kamen herein. Doch ich schloss einfach die Augen. Vielleicht werde ich jetzt erlöst.
Doch auch die zwei Männer leuchteten mir in die Augen.
"Wie kann es sein, dass ihre Augen grau sind. Wie kommt so ein Farbwechsel zu Stande?", hörte ich den einen gedämpft sagen.
"Ich weiß es nicht. Aber vor der Drachenreitererwählung hatte sie diese Augenfarbe", hörte ich den anderen erklären.
Die zwei Männer diskutierten kurz noch, bevor der eine wieder das Zelt verließ. Der andere blieb und stellte mir Essen hin. Mechanisch aß ich es.
Diesmal blieb der Mann da und setzte sich auf einen Stuhl. Und es blieb hell, obwohl ich mich eher nach der Dunkelheit sehnte.
Ich hörte ihn irgendwas sagen, doch ich blieb in meiner Trance.Taran
So extrem hatte die weiße Folter noch bei keinem gewirkt, den ich gefoltert hatte.
Xenias Vorgänger waren immer froh, wenn jemand da war. Aber sie schien wie in einer Trance zu sein. Ihr Körper wurde dünner und das obwohl sie ja schon dünner war als andere. Vielleicht hatte ich es diesmal übertrieben? Sie muss dringend mehr essen, weil sie nicht gut aus sah. Und der Boss bringt mich um, wenn ihr etwas geschieht.
Der Augenfarbewechsel bedeutet alleine schon nichts gutes. Plötzlich von den bernsteinfarbenen Augen zu grauen und trüben Augen bedeutet absolut nichts Gutes.
"Hat es dir geschmeckt?", fragte ich sie.
Keine Reaktion. Ihr Blick ging auf den Boden. Ich musste sie dringend wieder wach bekommen. Der Boss braucht sie lebend und vorallem nicht in Trance.
"Xenia?", fragte ich etwas lauter. Keine Reaktion. Dieser Zustand war mir absolut neu, weshalb ich auch nicht wusste, was ich tun sollte. Ich kniete mich vor sie hin und schüttelte sie leicht an der Schultern. Ihr strähniges Haar berührte meine Hand, als ihr Körper meinen Bewegungen folgte.
Vermehrter Haarausfall, auch kein gutes Zeichen. Sie musste dringend mehr essen. Hoffentlich wird sie dadurch wieder wach.
Ich hatte bereits vieles gesehen, aber eine eigentlich so starke und hübsche Kriegerin so zu sehen, erschreckte mich tatsächlich.
In den nächsten Tagen aß Xenia mehr, aber ihr Zustand blieb gleich. Außerdem hatte ich erfahren, dass die Drachen wohl das ganze Land verwüsten. Sie plünderten ganze Tierherden und griffen Menschen an, wenn sie denen zu nahe kamen. Ich hatte meine Männer beauftragt in allen möglichen Geschichtsbüchern zu suchen, was das alles zu bedeuten hat.
Doch kein Geschichtsbuch hatte eine Antwort, denn es ist anscheinend noch nie passiert. Der einzige Satz, der mir durch den Kopf wanderte war, Drache und Reiter sind miteinander verbunden. Sie fühlen einander.
Doch es half mir nichts. Die Drachen waren außer Kontrolle und die einzige Kontrolleurin war in einer Trance. Der Boss setzte mich zunehmend unter Druck, dass ich das Problem beheben sollte.
Ich schüttelte Xenia heftiger und schlug sie öfter. Doch nichts half, sie nahm alles bereitwillig auf.
"Xenia! Du musst aufwachen und deine Drachen beruhigen. Sie töten Menschen!", brüllte ich sie an.
Ein kurzer Ruck ging durch ihren Körper. Als wäre ein Blitz eingeschlagen. Sie hob langsam den Kopf und ihr Blick war leer und ging durch mich hindurch.
"Ich habe sie verloren. Sie sind nicht mehr da", flüsterte sie.
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Die Drachenprinzessin
FantasyDas ist der zweite Teil zu meinem Buch "Die Drachenkönigin". Ruhe war wieder in das Land eingekehrt. Die Einhornarmee wurde erfolgreich besiegt und die Hauptstadt wurde wieder aufgebaut. Das Schicksal scheint es gut mit Xenia zu meinen. Doch als s...