Kapitel 10

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Ich stehe früh am Morgen auf, voller Vorfreude auf unseren Ausflug zur Geisterstadt Immerath. Alex hat mir gestern erzählt, dass es dort viele verlassene Gebäude und Straßen gibt, die perfekt für ihre Fotografie sind. Ich ziehe meine Wanderschuhe an und mache mich auf den Weg, um mich mit ihr zu treffen.

Als ich ankomme, steht sie bereits mit einem breiten Grinsen im Gesicht vor ihrem Auto und winkt mir zu. Sie hat anscheinend schon alles gepackt und wartet bereits auf mich. Sie sieht wunderschön aus in ihrem grauen Hoodie und der schwarzen Hose. ,,Guten Morgen, Sky! Bist du bereit für unser Abenteuer?", fragt sie. ,,Absolut! Ich kann es kaum erwarten.", antworte ich und wir steigen in ihr Auto. Wir halten noch kurz an einer Bäckerei, um uns noch einen Kaffee und was zum Frühstücken zu holen, dann geht es weiter.

Die Landschaft um uns herum verändert sich langsam. Wir kommen an riesigen Feldern und Wäldern vorbei. Der Himmel ist grau, aber das kann uns nicht aufhalten. Sky ist wie immer voller Energie und Begeisterung. Sie erzählt mir von der Geschichte der Stadt und wie traurig sie es findet, dass die Bewohner aufgrund des Braunkohleabbaus ihre Heimat verlassen mussten.

Als wir ankommen, bin ich erstaunt darüber, wie surreal und gleichzeitig faszinierend die Stadt Immerath aussieht. Alex packt sofort ihre Kamera aus und beginnt, Fotos von der Stadt zu machen, die sich verlassen und verfallen vor uns erstreckt, als wäre sie von der Zeit vergessen worden.

Ich kann sehen, wie aufgeregt sie ist, als sie beginnt Fotos von den verfallenen Gebäuden zu machen. Sie hat eine unglaubliche Fähigkeit, die Schönheit in der Verlassenheit zu finden und sie durch ihre Bilder zum Leben zu erwecken.

Wir spazieren durch die Straßen und ich sehe mich neugierig um. Ein kalter Wind weht durch die leeren Gassen und Häuser, deren Fenster fast alle zerbrochen sind und deren Türen schief in den Angeln hängen. Die Fassaden der verlassen Häuser sind von Moos und Flechten überwuchert und das einzige Geräusch hier ist das leise Rascheln von Unkraut und der Auslöser von Alex Kamera. Es ist ein Ort, an dem die Stille so drückend ist, dass man das Gefühl hat, dass sie einen erdrücken könnte.

Ich kann mir gut vorstellen, wie die Menschen hier einst gelebt haben, durch diese Straßen gegangen sind. Aber jetzt sind alle verschwunden und das Einzige, was übriggeblieben ist, ist ein Gefühl der Einsamkeit und Verlassenheit, die den Ort wie eine schwere Decke umschlungen hat. Wir erkunden die vielen verlassenen Gebäude und Alex erzählt mir von ihrer Faszination für verlassene Orte und ihrer Liebe zur Natur.

Schließlich kommen wir an der verlassenen Kirche im Zentrum der Stadt an. Ihr schiefes Dach und ihre gebrochenen Fenster erinnern an vergangene Zeiten, als der Ort noch von Leben erfüllt war.

Sky erzählt mir, dass sie gelesen hat, dass die Kirche als Symbol der Hoffnung gebaut wurde. Aber jetzt, in ihrer zerstörten Form, sind wir uns einig, dass sie eher wirkt sie wie ein Symbol der Vergänglichkeit.

Wir betreten die Kirche durch eine schwere Tür, die quietschend aufgeht und werden von einem dumpfen Echo unserer Schritte begrüßt. Der muffige Geruch von Feuchtigkeit und Schimmel hängt in der Luft und lässt uns leicht husten. Wir wandern durch die Reihen leerer Bänke und betrachten die vergilbten Gemälde an den Wänden. Die Architektur ist atemberaubend die hohen Gewölbedecken und die bunten Kirchenfenster erzählen eine Geschichte vergangener Zeiten.

Während ich mich umsehe, macht Alex Fotos und ich kann sehen, wie sehr sie in ihrem Element ist. Ich bewunderte ihre Leidenschaft für die Fotografie. Sie ist so fokussiert und motiviert, jedes interessante Detail der Stadt zu fotografieren und ich kann nicht anders, als mich von ihrer Begeisterung anstecken zu lassen. Sie hat ein Auge für die Schönheit in den Dingen und die Fähigkeit, mich zu inspirieren, das Gleiche zu sehen.

,,Guck mal ich glaube hier geht es hoch.", höre ich Alex stimme durch die Kirche hallen und gehe zu ihr. Sie steht vor einer hölzernen Wendeltreppe, die bereits ziemlich morsch aussieht und hält mir ihre Hand hin. ,,Komm lass uns gucken was es da oben zu sehen gibt."

Als wäre es das normalste der Welt verschränkt ihre Finger mir meinen und geht voran. Ich sehe auf unsere Hände, beginne dämlich zu grinsen und ich folge ihr auf wackligen Knien die Stufen herauf. Die Treppe fühlt sich an, als würde sie jeden Moment unter unseren Füßen zusammenbrechen, als wir höher und höher steigen.

Aber ich fühle mich sicher mit ihr an meiner Seite und ich fühle mich ohnehin gerade als ob ich schweben könnte. Etwas fühlt sich anders an, seit ich gestern Abend mein Buch in ihrer Wohnung gefunden habe und wir uns so viel Unterhalten haben.

Schließlich erreichen wir das Ende der Treppe und sie lässt meine Hand leider wieder los. Sie öffnet eine schwere Tür, die sich mit einem lauten Quietschen öffnet und wir dann befinden uns auf dem Glockenturm.

Wir treten auf eine Plattform hinaus, die einen atemberaubenden Blick über die Landschaft bietet. ,,Woah, das ist einfach unglaublich", sagt Alex, während sie ihre Arme ausbreitet und tief einatmet. Die Aussicht von oben ist wirklich fantastisch, wir können die ganze Stadt von hier oben sehen.

Der Himmel ist von einem orange-roten Sonnenuntergang erleuchtet. Alex macht einige Fotos und ich genieße einfach den Moment. Es fühlt sich an, als wären wir allein in der Welt.

Lost Places, verloren mit ihrWo Geschichten leben. Entdecke jetzt