2. Safeword

553 16 12
                                    

Ich wusste nicht, wie er schon wieder in meinem Bett gelandet war. Na ja, eigentlich wusste ich es ganz genau. Wir waren das reinste Klischee. Der aufrichtige Hetero, der von seinem schwulen Gespielen vom rechten Weg abgebracht wurde.

Nachdem ich nach der Schule noch mit meinen alten Freunden feiern gegangen war, hatte ich Kacchan einfach mit zu mir genommen. Nicht dass er sich gewehrt hätte. Ochako war zu ihren Eltern gefahren, hatte ich im Laufe des Abends erfahren. Leichte Entscheidung. Die Aussicht, mit ihm das ganze Wochenende verbringen zu können, war zu verlockend. Oder sollte ich sagen, die Aussicht, mit ihm ein ganzes Wochenende durchzuvögeln. Denn mehr würden wir bestimmt nicht machen. Und ich würde mich nicht beschweren, denn alles, was sich verkehrt anfühlen sollte, fühlte sich so verdammt richtig an, wenn wir fickten und die Welt um uns versank. Es gab nur noch uns und was sollte daran falsch sein.

Der Sex heute fühlte sich anders an. Ich wusste nicht genau, wie ich es beschreiben konnte. Ich glaubte erst, er würde sich zurückhalten, da mir das letzte Mal noch in den Knochen steckte, aber so war es nicht. Er war irgendwie liebevoller. Nicht so, als ob ein ausgehungertes Tier über seine Beute herfallen würde. Nicht gerade ein Schmusekater, aber viel ruhiger. Zärtlicher. Er hatte noch nicht mal an seine geliebten Handschellen gedacht.
Ich war eindeutig ein Freak, denn ich mochte eigentlich Katsukis animalische Art. Wenn er in einem gnadenlosen, wütenden Rhythmus in mich eindrang, mir mit jedem Stoß die Luft stahl. Ich kannte nicht anders. Hatte es nicht anders gewollt. Wahrscheinlich nicht anders verdient. Aber das hier war zur Abwechslung auch nicht schlecht.

War der Sex mit ihm so, wenn er nicht unter Druck stand? War es so, wenn er mit Frauen schlief? Wenn er mit ...? Ich verbot mir, den Satz zu Ende zu denken. Schließlich war er bei mir und nicht bei ihr und wir trieben es die ganze Nacht durch, bis letzten Endes nichts mehr aus mir herauskam. Alles an was ich mich noch erinnerte, war, dass ich von der Intensität des letzten Orgasmus weggerissen wunde. Dann schwanden mir die Sinne.

Als ich ein paar Stunden später langsam zu mir kam, war das Erste, was ich bemerkte, dass Kacchans Betthälfte leer war. Es kam mir vor wie ein Déjà-vu. Wie hatte ich auch denken können, wir würden das Wochenende miteinander verbringen? Verständlicherweise wollte er nicht mehr, von so einem kaputten, armseligen und schmucklosen Typen wie mir.

Meine Sinne waren immer noch vernebelt, aber ich hörte etwas, das sich wie ein Rauschen anhörte. Duschte er? Oder war es ein Zischen? Und was war das? Roch es hier nach gebratenem Speck? Umständlich richtete ich mich auf. Ich wollte meinen Augen nicht trauen. Stand da Katsuki Bakugo an der winzigen Küchenzeile und kochte. Hatte er Hunger? Er ging doch sonst immer ohne Frühstück, wenn er überhaupt bis zum nächsten Tag blieb.
Oh Mann, roch das gut. In dem Moment, als er sich umdrehte, knurrte mein Magen. Er hielt ein Tablett in der Hand, beladen mit einem Teller Rührei, gebratenem Speck und einer großen Tasse Tee. Dazu eine Scheibe Toast. Er setzte sich zu mir aufs Bett und stellte es über meine Oberschenkel. Warte! Hatte er etwa für mich Frühstück gemacht?

„I... ist das für mich?"

„Natürlich ist das für dich, du Trottel!"

Ich spürte eine leichte Wärme in mein Gesicht steigen. War das sein Ernst?

„Du kochst?", fragte ich unnötigerweise und wusste nicht, was ich davon halten sollte.

„Hä? Glaubst du, du bist der Einzige, der kochen kann?"

„Nein, aber ..."

