Kapitel 9

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Wir betreten die geräumige Wohnung und ich bin beeindruckt von der Größe. Alex erzählt mir, dass sie bei ihr bester Freund, gerade bei Theaterproben ist und wir die Wohnung somit für uns allein haben. Sie zeigt mit kurz die Wohnung und ihr Gästezimmer, das zwar klein, aber sehr gemütlich eingerichtet ist. Gerade als wir wieder in die Küche gehen wollen, bleibt mein Blick verwirrt an ihrem Nachttisch hängen und ich bleibe wie angewurzelt stehen.

,,Ist das mein Buch?", murmele ich und trete etwas näher heran, um meine Vermutung zu betätigen. Mein Herz klopft schneller, als ich mich langsam dem Nachttisch nähere und das Buch in die Hand nehme. Ich blättere es auf und sehe die vielen Eselsohren, die Alex in die Seiten gemacht hat. Ich fühle mich auf eine seltsame Art und Weise geschmeichelt, dass sie sich so intensiv mit meinem Werk auseinandergesetzt hat.

Als ich die Seiten überfliege, erinnere ich mich an die vielen Stunden, die ich damit verbracht habe, die Geschichte zu formen und in Worte zu fassen. Ich kann mich noch an jedes Detail erinnern, das ich beschrieben habe, jedes Gefühl, das ich versucht habe zu vermitteln. Als ich letzte Seite erreiche, lege ich das Buch langsam zurück auf den Nachttisch und starre einen Moment lang darauf.

Was mag sie über meine Worte denken, wie bewertet sie meine Schreibweise? Ein Gefühl der Unsicherheit breitet sich in mir aus.

Ich habe das Buch geschrieben, es sind meine Worte, meine Gedanken, die zwischen diesen Seiten festgehalten sind. Und obwohl es in dem Buch keineswegs um mich geht, fühlt es sich irgendwie intim an. Es ist ein Teil von mir, ein Teil meiner Seele in diesem Buch. Ich fühle mich etwas entblößt, als ob Alex durch das Lesen meines Buches noch tiefer in mich hineinschauen könnte.

Als ich wieder zu Alex sehe, kratzt diese sich verlegen am Nacken. ,,Ähhmmm. Ich habe es vorgestern zufällig im Buchladen entdeckt und konnte nicht widerstehen. Ich wollte dich eigentlich fragen, ob es okay für dich ist, aber ich war zu neugierig, um es nicht zu lesen.", gesteht sie. Zufällig entdeckt, ich glaube ihr kein Wort und warum wirkt sie auf einmal so angespannt? ,,Gefällt es dir?", frage ich und lächle nervös.

,,Es ist wirklich gut geschrieben. Ich konnte mich richtig in die Geschichte hineinversetzen. Ich hatte keine Ahnung, dass du so talentiert bist."
Ich bin erleichtert zu hören das es ihr gefällt. ,,Das freut mich."

Damit ist das Thema beendet und wir gehen wieder zurück zur Küche. ,,Ich könnte uns eine Pasta mit Spinat machen.", schlägt Alex nach einem kurzen Blick in den Kühlschrank vor und ich stimme zu. ,,Setz dich ruhig, während ich koche, es dauert nicht lange.", meint sie und deutet auf einen Esstisch gleich neben der Küche. ,,Hast du auch Lust auf einen Wein?" Ich setzte mich an den Tisch und lächle. ,,Klar gerne."

Es dauert tatsächlich nicht lange da ist sie fertig und es riecht so köstlich, dass ich schon bevor ich mir die erste Gabel in den Mund schiebe, weiß wie lecker es schmecken wird.
,,Hast du vor nach deiner Ausstellung hier weiter zu reisen?", frage ich sie und trinke noch einen Schluck von meinem Wein.

,,Ich liebe das Reisen und diese Freiheit, aber ich habe überlegt mir hier eine Wohnung zu suchen. Es tut gut endlich mal irgendwo anzukommen und mal nicht in meinem Camper zu schlafen. Ich werde natürlich trotzdem reisen, nur mit einem Ort, an dem ich mich einrichten kann und zu dem ich nachhause kommen kann, nach meinen Abenteuern.", erklärt sie.

,,Das kann ich verstehen, wie viele Jahre ist es her das du mit deinem Camper losgezogen bist?" Sie überlegt kurz. ,,Drei Jahre. Es war wirklich eine Aufregende Zeit." Sie schwelgt noch eine Weile in Erinnerungen, erzählt mir von den Anfängen ihrer langen Reisen und wie unbeholfen und ängstlich sie damals noch war.

Nach dem viel zu leckerem Essen helfe ich ihr beim Abwasch und erkundige mich, seit wann sie ihren besten Freund schon kennt. ,,Wir kennen uns schon seit der Schulzeit", sagt Alex und ich höre ihr aufmerksam zu. ,,Wir haben uns damals beide vor der Klasse geoutet und sind seitdem beste Freunde."

Mir gleitet fast der Teller aus den Fingern und ich sehe zu ihr auf. Mein Herz pocht aufgeregt, denn das bedeutet ich habe tatsächlich Chancen bei ihr. Ich erzähle ihr von meinem Outing und registriere ihr zufriedenes Grinsen. Als wir mit dem Abwasch fertig sind setzten wir uns mit einem weiteren Glas Wein auf den Balkon und rauchen gemeinsam noch eine Zigarette.

Wir tauschen uns über unsere bisherigen Beziehungen aus. Alex berichtet mir, dass sie zwar schon mehrere Beziehungen hatte, aber keine länger als sechs Monate, da sie immer wieder weiterreisen wollte. ,,Nur mit Jane habe ich es etwas länger geschafft. Sie ist eine Weile mit mir gereist, aber auch das ging nicht lange gut." Wir unterhalten uns, bis es dunkel wird.

,,Ich bin froh, dass wir uns so gut verstehen", sagt Alex als sie mich zur Tür bringt. ,,Du bist mir wirklich ans Herz gewachsen, Sky." Ich spüre, wie mein Herz vor Freude schneller schlägt und ich lächle sie an.

,,Das geht mir genauso", erwidere ich. ,,Ich habe das Gefühl, dass wir uns schon ewig kennen." Alex lächelt und zieht mich in eine lange Umarmung. Ich spüre, wie alles in mir zu kribbeln beginnt. ,,Komm gut Nachhause, ich freue mich schon auf morgen.", meint sie und winkt mir noch einmal kurz zum Abschied.

Als ich zuhause im meinem kuschelig warmen Bett liege und langsam einschlafe, denke ich daran, wie glücklich ich bin, Alex kennengelernt zu haben, und wie sehr ich mich auf unsere zukünftigen Abenteuer freue.

Lost Places, verloren mit ihrWo Geschichten leben. Entdecke jetzt