Kapitel 5

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Als mein Wecker am nächsten Morgen klingelt bin ich sofort hellwach und aufgeregt. Ich fahre zu der Adresse die Alex mir gegeben hat. Sie hat mir erzählt, sie ist bei einem Freund untergekommen, nachdem sie eine ganze Weile um die Welt gereist ist. Als ich ankomme steht sie bereits an der Straße und springt schnell in mein Auto.

,,Guten Morgen, Sky. Bist du bereit für deinen ersten Lost Place?", begrüßt sie mich freudig und hält mir einen Becher entgegen der lecker nach Kaffee duftet. ,,Mhhh, danke.", meine ich und trinke einen Schluck.

,,Ich bin schon ganz aufgeregt was uns erwarten wird." Sie navigiert mich durch die Kölner Innenstadt, bis wir ankommen und in einer Seitenstraße Parken. Wir steigen aus und gehen in Richtung des hohen Gittertores, das den Eingang zum Anwesen versperrt. ,,Wie sollen wir reinkommen?", frage ich Alex, die aufgeregt neben mir steht und bereits ein Foto von mir vor dem Tor schießt.

,,Ich habe gelesen, dass es einen Einstieg an der Seite des Hauses geben soll", meint sie und deutet auf eine kleine Lücke im Zaun. ,,Komm, wir versuchen es dort."
Wir quetschen uns durch die Lücke und gehen vorsichtig auf die verlassene Villa zu. Ich spüre, wie mein Puls in die Höhe schießt und ich versuche, meine Aufregung zu zügeln.

In seiner Vergangenheit ist es sicherlich ein prächtiges Anwesen gewesen. Doch heute liegt es in einem Zustand des Verfalls, umgeben von wildem Gestrüpp, Schutt und Müll. Dennoch kann ich mir gut vorstellen, wie es einst majestätisch und imposant inmitten eines prachtvollen Gartens thronte.

Die Fassade des Hauses ist von Feuchtigkeit und Rissen gezeichnet, und der Putz blättert bereits ab. Einige Fenster sind zerbrochen und mit Brettern vernagelt. ,,Ich bin so gespannt darauf, was wir im Inneren finden werden.", meint Alex, nachdem sie genug Fotos von der Villa gemacht hat. Ich nicke zustimmend und fühle mich aufgeregt.

Die Eingangstür ist durch ein schweres Schloss gesichert, was darauf hinweist, dass das Gebäude seit langer Zeit nicht mehr bewohnt ist. ,,Wo denkst du, dass wir am besten reinkommen?", frage ich Alex, als wir uns umsehen.

,,Vielleicht gibt es einen Weg durch das Fenster da drüben", meint sie und deutet auf ein Fenster im ersten Stockwerk, von dem die Holzbretter bereits entfernt wurden sind, vermutlich von anderen neugierigen. ,,Okay, lass es uns versuchen", antworte ich und wir machen uns auf den Weg zum Fenster. Wir klettern vorsichtig hindurch und landen im Inneren der Villa.

Es herrscht eine beängstigende Stille und es fällt nur spärlich Licht in innere. Alex holt zwei Taschenlampen aus ihrem Rucksack und reicht mir eine davon. Die Räume sind voller Schutt und Gerümpel, und der alte Holzboden knarrt und ächzt unter unseren Füßen, als wir vorsichtig durch das Haus gehen. Die Tapeten und Wände sind von Feuchtigkeit durchtränkt, und manchmal tropft es von der Decke.

Die Wandverzierungen, die einst den Raum schmückten, sind längst verblasst und bröckeln bereits von den Wänden. Stattdessen sind fast überall auf der Freiliegenden Mauer Graffitis gesprayt. ,,Dieser Ort ist so faszinierend", flüstert Sky, während sie umhergeht, alles inspiziert und fleißig Fotos macht. Ich folge ihr zögerlich, ich fühle mich irgendwie unbehaglich, die Atmosphäre hier ist so bedrückend.

,,Ja, und er ist auch ein bisschen unheimlich", entgegne ich und wir lachen. ,,Keine Sorge, ich passe auf dich auf.", erklärt sie und zwinkert mir zu. Mein Bauch beginnt wie auf ihr Kommando zu kribbeln und ich wende mich schnell von ihr ab, um mich weiter umzusehen.