„Tss ... Nichts aber! Ich kann scheiß gut kochen. Doch zum Kochen braucht man Zutaten. Nur in einem Vakuum ist weniger als in deinem scheiß Kühlschrank. Ernähre dich gefälligst gesünder! Trottel!"

Hä? Was? Hatte Kacchan gerade einen Witz gemacht? Und machte er sich Gedanken über meine Gesundheit?

„Natürlich, ich geh gleich einkaufen."

Er funkelte mich zornig an und beugte sich bedrohlich nach vorne. „Einen Scheiß wirst du tun, du Vollpfosten. Du bleibst gefälligst in deinem Bett und erholst dich. Verdammt, du bist gestern einfach ohnmächtig geworden. Wir brauchen unbedingt ein Safeword."

Jetzt glühten sogar meine Ohren. „A... also, so ganz einfach war es nicht", nuschelte ich in meinen nicht vorhandenen Bart.

Er stand auf. „Klappe! Du bleibst in deinem scheiß Bett. Ich muss in meiner Agentur vorbeischauen, aber ich komm anschließend wieder. Wehe, du bist aufgestanden! Und jetzt iss gefälligst, bevor es kalt wird! Und überleg dir ein Safeword."

Ich nickte zustimmend. Dann drehte er sich um und stampfte aus der Wohnung. Ich sah ihm mit großen Augen hinterher und musste erstmal meine Gedanken sortieren.

Was zur Hölle war das gerade ...? Träumte ich noch? So musste es sein. Ich würde gleich aufwachen. Kacchan würde doch nie ... Na ja, vielleicht würde er sich um mich sorgen. Schließlich hatte er mich bis zur Bewusstlosigkeit gevögelt. Aber er würde doch nicht für mich kochen. Dennoch, vor mir standen tatsächlich Rühreier mit Speck. Ich würde ja sagen, es war sein schlechtes Gewissen, doch dafür war er nicht der Typ. Was er machte, das machte er nicht halbherzig und bereuen, war etwas für andere, meistens zumindest, selbst wenn er übers Ziel hinausschoss.

Und wofür bitte schön bräuchten wir ein Safeword? Als hätte ich das zu irgendeinem Moment abbrechen wollen. Was hatte er noch vor mit mir? Musste ich mich sorgen? Aber selbst wenn er glaubte, mich durch die Hölle vögeln zu müssen, ich würde keine Rückzieher machen.

Mein Magen knurrte wieder und ich beschloss, erstmal etwas zu essen. Es schmeckte wirklich gut und füllte meinen leeren Akku wenigstens ein bisschen auf. Dennoch schaffte ich es grade mal zur Toilette und unter die Dusche. Obwohl mich Kacchan offensichtlich etwas sauber gemacht hatte, fühlte ich mich schmutzig. Ich hatte dunkle Ränder unter den Augen und meine Haare sahen aus wie ein Rattennest. Ah! Verdammt, ich war wund von dem gestrigen Sexmarathon. Als ich aus dem Bad kam, kroch ich wieder ins Bett. Ich brauchte dringend noch etwas Schlaf.

Kacchan würde also tatsächlich wiederkommen. Aber was würden wir dann machen? Er wollte doch hoffentlich nicht noch mehr Sex. Ich glaubte nicht, dass ich nur noch eine weitere Runde mit ihm überstehen würde. Doch bereits jetzt wusste ich, dass ich es nicht ausschlagen würde. Nicht das wir je etwas anderes gemacht hatten, seit jenem Tag in den Onsen, oder dass es mir jemals nicht gefallen hätte. Das erste Mal war ziemlich harsch gewesen. Aber er wusste zwischenzeitlich ganz genau, was er wie tun musste, um mich zum Schreien und zum Betteln zu bringen. Verdammt, ich war die perverse, armselige Bitch eines Superhelden.

Ich führte sozusagen ein Doppelleben. Auf der einen Seite der anständige Lehrer, der seine Schützlinge zu wahren Helden ausbildete und auf der anderen Seite ... Oh verdammt, Kacchan, was hast du nur aus mir gemacht? Ein williges Spielzeug. Es war nicht so, dass ich mich nicht nach echter Zuneigung und Liebe sehnte, aber das war alles, was ich bekommen konnte, und das war allemal besser als die Alternative, die eigentlich keine war. Was immer er wollte, ich würde es ohne Zögern tun. Denn er war mein Leben. So einfach war das. Mit diesem Gedanken schlief ich ein.

Es war um die Mittagszeit, als ich erneut aufwachte. Es regnete und die schwüle Luft war kaum auszuhalten. Ich stand auf und schaltete die Klimaanlage ein. Kacchan war noch nicht wieder zurückgekehrt und so brachte ich die Wohnung in Ordnung. Ich fühlte mich gut ausgeruht, aber weil ich es ihm versprochen hatte, legte ich mich mit einem Glas Eistee und der Tageszeitung artig zurück ins Bett.

Eine halbe Stunde später hörte ich Katsuki an der Wohnungstür. Die Klingel schrillte durchs Treppenhaus und ich ließ ihn herein. Voll beladen mit Einkaufstüten stampfe er in die Wohnung. Ich sah ihm verwundert nach. Ohne ein Wort der Erklärung räumte er seine Einkäufe in den Kühl- und Vorratsschrank. Waren die Sachen etwa für mich? Als er fertig war, drehte er sich zu mir um.

„Hunger?", kam die recht einsilbige Frage.

Hä? Was hatte er jetzt vor? Ich öffnete meinen Mund und schloss ihn wieder. Stattdessen zucke ich mit den Schultern.

Kacchan grinste. „Natürlich hast du Hunger." Sein Grinsen wurde breiter. „Ich werde dir jetzt eine Suppe kochen, mit Rindfleisch, Gemüse und Nudeln. Und du legst dich wieder in dein Bett."

„Aber ich bin wirklich nicht mehr müde. Lass mich dir wenigstens helfen."

„Kommt überhaupt nicht infrage. Los ins Bett! Oder ich fessle dich wieder an dein Bettgestell", knurrte er gefährlich.

Also schnappte ich mir erneut die Zeitung und setzte mich aufs Bett. Auf die Nachrichten und Artikel konnte ich mich nur wenig konzentrieren. Immer wieder schweiften meine Blicke und meine Gedanken zu dem Pro-Helden in der Küche. Es machte einfach Freude, ihn beim Kochen zu beobachten. Mit den leckeren Gerüchen schien sich die Wohnung mit Leben zu füllen. Spielend leicht beherrschte er das organisierte Chaos. Es war mir egal, ob er kochte, weil er mir eine Freude machen, er sein schlechtes Gewissen beruhigen, oder nur dafür sorgen wollte, dass sein Lieblingsspielzeug nicht in naher Zukunft kaputt ging. Es wärmte meine Seele, ihn so zu sehen, und ich konnte einfach nicht aufhören zu lächeln.

Im Handumdrehen stand das fertige Essen auf dem Tisch und es war das Beste, was ich seit langem gegessen hatte.

„Danke für das Essen. Außer meiner Mutter hat noch nie jemand für mich gekocht."

Katsukis Augen verengten sich nachdenklich. Er brummte etwas Unverständliches, stand auf und begann den Tisch abzuräumen.

„Musst du wieder weg?", fragte ich mit leiser Stimme.

„Nein."

„Okay." Ich stand auf. „Lass dir helfen!" Ich griff nach dem Topf.

„Lass das!" Er zog ihn mir grob aus der Hand. „Leg dich wieder in dein Bett! Ich bin gleich bei dir."

Für einen Moment sah ich ihn mit offenem Mund an. Dann nickte ich und legte mich ins Bett. Kacchan musste ein wirklich schlechtes Gewissen haben. Ich grübelte lange nach, aber fand keine andere Erklärung. Und was hatte er eigentlich jetzt vor? Ich hätte ihn fragen können, entschied, es aber nicht zu tun. Schließlich wollte ich ihn nicht nerven. Offensichtlich wollte er noch eine Weile bleiben, und das genügte mir schon.

Als er in der Küche fertig war, kam er zu mir und setzte sich auf die Bettkante. „Gestern in der Schule ... War ein bisschen seltsam, dich als Lehrer zu sehen. Ich meine, als ich dich das letzte Mal dort gesehen habe, waren wir noch die Schüler. Ich glaube, du bist ein guter Lehrer. Die Kids himmeln dich alle an."

Ich musste schmunzeln. „So wie wir damals All Might."

