4. Kapitel

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Sie

Ich war wieder auf dem Rückweg nach Hause. Es war kühl draußen. Vom Waldrand sah ich die Lichter in unserem Haus.
Als ich durch die Haustür trat, rief ich: "Bin wieder zuhause."
Im nächsten Moment stieg mir ein widerlicher Blutgeruch in die Nase. Panik erfasste mich. Instinktiv griff ich nach meinen Schwertern und tastete mich dann im Flur vor. Es war absolut still im Haus. Ich konnte meinen eigenen Herzschlag hören. Er war schnell. Warum roch es hier so extrem nach Blut?
Ich tastete mich weiter vor und schielte um die Ecke in die Küche. Was ich dort erblickte verschlug mir meinen Atem.
Zitternd trat ich in die Küche. Von der Zimmerdecke hangen meine Mutter, Koji und Kushina. Alle mit der Kehle durchgeschnitten und blutüberströmt. Alle hatten ein Zeichen auf der Brust.
Tränen bildeten sich in meinen Augen. Scheppernd ließ ich meine Schwerter fallen. Röchelnd schnappte ich nach Luft. Der Anblick war so sehr erschreckend, dass ich gar nicht bemerkte, wie mir die Tränen runter liefen und ich auf die Knie gesunken war.
Mühevoll stand ich auf und kam näher. Der Anblick erschütterte mich schwer und mein Herz schien es zu zerreißen. Ich schluchzte und schnitt die Seile los. Die toten Körper sackten einfach auf den blutüberströmten Boden. Wer hat das getan? Warum? Wie? Meine Gedanken überschlugen sich.
Mit blutigen Finger wischte ich mir die Tränen weg, um was zu sehen. In dem Moment stach mir das Zeichen auf der Brust meiner Mutter ins Auge. Plötzlich strömten mir Erinnerungen in den Kopf. Mein Kopf schien es zu zerreißen.
Ich sah Tarans Gesicht vor meinen Augen. Sein schelmisches Grinsen, als ich verletzt am Boden lag. Und das Zeichen prangerte an seiner rechten Brustrüstung. Der seelische Schmerz kam wieder zurück. Ich kniff die Augen zusammen und schrie. Erneut sackte ich auf den Boden.
Ich verstummte wieder. Wie konnte Taran noch leben? Wie konnte das möglich sein? Er war mit Lian unter den Trümmern vergraben gewesen. Seine Leiche wurde zwar nicht gefunden, aber er war tot. Wie hätte er den Einsturz überleben können?
Zitternd schaute ich wieder auf meine tote Familie. Warum hatte er sie getötet? Warum? Sie hatten nichts damit zu tun. Taran konnte und durfte auch nicht mehr leben. Er war tot. Er musste es einfach sein. Schniffend holte ich aus einem Schrank ein paar Decken und deckte die Leichen damit ab. Den Anblick konnte ich nicht mehr ertragen. Mein ganzer Körper zitterte und ich konnte nicht mehr klar denken. Alles tat mir weh. Ich konnte einfach nicht mehr. Es war mir alles zu viel. Erst die Schlacht, dann die Folgen, danach der anstehende Krieg und jetzt das hier. Warum war ich überhaupt zur Drachenreitererwählung gegangen? Warum...
Plötzlich hörte ich jemanden ins Haus kommen. Ich erwartete Taran oder seinen Nachfolger, weshalb ich auch nicht meine Schwerter zog. Es war mir egal. Meine Familie war tot, warum sollte ich noch leben?
Es war allerdings weder Taran noch sein Nachfolger, sondern ein Bauer aus dem Dorf.
"Xenia, dein Drache spielt draußen verrückt. Was ist denn passiert...", er verstummte als er die blutüberströmten abgedeckten Leichen sah. 
"Sind das", fing er an. Doch ich nickte schon und wandte mein Blick davon ab. Ich hörte den Bauer wie er eine Decke anhob und direkt wieder fallen ließ. Er keuchte vor Schreck.
"Wer war das?", fragte er.
"Der Mörder aus der Hauptstadt", flüsterte ich fast lautlos. Dann ging ich einfach wortlos aus dem Haus. Draußen stand in der Tat Aroa. Sie lief ganz nervös umher und kam direkt zu mir, als sie mich sah. Aroa grummelte, als sie mich sah. Mit ihrem Kopf stupste sie mich an.
"Sie sind tot", flüsterte ich. "Aufgeschlitzt und aufgehangen."
Aroa schnaubte. Langsam stieg ich auf. Sie hatte zwar keinen Sattel, aber das war mir egal. Mein Drache hob ab und die kalte Luft wirbelte um meinen Kopf. Ich müsste frieren, aber ich spürte einfach nichts. Nur das beklemmende Gefühl in meinem Inneren, das sich immer weiter ausbreitete und mich ganz einzunehmen versuchte.
Eng schmiegte ich mich an die Drachenhaut. Der kalte Wind fegte mir wieder den Kopf frei. Das beklemmende Gefühl verwandelte sich in Wut, die immer größer wurde.
"Wer auch immer das war, er wird es bereuen", brüllte ich und Aroa zuckte kurz zusammen. Was ist wenn die Regierung dahinter steckt? Wenn sie mich dazu bringen wollen, am Krieg Teil zu haben. Aber warum haben sie dann Leute aus der Hauptstadt ermordet? Das bringt keinen Sinn. Irgendjemand hat es auf die ehemalige Regierung abgesehen und dazu gehöre ich auch. Bloß wer?
Flyland hat nicht die Mittel dazu. Zu sehr leidet das Land noch vom Verlust der Einhörner. Also muss jemand von hier aus arbeiten und er benutzt das Zeichen von Taran Ryalon. Ich verdrängte den Gedanken, dass Taran vielleicht noch lebte. Ich wollte es nicht wahr haben, weshalb ich andere Möglichkeiten suchte. Es musste einen Nachfolger geben, der Taran gut kannte oder mit ihm dazu noch zusammengearbeitet hatte.
Entschlossen lenkte ich Aroa weiter Richtung Norden. Ich brauchte Verstärkung und die fand ich im Norden.

Die DrachenprinzessinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt