11.Kapitel

58 6 1
                                    

Als ich wieder zu mir kam, hatte ich starke Kopfschmerzen. Mein Kopf brummte und das Licht stach in meinen Augen, als ich sie versuchte zu öffnen. Also ließ ich sie erstmal geschlossen und versuchte meine Umgebung erstmal mit meinen anderen Sinnen wahrzunehmen. Die Luft war angenehm kühl und frisch. Ich roch das feuchte Moos. Ich hörte leises Rascheln ein paar Meter weiter und ein gleichmäßiges Atmen nah an meinem Kopf. Aroa! Ich öffnete ruckartig meine Augen und das Licht tat weh. Doch ich gewöhnte mich daran. Ich befand mich im Wald auf einer weichen Moosfläche. Nah bei mir lag Aroa. Ihre Augen waren wachsam. Langsam setzte ich mich auf und ihre Augen richteten sich auf mich. Mein Kopf fing wieder an zu brummen und zu pochen. Ich massierte meine Schläfen.
"Es hat dich wohl ziemlich ausgeknockt", hörte ich eine männliche Stimme gegenüber von mir. Ich drehte meinen Kopf ruckartig dorthin und entdeckte Taran Ryalon.
"Du...", meine Stimme war trocken und versagte. Ich schaute ihn feindselig an.
"Du hast seit einer Ewigkeit kein Wort mehr geredet. Schone lieber deine Stimme", sagte er schulterzuckend. Taran saß gegenüber von mir im Gras und schnitzte mit seinem Messer ein Stück Holz.
"Warum lässt du ihn bei mir sitzen?", richtete ich mich an Aroa.
"Weil ich ihr geschworen habe, dass wenn sie mir was tut. Ich dir ebenfalls was antue. Und ich bin ein wenig flinker als dein Drache", erklärte Taran.
"Und was ist wenn ich einfach aufsteige und weg fliege", schlug ich vor.
"Sei realistisch. Du bist zu schwach dafür und denkst du, dass mein Boss nicht vorgesorgt hätte?"
Ich schwieg und schaute meine dünnen Beine an, die noch dünner waren als vorher. "Du nervst", schoss ich zurück.
Zum ersten Mal hörte ich Taran leise richtig lachen. Doch er verstummte als ich ihn anschaute.
"Du musst was essen", sagte er und warf mir eine kleine Tasche zu. Ich öffnete sie und fand Brot und getrocknetes Fleisch vor.
Langsam fing ich an zu essen.
"Die letzten Wochen und Monate sich verschwommen. Ich habe keine Ahnung was du von mir willst", meinte ich zu Taran.
"Ich will gar nichts von dir."
"Dein Boss?"
Taran deutete still auf Aroa. Ich versteifte mich.
"Keine Angst. Er kriegt immer das, was er will."
"Selbst den ehemaligen Anführer der Einhörnerarmee", antwortete ich kühl.
Nun versteifte sich Taran kaum merklich.
"Und die Drachenkönigin und ihre Besitzerin. Oder wie nennen die dich? Wächterin des Nordens?"
Taran stieß einen verachtenden Ton aus.
"Lieber Wächterin des Nordens als Sklave", stellte ich klar. Taran funkelte mich an.
"Vielleicht hätte ich dich töten sollen, wo ich noch die Möglichkeit hatte", antwortete er kühl.
"Wäre wohl das beste gewesen."
Taran hielt es wohl für Ironie, doch ich meinte es ernst. Der Gedanke, dass ein Mistkerl meine Drachen kontrollieren will und dafür mich benutzt beunruhigte mich ziemlich. Außerdem schmerzte mich mein eigener Anblick. Dünn, zerbrechlich, schwach und einfach nur nutzlos. All die Arbeit in den letzten Jahren war weg.
Aroa merkte meinen Stimmungswechsel und grummelte leise.