„Ja, ganz ähnlich. Damals war ich auf dich neidisch, weil du so viel Zeit mit ihm verbracht hast, wo ich doch sein größter Fan war. Und heute war ich eifersüchtig auf deine Schüler. Izuku, ich hab das Angebot ernst gemeint. Komm zu mir an die Agentur! Du bist vielleicht ein guter Lehrer, aber du wärst noch ein besserer Pro-Held. Du würdest es zurückschaffen. Aber lassen wir das. Denk einfach nochmal ernsthaft darüber nach."

Ich brauchte nicht darüber nachzudenken. Ich war viel zu kaputt, um wieder ein Held zu werden. Und was würde aus dieser Sache zwischen uns werden? Ich konnte nicht sein Sidekick und sein Seitensprung sein.

„Hast du dir ein Safeword überlegt?", wechselte er das Thema.

Was hatte er vor? Wollte er mir etwa absichtlich wehtun? Ich zog die Knie an die Brust und schlang die Arme darum.

„Nein, hab ich nicht. Brauchen wir denn so einen Code?", fragte ich vorsichtig.

Katsuki atmete tief durch. „Ich weiß nicht. Ich hoffe nicht."

„Glaubst du, ich könnte dich nicht aufhalten, wenn ich das wirklich wollte?"

„Kann sein, dass du das könntest. Darum geht es aber nicht. Es ist gut, eins zu haben. Ich habe schließlich auch ein Airbag in meinem Auto und hoffe, ihn nie zu brauchen. Etwas einfach nur mit einem Wort stoppen zu können ... Scheiße, überleg dir einfach ein Wort, das du beim Sex normalerweise nicht gebrauchen würdest! Was möglichst einfaches und kurzes."

Ich verstand, was er mir sagen wollte. Es hatte ihn wohl doch etwas erschreckt, dass ich ohnmächtig geworden war. „Schnee! Ich nehme Schnee!"

Kacchan lächelte. „Gut, dann Schnee. Und merk es dir gefälligst."

„Mach ich."

„Und wenn wir schon dabei sind. Du hast dich, was den Sex angeht, mir völlig untergeordnet. Nicht dass das wirklich heiß war, aber verrat mir doch einfach mal, auf was du so stehst."

„Worauf ich stehe?" Ich zuckte etwas verunsichert mit den Schultern. „Keine Ahnung ..."

Seine Stirn legte sich in zornige Falten. „Was soll das heißen – keine Ahnung? Du wirst doch wohl wissen, was dir gefällt."

Ich spürte, wie meine Ohren heiß wurden, und senkte den Blick. „A... also ... nun es ist so, ich hatte bisher nur mit dir ... Ich kenne also nichts anderes. Wenn ich ehrlich bin, habe ich bis jetzt noch nicht mal einen richtigen Kuss bekommen." Ich sah ihn an. Sein Mund klappt auf und jede Farbe entwich seinem Gesicht.

„WAS?! D... du hattest zuvor noch keinen Sex? Aber dann ... Du warst noch Jungfrau?" Er legte die Hand über seinen Mund. „Scheiße, Deku! Und dann lässt du dich von mir auf diese Art ... Gott, wie hätte ich das wissen sollen. Warum hast du nichts gesagt, du Idiot? Ich dachte ... Ich weiß auch nicht ..." Er schlang auf einmal die Arme um mich und zog mich an seine Brust. „Verdammt, warum hast du nichts gesagt? Ich wusste nicht ... Ich hätte doch nicht ..."

Er ließ mich abrupt los, schob mich von sich und stand, wie vom Schlag getroffen auf. Tigerte vor dem Bett hin und her.

Was war sein Problem? Wieso interessierte ihn das plötzlich? „Ich habe mich nie beschwert, oder?"

„Ich weiß ja, dass du nicht richtig tickst, aber bei so etwas musst du doch den Mund aufmachen. Verdammt Deku!" Er fuhr sich durch die Haare. Dann setzte er sich wieder zu mir. „Da ist wohl nichts mehr zu ändern."

„Tut mir leid."

„Dir tut es leid?" Er schloss kurz die Augen und schüttelte ungläubig den Kopf. „Okay, wenn du nicht weißt, was dir gefällt, dann werde ich das verflucht noch mal herausfinden! Und damit fangen wir an."


Toyboy In A BirdcageWo Geschichten leben. Entdecke jetzt