27.Kapitel

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Als ich wieder aufwachte, lag ich quer über der Schlafmatte. Mein Kopf fühlte sich schwer an und ich hatte extremen Durst. Kurz fasste ich mir an den Kopf und setzte mich auf. Ich sah Taran im Gras liegen.
Die Erinnerungen an letzte Nacht kamen zurück. Tarans Entschuldigung und unser gemeinsames Trinken. Deswegen die Schwere meines Kopfes. Kurze Erinnerungsblitze schossen mir vor das innere Auge. Taran, wie er sein Becher verschüttete und ich mich kichernd auf der Schlafmatte wandte. Tarans Lachen als ich ihm von lustigen Geschichten aus der Drachenreiterausbildung erzählte. Seine feinen Grübchen an den Mundwinkeln, wenn er lachte. Sein Eifer im Erzählen von Geschichten.
Ich schaute zu ihm. Er lag auf dem Rücken und hatte mit einem Arm seine Augen bedeckt. Unwillkürlich stahl sich ein leichtes Lächeln auf mein Gesicht. Ich schüttelte den Kopf. Der Alkohol musste noch wirken.
Erst jetzt bemerkte ich, dass es draußen schon hell war. Als ich mich bewegte, wurde auch Taran wach. Verwirrt schaute er sich kurz um, bevor ihn wohl auch die Erinnerungen von letzter Nacht einholten.
Sein Blick strich mich und blieb an mir hängen.
"Sir Kharlo wird sich ja ein Spaß draus machen, wenn er dich hier drin sieht", meinte er belustigt und setzte sich auf.
"Bin ich etwa so hässlich, dass ich es nicht mit dir aufnehmen könnte?", fragte ich zurück. Natürlich mit einem betonten herausfordernden Unterton.
Tarans Blick ruhte nochmal auf mir.
"Absolut nicht", antwortete er und verließ das Zelt. Was? War das grad ein indirektes Kompliment gewesen?
Ich stand auch auf und stolperte aus dem Zelt. Als ich draußen war, fing ich mich wieder und streckte mich erstmal. Taran war auf den Weg zum Versorgungswagen. Die Männer packten bereits zusammen. Also ging ich in mein Zelt, trank mein Wasserbeutel leer und packte dann zusammen. Bevor ich mein Pferd sattelte, füllte ich mein Wasser wieder auf.
Alle Sachen waren verpackt und Sir Kharlo führte den Zug wieder an. Den Ritt über musste ich unwillkürlich über Taran nachdenken. Seine Entschuldigung, seine plötzliche Nettigkeit und sein Kompliment. Es ist nicht so, dass ich mich hässlich fand. Aber ich hatte erwartet, dass Taran andere Frauen hübsch findet. Nicht eine Drachenkriegerin, die ihn fast umgebracht hätte. Außerdem besuchte er wahrscheinlich ständig Bordelle. Da hatte man doch andere Vorstellungen von Frauen oder?

Wir schlugen am Abend wieder ein Nachtlager auf. Tarans Nähe war wieder auf den gewohnten Abstand zurückgekehrt. Diesmal konnte ich auch in meinem Zelt schlafen. Zwar war mein Schlaf unruhig und mit Alpträumen bestückt, aber besser als kein Schlaf.
Am kommenden Tag ritten wir weiter. Der Wald wurde noch dichter und dunkler. Bisher hatte ich noch keine Fabelwesen entdeckt. Vielleicht war das auch nur ein Mythos. Taran hatte wahrscheinlich Recht.

Dann plötzlich lichtete sich der Wald. Das plötzliche Licht war so hell, dass der Zug anhielt. Vor uns erhob sich ein riesen Gebäude. Verzierte Türme ragten in die Luft. Ein riesen Eingangstor war nur wenige hundert Meter entfernt. Die Verzierung an den Mauern war verschnörkelt und Pflanzenmuster waren in den Mauern zu erkennen. Es sah aus wie ein Märchenschloss und war größer als der Palast damals in der Hauptstadt. Wären da nicht die schwarzen Blitze, die sich quer, horizontal und vertikal über die Mauern und den Boden zogen. Ein Märchenschloss, gefangen in der schwarzen Magie. Der Anblick raubte mir den Atem. Je länger ich hinschaute, desto mehr Details konnte ich ausmachen. Ich spürte Tarans Blick auf mir. Ich drehte den Kopf zu ihm. Sein Blick schien beunruhigt. Doch ich versuchte ihm einen hoffnungsvollen Blick zuzuwerfen. Anhand seines energischen Schenkeldrucks, was sein Pferd wieder fortbewegte, gelang es mir wohl nicht. Die Meute setzte sich wieder in Bewegung. Das Tor schwang von alleine auf, als sich Sir Kharlo näherte. Alles klar. Das war gruselig. Nachdem wir alle in den großen Schlosshof hineingeritten waren, schloss sich das Tor wieder. Die Pferde wurden in den großen Stall gebracht und Sir Kharlo wies den Männern die Bediensteten Zimmer zu. Mit uns zwei erklomm er die große Treppe in das Schloss.
"Ich hatte es nicht so groß in Erinnerung. Aber was sagt ihr? Das ist ein mächtiges Bild", sagte Sir Kharlo.
Wir stimmten ihm zu.
"Ruht euch aus. In zwei Tagen, ein Tag nach Vollmond, reiten wir in den Norden. Ab heute beginnt die Eroberung des Nordens. Ihr werdet eure Kräfte brauchen", befahl er uns.
Sir Kharlo schickte uns in den Westflügel. Er selber ging alleine in den Nordflügel. Trotz jahrhundertlangem Leerstehen wirkte der Palast nicht verfallen. Natürlich waren die Schränke verstaubt und die Betten alt. Aber es schien so, als ob sich irgendjemand in den Jahren darum gekümmert hätte. Und das, bereitete mir Unbehagen.
Taran und ich nahmen Zimmer nebeneinander. In meinem Zimmer war ein Balkon nach draußen in den großen Innenhof. Ein paar Männer bereiteten ein Lagerfeuer vor. Andere trugen Weinfässer in den Innenhof. Sie bereiteten sich wohl auf ein Fest vor. Ein letztes Fest vor dem Krieg im Norden. Es stresste mich, dass ich immer noch kein Plan hatte, wie ich Sir Kharlo das Handwerk legen konnte.
Ich zog die Rüstung aus und setzte mich in Hose und Hemd auf das knarzende Bett. Der Boden war aus Mamor und die Wände aus Sandstein. Selbst die Wände in den Zimmern waren verziert mit Malereien und Mustern.
Plötzlich klopfte es an der Zimmertür. Ich öffnete sie und Taran stand mit zwei dampfenden Tellern davor.
"Eintopf?", fragte er. Ich nickte und ließ in rein. Hinter ihm schloss ich die Tür wieder. Er stellte die Teller auf den Tisch im Zimmer und zog mir den Stuhl zurück, damit ich mich setzen konnte. Schweigend aßen wir den Eintopf. Draußen fing Musik an. Gröllende Männer stimmten mit ein.
"Die Männer feiern auf einen guten Kriegsausgang", erklärte Taran.
"Und warum feierst du nicht mit?", fragte ich.
"Die Frauen fehlen mir", antwortete er.
Ich verdrehte die Augen.
"Du bist echt ein Arsch."
"Ich weiß", antwortete Taran in sein Essen hinein.
Als er fertig gegessen hatte, stellte er sich auf den Balkon und schaute hinab zu den Männern. Ich gesellte mich zu ihm.
Die Männer gröllten, aßen, tranken und saßen um das große Lagerfeuer herum. Ein paar machten Musik mit Trommeln und einer kleinen Gitarre.
Die Sonne ging hinter dem Palast langsam unter. Die letzten Sonnenstrahlen tauchten den Palast in ein schauriges Licht.
Taran unterbrach mich bei meinen Gedanken.
"Mylady, darf ich bitten?", fragte er und verbeugte sich. Kurz schaute ich ihn perplex an.
Er hob ein wenig den Kopf und ein Grinsen lugte hervor.
Ich hielt ihm meine Hand hin. "Du kannst tanzen?", fragte ich ihn.
"Denkst du, das Kämpfen wurde mir als einziges beigebracht?", fragte er gespielt empört und zog mich an ihn. Dann wiegte er mich im Takt der gröllenden Männer.
"Nun ich dachte...", fing ich an und verstummte als er mich in eine Drehung führte.
Er tanzte natürlich nicht so perfekt wie Lian. Aber er machte sich gut für einen Krieger. Wir mieden Augenkontakt.
"Es wird sehr anstrengend die kommenden Wochen", sagte Taran.
"Ich weiß. Wir müssen ihn aus dem Weg räumen. Ich hatte dran gedacht, Khal Sverrir zur Hilfe zu holen. Aber wie sollte ich ihn kontaktieren?", gab ich zu bedenken.
"Uns fällt schon was ein", versuchte mich Taran zu beruhigen.
"Und wenn nicht?"
"Xenia."
"Was wenn nicht?"
Taran blieb stehen und schaute mich an. Unsere Blicke trafen sich. Ich musste ganz schön nach oben schauen, um in seine Augen zu blicken. Seine Augen zogen mich plötzlich an. Ich vergaß kurz alles um mich herum. Seine Augen waren dunkel. So mysteriös dunkel.
"Wir werden das hinbekommen. Versprochen. Den Menschen im Norden wird nichts passieren. Versprochen", flüsterte er. Ich nickte leicht und musste dann den Blickkontakt abbrechen, weil mir Tränen in die Augen traten. Bei dem Gedanken auch noch Khal Sverrir zu verlieren, brachte eine unglaubliche Trauer in mir hoch. Taran wiegte mich wieder. Wir standen dichter als vorher aneinander. Ich spürte und hörte sein Herz stark und gleichmäßig in seiner Brust schlagen.
Selbst wenn es ein leeres Versprechen war, gab es mir Hoffnung. Wir schaffen das.

Die DrachenprinzessinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt