Die Kälte schlug mir wie eine Ohrfeige ins Gesicht. Vertrieb die letzten Zweifel, die mich zurück an diesem vertraut gewordenen Ort hielten.
Der Wind pfiff messerscharf über den Hof und es schneite, als ich Monate später das Sanatorium für Pro-Helden in Asahikawa, weit weg von Tokio, verließ. So weit weg von meinem alten Leben, in das ich wohl nicht mehr zurückkehren würde.
Weit weg von ihm, hallte unwillkürlich eine ganz leise Stimme in meinem Kopf wider.
Tief sog ich die kalte Morgenluft in die Lungen und atmete langsam aus. Atemwölkchen bildeten sich vor meinem Mund. Ich hatte mich erstaunlich wohl hier im Sanatorium gefühlt, dennoch war es jetzt an der Zeit endlich in das richtige Leben zurückzukehren. Ich hatte viel gelernt über innere Monster und Verluste und wie man es schaffte, mit ihnen umzugehen.
Vor ein paar Tagen hatte ich ein schriftliches Angebot von der Shiketsu Oberschule bekommen. Ich könnte im Frühjahr zum neuen Schuljahresbeginn eine Stelle als Lehrer erhalten, für die ich mich interessiert hatte. Auch an der U.A. hätte ich wieder anfangen können, aber ich brauchte einen Neustart.
Es ging mir gut. Besser als es mir seit langer Zeit gegangen war und dennoch wollte ich Kacchan nicht begegnen. Vielleicht waren die Wunden wie alle anderen oberflächlich verheilt, aber ich wollte mir keine alten Narben aufreißen. Er würde bald Vater werden und auch ich sollte auf sein Glück nicht länger Schatten werfen und vielleicht auch endlich mein eigenes finden. Wenn ich auch noch nicht wusste, wie das aussehen sollte.
Seit über einem halben Jahr hatte ich keinen meiner alten Freunde gesehen, noch mit ihnen gesprochen und ich vermisste sie natürlich. Ich schaltete mein Handy an, das ich seit der Einweisung nicht mehr benutzt hatte. Ich schmunzelte. Unzählige Nachrichten waren eingegangen und dutzende Anrufe. Ich würde mich später damit beschäftigen. Jetzt musste ich erst mal zum Flughafen, denn vorerst musste ich zurück nach Tokio.
Es begann stärker zu schneien. Ich zog den Schal enger um den Hals und vergrub die klammen Hände tief in der Jackentasche. Langsam kroch die Kälte in meine Knochen, doch dann rollte endlich das Taxi die Einfahrt herauf. Der Schnee knirschte geräuschvoll unter den Reifen. Ich stieg ein und wir fuhren los.
Ganz Asahikawa lag unter einer dicken weißen Decke und wahrscheinlich wären wir mit einem Schlitten schneller vorangekommen. Aber auch dieser Winter würde irgendwann zu Ende sein und der Frühling würde ins Land ziehen. - So wie der Winter in meinem Herzen. Auch wenn man es noch fast nicht glauben konnte, dass unter dem bitteren Schnee bereits die Hoffnung auf einen neuen Frühling keimte.
Die erste Nachricht, die ich öffnete, war ein Bild, das mir Shoto vorgestern geschickt hatte. Es war ein Foto von sich, wie er überglücklich in die Kamera grinste und in den Armen seine neugeborenen Zwillinge hielt. Eines hatte einen roten, das andere einen weißen Schnuller im Mund. Zwillinge - das hatte er nicht verraten. So sah also ein stolzer Vater aus. Ich wollte zurückschreiben, doch entschloss mich dann, ihm und Momo lieber persönlich zu gratulieren.
Ich schaffte es gerade noch rechtzeitig zum Flughafen und saß jetzt in der Maschine zurück nach Tokio. Die letzten Nachrichten, die ich zu lesen hatte, waren die von Katsuki. Mein Daumen verweilte über der Löschen-Taste, aber ich begriff schnell, dass ich es nicht schaffen würde, diesen letzten dünnen Faden zu kappen, ohne gelesen zu haben, was er mir geschrieben hatte. Mit zittrigen Fingern öffnete ich seine Nachrichten.
Nachricht 1:
‚Wir müssen reden. Melde dich!'
Nachricht 2:
‚Ich muss mit dir reden. Bitte melde dich umgehend.'
Nachricht 3:
‚Wir sollten wirklich dringend reden. Ich hätte dich nicht einfach so alleine zurücklassen sollen. Geht es dir gut?'
Nachricht 4:
‚Verdammt Deku, du gehst nicht ans Telefon und beantwortest keine Nachricht. Melde dich!'
Nachricht 5:
Diese Nachricht wurde gelöscht.
Nachricht 6:
Diese Nachricht wurde gelöscht.
Nachricht 7:
‚Shoto hat mir erzählt, was passiert ist. Verdammt, das ist alles meine Schuld. Ich wollte nicht, dass alles so kommt. Bitte melde dich, ich muss mit dir reden.'
Nachricht 8:
‚Es tut mir wahnsinnig leid. Wir sollten reden. Wenn es dir möglich ist, melde dich.'
Nachricht 9:
Diese Nachricht wurde gelöscht.
Nachricht 10:
‚Shoto hat mir gesagt, dass du in einem Sanatorium bist und dich nicht melden kannst. Aber wenn du das liest, solltest du wissen, wie leid es mir tut. Ich habe noch nichts in meinem Leben so sehr bereut. Die Dinge haben sich geändert und es ist wirklich wichtig, dass wir reden. Bitte melde dich unbedingt bei mir, wenn es dir möglich ist. Du hast keine Vorstellung davon, wie sehr ich dich vermisse.'
Nachricht 11:
‚Es ist Weihnachten und ich wollte dich besuchen, aber man hat mich nicht zu dir gelassen. Ich hoffe, es geht dir gut und ich hoffe, dass du mir verzeihen kannst und dass, wenn du im neuen Jahr nach Hause kommst, noch Platz für mich in deinem Leben ist. Bitte melde dich bei mir, wenn du in Tokio bist.'
Nachricht 13:
Diese Nachricht wurde gelöscht.
Meine Sicht verschwamm und Tränen tropften auf das Display. Was zur Hölle hatte das zu bedeuten? Er war in Asahikawa gewesen? Wieso? Und was sollte heißen, ob es noch Platz in meinem Leben für ihn gab? Als Geliebter? Ganz sicher nicht. Dachte er wirklich, ich würde wieder sein Toyboy werden und mich von ihm in Ketten legen lassen, während er auf heile Welt mit seiner Frau und seinem Kind machte. Das war doch verrückt und ich hatte das nie so klar gesehen wie jetzt, aber dennoch schmerzte es wie Hölle. Ich drückte auf ‚alle Nachrichten löschen' und schaltete das Telefon aus.
Irgendwie hatte ich erwartet, dass es in Tokio wärmer sein würde, aber die Stadt begrüßte mich mit frostigen Temperaturen und dennoch fühlte es sich gut an wieder hier zu sein. In dieser Stadt voller ‚bunter Vögel'. Ich hatte gar nicht gewusst, dass ich sie so vermisst hatte.
Meine Wohnung hingegen war mir nie so kalt, leer und fremd vorgekommen. Ich hatte gewusst, dass es nicht einfach werden würde, deshalb würde ich das Angebot der Shiketsu Oberschule annehmen. Vielleicht war es eine Flucht, aber es war auch eine neue Chance.
Alles, was in meinem Kühlschrank stand, war eine Flasche Bier. Auch sonst brauchte ich das eine oder andere. Damit war es beschlossen. Ich musste heute noch einkaufen. Hier ganz in der Nähe gab es einen großen Supermarkt. Da würde ich alles finden, was ich brauchte. Hoffentlich sprang mein Auto noch an.
Es war schon spät, aber der Markt hatte rund um die Uhr geöffnet. Nach so langer Zeit hinter den schützenden Mauern des Sanatoriums war selbst so etwas Banales wie Einkaufen eine spannende Abwechslung. Hier gab es kleine Restaurants, Kosmetiksalons und Frisöre. Meine Haare waren viel zu lang und zudem wurde es Zeit für Veränderung. Zwanzig Minuten später verließ ich mit einer neuen Undercut-Frisur das Geschäft und machte mir gedanklich einen Einkaufszettel, was ich alles brauchte.
Ich fand alles, was ich benötigte und noch mehr. Zu guter Letzt stand ich vor der Wand mit dem Reis und ging die Regalreihen durch. Welcher war es nochmal, den ich für gewöhnlich hatte? Auf jeden Fall einen japanischen.
Schlagartig spürte ich eine Präsenz neben mir, die so intensiv war, dass ich glaubte, ein schwarzes Loch hätte sich aufgetan. Ich schluckte. Langsam drehte ich den Kopf zu Seite und sah in die weit aufgerissenen Augen von Kacchan. Für Sekunden kam die Zeit zum Erliegen. Bevor ich einen Gedanken fassen konnte, griff er nach meinem Handgelenk und zog mich zwischen zwei Regale. Und noch ehe ich Luft holen konnte, hatte er die Arme um meinen Hals geschlungen und erstickte jeglichen Protest mit einem Kuss.
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Toyboy In A Birdcage
Fanfiction(Erotik) Der Krieg hat Izuku als Scherbenhaufen zurückgelassen. Er greift nach jedem Strohhalm, um nicht unterzugehen. Und dann ist da noch Kacchan und eine toxische Beziehung. Eine erotische, aber auch finstere FF. Triggerwarnung: Es kommen Themen...