Ich streichelte ihre Nüstern und versuchte dann alleine aufzustehen. An Aroa stützte ich mich bis ich auf eigenem Füßen stand. Mein Kopf pochte wieder und meine Beine kribbelten. Nicht mal richtig stehen konnte ich. Ich fühlte mich schrecklich schwach.
"Was willst du? Wegfliegen?", fragte Taran amüsiert.
"Nein, ich brauche etwas richtiges zu essen. Deswegen wollte ich ins nächste Dorf. Aber schön dass dich mein geschwächter Zustand so amüsiert", antwortete ich mit zusammen gebissenen Zähnen.
Taran stand auch auf und pfiff. Ein schwarzes Pferd kam aus dem Wald angaloppiert. Es blieb schnaubend vor Taran stehen.
"Mit deiner Geschwindigkeit brauchen wir Tage. Komm", sagte er und stieg auf.
Ich verschränkte die Arme.
"Ich habe dich schon die letzten Tage umher getragen", fügte Taran genervt hinzu.
Der Gedanke, ihm so nahe gewesen zu sein, ekelte mich an.
Doch was hatte ich für eine andere Möglichkeit? Also ging ich zu ihm. Sein Pferd beäugte mich. Erinnerungen strömten vor mein inneres Auge. Der Serienmörder. Meine Familie. Die Rachelust. Dann starrte ich Taran an.
"Bastard", flüsterte ich.
Er zuckte mit den Schultern. "Das haben mich schon viele genannt."
"Aber gut, dass du dich dran erinnert hast", fügte er hinzu.
Erst die Drachenreiter, dann Lian, die unschuldigen Menschen, meine Familie und zuletzt hätte er fast mich umgebracht.
"Ich laufe", entschloss ich bissig und ging los, etwas steif aber entschlossen. Ich hörte Tarans Pferd hinter mir sich in Bewegung setzen. Plötzlich spürte ich eine kräftige Hand unter meiner Achsel. Taran hob mich mit einer Hand auf sein fast zwei Meter Pferd hoch. Und das vom Sattel aus. Ich stieß einen Schrei aus und versuchte mich zu wehren.
"Jetzt hör auf dich so anzustellen. Du bist noch zu schwach, um lange zu laufen", zischte Taran und setzte mich vor sich in den Sattel. Murrend ließ ich mich von seinem Pferd tragen. Aroa blieb zurück und schwang sich dann in den Himmel. Ich schaute ihr hinterher. In den letzten Monaten hatte sich so viel verändert. Doch ich schwor mir, dass ich niemanden jemals meine Drachen überlasse. Vorher würde ich lieber nochmal durch die Hölle der letzten Wochen gehen.
Taran trieb sein Pferd schneller vorwärts. Es hatte einen wunderschönen Gang. Dieser Ritt wäre echt schön, wenn da nicht dieser Killer hinter mir sitzen würde. Und das so nah. Aber ich hatte keine andere Möglichkeit. Ich war zu schwach, um mich zu wehren. Wenn ich wieder stark bin, dann werde ich fliehen mit meinen Drachen. Es war mir egal, wie Sir Kharlo vorgesorgt hatte. Ich werde es versuchen. Und dann geht es weit in die Berge. Weg von allem und jedem. Die Welt war einfach noch nicht bereit für Drachen ohne sie im Krieg einzusetzen. Wann war die Welt wohl schonmal so weit? Wird sie es jemals sein? Ich werde meine Drachen beschützen. Unwillkürlich musste ich mich an meinem früheren Kampflehrer erinnern, vor Lian noch. Er pflegte zu sagen, dass ein Drache ohne seinen Reiter eine Tragödie ist, doch sein Reiter ohne seinen Drachen tot wäre. Wo er Recht hatte, hatte er Recht.
Taran und ich setzten unseren Weg fort zum nächsten Dorf, um dann wieder zu Sir Kharlo zurückzukehren. Das waren nicht gerade die besten Aussichten.

Die DrachenprinzessinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt