Die Woche ging schneller vorbei als erwartet. Am Freitag nach dem Unterricht fuhr ich in die Stadt. Ich brauchte noch ein kleines Geschenk für Shoto. Wir hatten uns morgen alle in der Metropolitan-Bar in der Nähe des Bahnhofs in Shinjuku verabredet, um mit dem werdenden Vater ausgiebig zu feiern.
Ich streifte durch die Gänge des Kaufhauses. Eine Abteilung für angehende Väter suchte man wohl vergeblich, also versuchte ich es mit der Kinderabteilung. Was konnte ich ihm mitbringen? Es gab so unglaublich viele Dinge, die man für ein Baby brauchen konnte. Aber es sollte mehr ein symbolisches Präsent sein, für eine Babyparty war es noch ein bisschen zu früh. Und dann entdeckte ich das Regal mit Schnullern. Ich hatte keine Ahnung, also nahm ich einen weißen und einen roten und ließ sie als Geschenk verpacken. Als ich zur Kasse ging, stand da ein Ständer mit Kühlschrankmagneten. Mein Blick fiel auf die mit den Superhelden. All Might lachte mir von einem entgegen. Er war etwas größer als die andern und stach einem sofort ins Auge. Ich nahm ihn in die Hand. Ob er Kacchan gefallen würde? Der würde sich doch sicher gut in seiner Küche machen und einen Farbklecks hineinbringen. Ein prima Geschenk zum Einzug in seine neue Wohnung.
Als hätte er meine Gedanken an ihn gespürt, meldete sich mein Smartphone mit einer Nachricht von ihm.
‚Sehen wir uns morgen auf Shotos Feier?'
‚Ich werde da sein', schrieb ich zurück und mit einem Lächeln im Gesicht verließ ich das Kaufhaus. Es war noch keine Woche vergangen und ich würde ihn schon wiedersehen. Wie glücklich mich der Gedanke doch machte.
Ich blickte über die Schulter zurück. Gerade hatte ich das Gefühl, mich würde jemand beobachten, aber da war nichts Auffälliges. Manchmal wünschte ich, ich könnte meine Quirks aktivieren. Aber vielleicht war es ganz gut so. Was, wenn sie wieder außer Kontrolle geraten würden und Unschuldige verletzt würden? Das könnte ich mir nicht mehr verzeihen. Nicht, dass ich es mir je verziehen hätte. Nicht wirklich. Aber ich hatte es einigermaßen akzeptiert, dass es sich meiner Kontrolle entzogen hatte, dass es eine Art Unfall war. So, als wäre ein bissiger Hund seiner Kette entkommen, nur dass das in mir ein Monster war, das ich jetzt für alle Zeiten weggesperrt hatte. Das Einzige, was ich mir noch gestattete, war einen winzigen Teil von All Mights Kraft zu benutzen.
Auf dem Weg zum Parkhaus kam ich an einer Bäckerei vorbei. Hier hatten sie mit Fleisch oder Fisch gefüllte Brötchen. Mmh, genau das Richtige zum Abendessen. Ich nahm mir gleich vier Stück mit und zwei süße Nuss-Hörnchen. Dann hatte ich noch etwas zum Frühstück.
Kurz vor der Tiefgarage packte mich plötzlich jemand am Arm und zog mich mit einem Ruck in die schmale Seitenstraße. Ich schrie auf, doch dann erkannte ich, dass es Ochako war. Ich war für eine Sekunde erleichtert, doch dann zog sich alles in mir zusammen. Was wollte sie von mir?
„He Deku, können wir kurz reden?" Sie lächelte, aber es erreichte nicht ihre Augen.
„Okay, sollen wir woanders hingehen?"
„Nein, dauert nicht lange." Sie atmete tief durch und das Lächeln auf ihrem Gesicht verschwand. „Ich weiß, dass es dir nach dem Krieg nicht gut ging und du Hilfe von deinen Freunden gebraucht hast. Das ging den meisten so. Mir war klar, dass du immer an Katsuki kleben würdest wie eine Klette. Und wenn ich eine Beziehung mit ihm eingehen würde, ich damit klarkommen müsste, dass du ein Teil seines Lebens sein würdest. Aber irgendwann ist mal genug. Lass ihn frei und halte dich aus seinem Leben heraus, sonst wird er niemals weiter voranschreiten. Du tust ihm nicht gut. Er muss endlich sein Leben leben."
Mir klappte der Mund auf und ich sah sie ungläubig und entsetzt zugleich an. Ich sollte ihm nicht guttun? Vielleicht war es ja auch sie, die ihm nicht guttat. In meinem Kopf überschlugen sich so viele Gedanken auf einmal, dass ich das Gefühl hatte, meine Knie würden gleich nachgeben. Ich taumelte an die Hauswand zurück. Verlangte sie da gerade wirklich, ich sollte meine Freundschaft zu ihm aufgeben? Nein, auf keinen Fall. Ich würde nicht aus Kacchans Leben verschwinden, nur weil sie es so wollte.
Ich schüttelte vehement den Kopf. „Ich kenne ihn schon quasi mein ganzes Leben. Viel länger, als du ihn je kennen wirst. Er ist quasi ein Teil meines Lebens. Seine Freundschaft geht mir über alles. Das, was du von mir verlangst, kann und will ich dir nicht erfüllen. Und so lange er mein Freund sein will, werde ich auch sein Freund sein und ein Teil seines Lebens."
Sie sah mich durchdringend an. Ihre Augen wurden dunkler und ihre Lippen waren nur noch eine schmale Linie.
„Verstehe! Sag mir, wie lange geht das schon mit euch?"
Ihre Worte trafen mich wie ein Schlag in den Magen und mir verschlug es die Sprache. Sie wusste es. „Was?"
Sie sah mich mit einem Blick an, der eindeutig sagte: Wie kannst du nur ...? „Verkauf mich nicht für dumm, Deku." Ochako atmete hörbar aus. „Ich wusste es. Seit wann bist du so selbstsüchtig geworden? Was glaubst du, kannst du ihm geben? Er ist mein Freund. Wir werden irgendwann heiraten und ich werde ihm wunderbare Kinder schenken. Du bist ein Mann. Glaubst du, du könntest je mehr als eine Affäre sein? Glaubst du, er könnte dich je so lieben wie mich? Glaubst du, du könntest ihn jemals glücklicher machen als ich?"
Ihre Worte schmerzten und schlugen noch tiefere Kerben in meine Unsicherheiten, denn natürlich hatte ich mich dasselbe auch schon gefragt. Doch auf einmal stieg Wut in mir auf. Ich würde ihn nicht aufgeben. Nicht, solange es noch eine Zukunft für uns geben konnte.
„Warum fragst du ihn das nicht selbst, wie glücklich ich ihn mache?", knurrte ich und in diesem Moment traf mich eine schallende Ohrfeige. Ich sah sie entsetzt an.
„Er ist die Nummer eins der Pro-Helden. Er steht im Rampenlicht. Glaubst du, er könnte je zu dieser lächerlichen Affäre stehen? Er ist hetero, warum sollte er sich für einen perversen Mann an seiner Seite entscheiden. Du bist so kaputt, Deku. Ihr habt keine Zukunft. Ich werde es nicht zulassen, dass du ihn weiter in deinen Mist hineinziehst."
„Glaub nicht, dass ich ihn dir überlassen werde. Hörst du Ochako? Niemals!"
Zorn flackerte in ihren Augen auf. „Er gehört mir. Halt dich aus unserem Leben heraus."
„Das gehört er nicht!"
„Tss ... Wir werden sehen."
Sie drehte sich auf ihren Absätzen um und ließ mich stehen. Ihre Worte hallten wie eine donnernde Drohung in meinen Ohren wieder. Sie hatte vor, ihn mir wegzunehmen.
Mir wurde auf einmal so schlecht, dass ich mich übergeben musste. Was stimmt nicht mit mir? Ich war zwischenzeitlich so von ihm abhängig, dass ich mir nicht mal mehr ansatzweise vorstellen konnte, ihn aufgeben zu können. Aber was konnte ich tun? Sollte ich mit ihm darüber reden, oder war das genau das Falsche? Gab es überhaupt die geringste Chance, dass er Ochako verlassen würde, um ein Leben mit mir zu führen? Mit seiner Affäre, seinem Toyboy? Und wäre das wirklich das Richtige?
Obwohl es noch nicht mal eine Woche her war, seit ich Katsuki gesehen hatte, fehlte mir gerade seine Nähe so, dass mein Herz brannte. Als er gegangen war, hatte er nicht die beste Laune. Und was würde mich jetzt erwarten? Was hatte Ochako ihm erzählt? War er sauer auf mich, weil ich es nicht abgestritten hatte. Würde er es vielleicht sogar direkt beenden? Ich musste unbedingt mit ihm reden, auch wenn ich nicht wusste, was ich sagen sollte. Diese Ungewissheit war schlimmer als alles andere, also schrieb ich ihm eine Nachricht.
Eine Stunde später kam eine Antwort. ‚Wir reden morgen, sei eine Stunde früher in der Bar.'
In dieser Nacht fand ich wenig Schlaf und seit langem quälten mich wieder Albträume. Es war einer dieser, in denen ich immer von Explosionen und verzweifelten Schreien geweckt wurde. Geräusche, die nur in meinem Kopf stattfanden. Ich hasste es und es machte mir Angst, weil ich dem Abgrund wieder näher gekommen war und dagegen zu kämpfen, kostete so viel Kraft.
Früher gab es Tage, an den ich glaubte nicht genügend Kraft zu haben und mich in den Abgrund zu stürzen so viel leichter erschien. Geradezu verlockend.
Wie vereinbart, war ich bereits eine Stunde früher in der Bar. Mit jeder Minute, die verging, raste mein Herz schmerzlicher in der Brust und das Atmen viel mir schwerer. Ich knetete die kalten Finger, um sie vom Zittern abzuhalten. Er würde doch kommen, oder? Zwanzig Minuten später betrat Katsuki die Bar.
„Du bist gekommen", stellte ich mit einem Seufzen fest. „Ich hatte schon befürchtet ..."
„Hä? Natürlich bin ich gekommen, du Trottel. Ich hatte die scheiß U-Bahn verpasst." Er setzte sich zu mir an den Tisch. „Jetzt rück schon raus! Warum wolltest du mit mir reden?"
Ich senkte den Blick. „Es ist wegen Ochako."
„Was ist mit ihr?" Seine Stimme klang alarmiert.
Offensichtlich hatte sie nicht mit ihm gesprochen. Ich holte tief Luft und erzählte ihm, dass ich sie getroffen hatte, was sie gesagt hatte und dass sie das zwischen uns wusste. Er hörte mir zu, ohne mich zu unterbrechen, aber seine Kiefer mahlten. Was würde er jetzt tun? Ich versteckte meine zitternden Hände unter dem Tisch. Seine Lippen waren nur noch eine schmale weiße Linie.
„T... tut mir leid, Kacchan." Tränen rannen mir über die Wangen. „I... ich hab es nicht abgestritten."
Er sah mich lange ernst an. „Ich verstehe. Hör zu Izuku! Ich werde mich um Ochako kümmern. Das ist allein mein Problem." Er legte seine Hand kurz an meine Wange und strich die Tränen weg. „Und jetzt will ich, dass du aufhörst zu weinen, schließlich sind wir hierhergekommen, um mit Shoto zu feiern."
Wie aufs Stichwort kam Shoto in die Bar, gefolgt von Denki, Hanta und Eijiro. Schnell wischte ich mir übers Gesicht. Ich fand gar keine Zeit mehr, um über Kacchans Worte nachzudenken, doch zumindest hatte er mich nicht gleich in die Wüste geschickt.
Die Bar besaß einen Karaoke-Raum und nachdem wir alle so viel getrunken hatten, um es nicht mehr peinlich zu finden, buchten wir ihn für den Rest des Abends. Eijiro und vor allem Denki, sangen die meisten Lieder. Sogar Katsuki machte bei dem Spaß mit. Ich war erstaunt, was für eine wohlklingende Stimme Shoto hatte. Mir war eigentlich nicht so nach Singen zumute, aber nachdem alle darauf bestanden hatten, suchte auch ich ein Lied aus und begann zu singen. Und irgendwie hatte ich die fast irrsinnige Hoffnung, dass ich Kacchans Herz damit erreichen würde, wenn ich dabei an ihn dachte.
„Nehm' meine Träume für bare Münze
Schwelge in Phantasien
Hab' mich in dir gefangen
Weiß nicht wie mir geschieht
Wärm' mich an deiner Stimme
Leg' mich zur Ruhe in deinen Arm
Halt mich, nur ein bisschen
Bis ich schlafen kann
Fühl' mich bei dir geborgen
Setz' mein Herz auf dich
Will jeden Moment genießen
Dauer ewiglich
Bei dir ist gut anlehnen
Glück im Überfluss
Dir willenlos ergeben
Find' ich bei dir Trost
Bin vor Freude außer mir
Will langsam mit dir untergehen
Kopflos, sorglos, schwerelos in dir verlieren
Deck mich zu mit Zärtlichkeiten
Nimm mich im Sturm, die Nacht ist kurz
Friedvoll, liebestoll, überwältigt von dir
Schön, dass es dich gibt
Komm erzähl mir was
Plauder' auf mich ein
Ich will mich an dir satthören
Immer mit dir sein
Betanke mich mit Leben
Lass mich in deinen Arm
Halt mich, nur ein bisschen
Bis ich schlafen kann
Oh, halt mich, dass ich schlafen kann."
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Toyboy In A Birdcage
Fanfiction(Erotik) Der Krieg hat Izuku als Scherbenhaufen zurückgelassen. Er greift nach jedem Strohhalm, um nicht unterzugehen. Und dann ist da noch Kacchan und eine toxische Beziehung. Eine erotische, aber auch finstere FF. Triggerwarnung: Es kommen Themen...