Das Adrenalin, das durch meinen Körper schießt während wir die Villa erkunden, reicht völlig aus, um dafür zu sorgen das sich meine Beine ganz wabbelig anfühlen, da brauche ich nicht auch noch dieses blöde Bauchkribbeln. Die Zimmer scheinen noch voller Erinnerungen an vergangene Tage zu sein, doch sie sind von einer gespenstischen Stille erfüllt.

Ich kann sehen, wie begeistert Alex ist und wie sehr sie das Erkunden und Entdecken genießt. Währenddessen lasse ich mich von der Atmosphäre inspirieren und überlege, wie ich die Villa in meinem nächsten Buch beschreiben kann. Meine Eindrücke schreibe ich mir in mein mitgebrachtes Notizbuch, als wir Raum für Raum inspizieren.

Es gibt noch einige wenige Überreste der Vergangenheit, die erhalten geblieben sind. Einige Möbel und dekorative Gegenstände stehen noch da, aber sie sind von Staub und Spinnweben bedeckt. Diese Möbel scheinen zu erzählen, wie prachtvoll die Villa einst war, bevor sie zu einem Lost Place wurde. Es scheint fast so, als ob sie auf die Rückkehr ihrer Besitzer warten würden, die jedoch niemals wiederkehren werden.

Wir gehen ganz vorsichtig die Treppe hinauf und finden uns in einem großen Raum wieder, in dem die Decke eingestürzt ist. Die Sonne scheint durch das Loch und beleuchtet den Raum auf eine unheimliche Weise. Alex ist begeistert und hebt ihre Kamera.

,,Stell dich in die Mitte und sieh nach oben.", weist sie mich an. Ich tue ihr den Gefallen und sie lächelt zufrieden.
Wir erkunden auch den Rest der Villa und finden schließlich den Weg zurück zum Eingang. ,,Ich denke, ich habe genug Fotos gemacht. Sollen wir uns langsam auf den Rückweg machen?"

,,Ja, lass uns gehen", sage ich und schließe mein Notizbuch. ,,Es war ein toller erster Ausflug zu einem Lost Place. Ich habe so viele Ideen für mein nächstes Buch. Danke, dass du mich mitgenommen hast.", sage ich lächle und denke, dass dies erst der Anfang unseres Abenteuers in der Welt der Lost Places ist.

,,Hast du Lust noch was mit mir essen zu gehen?", fragt Alex als wir wieder im Auto sitzen. ,,Gerne.", erwidere ich und verliere mich in ihren so faszinierend funkelnden Augen. Als ich ihr schelmisches Grinsen bemerke, wende ich meinen Blick schnell ab und starte mit zittrigen Fingern den Motor.

Ich bin sicher, ich werde rot. Wie kann es sein, dass ich mich in einerseits so sicher und vertraut mit ihr fühle aber sie mich gleichzeitig so nervös macht und ich mich fühlen lässt, wie ein verknallter Teenager. Ich parke aus und versuche mich auf die Straße zu konzentrieren. Wir fahren wieder Richtung Innenstadt und beschließen ein wenig durch die Stadt zu schlendern. Schließlich finden wir ein gemütliches Restaurant in einer kleinen Gasse und setzen uns an einen Tisch im Freien. Die warme, gemütliche Atmosphäre des Restaurants tut gut nach der Kälte und Leere der Villa.

Alex erzählt mir von ihren bisherigen Erfahrungen mit Lost Places und wie sie sich darauf freut, weitere Orte zu erkunden und diese in ihren Fotos festzuhalten. Die Stimmung zwischen uns ist vertraut und herzlich. Die Kellnerin bringt uns die Speisekarte und wir bestellen eine Flasche Wein und ein paar Köstlichkeiten, um unseren Hunger zu stillen. Während wir essen, tauschen wir Geschichten aus, lachen und genießen einfach die Gesellschaft des anderen.

Die Zeit vergeht wie im Flug und bevor wir es bemerken, ist es schon spät geworden. Wir bezahlen und machen uns auf den Weg zurück zum Parkplatz. Wir vereinbaren uns morgen erneut zu treffen, um einen weiteren Lost Place hier in Köln zu erkunden. Es war ein wirklich toller Tag und ich freue mich schon auf morgen. Mit ihr an meiner Seite fühlt es sich an, als könnten wir gemeinsam die ganze Welt entdecken.

Lost Places, verloren mit ihrWo Geschichten leben. Entdecke jetzt