squadra - maggio '22

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Nervös betrete ich mit Frau Anger den Sitzungssaal. Sie legt mir eine Hand auf die Schulter: „Hey Mathea, entspannen Sie sich. Es wird alles gut. Sie sind top vorbereitet und ich bin da, um Ihnen jederzeit zur Hilfe zu kommen. Sie werden das aber ganz sicher perfekt meistern." Seit ich mein zweites Staatsexamen habe, ist es nur mäßig ruhiger geworden. Lothar Seeberger hat mich übernommen und fest in seiner Kanzlei eingestellt, ich habe einen festen Arbeitsplatz in einem der größeren Büros bekommen. Seit etwas mehr als einem Monat betreue ich bereits eigene Klienten. Heute ist meine erste Verhandlung als Verteidigerin. Ich bin wirklich sehr aufgeregt. Meine Mandantin ist sehr nett, ich möchte ihr gerne helfen. Auf keinen Fall will ich das Ding heute verlieren, das hat sie nicht verdient. Deshalb muss einfach alles gut gehen. Gott sei Dank weicht mir Frau Anger als erfahrene Kollegin nicht von der Seite. Sie hat mich auf dem Weg zu meinem Abschluss bereits begleitet. Auch danach hat sie mich eingelernt und auf den heutigen Tag vorbereitet. Dass sie neben mir sitzen und mich, falls nötig, unterstützen kann beruhigt mich zumindest ein wenig. Weniger entspannend finde ich dagegen die Tatsache, dass mein Chef uns ebenfalls zum Amtsgericht begleitet hat, um der Verhandlung als Zuhörer zu folgen. Er wird jeden noch so kleinen Fehler bemerken und bereuen mich eingestellt zu haben. Ich hole aus meiner Arbeitstasche mein iPad hervor, auf dem sich die Fallakte sowie alles für mich Wichtige befinden. Dann ziehe ich auch die Robe hervor. Ich werde sie heute das erste Mal seit meiner Zulassung wirklich tragen, das ist ein ganz besonderes Gefühl. Ich schlüpfe in den schwarzen Stoff und atme tief durch. Ich bin eine richtige Anwältin, wow. Meine Arbeitstasche, die seit dem Referendariat mein treuer Begleiter ist, stelle ich neben meinem Stuhl ab.

„Ihre Mandantin ist gerade die Treppe heraufgekommen. Am besten begrüßen Sie sie erst einmal in Ruhe und sprechen nochmals alles Wichtige ab." ,meint meine Kollegin. Ich nicke, dann gehe ich aus dem Saal hinaus. Meine Mandantin sieht im Gegensatz zu mir aus wie die Ruhe selbst. Wir reichen uns zur Begrüßung die Hand. „Vielen Dank, dass Sie sich heute für mich einsetzen Frau Hausmann. Ich bin mir sicher, mit Ihnen zusammen kann das nur gut gehen und der Spuk wird endlich ein Ende haben." „Ich danke Ihnen sehr für ihr Vertrauen und werde alles tun, damit sie ihr Recht bekommen. Lassen Sie uns hineingehen, es sollte auch bald losgehen." Drinnen zeige ich ihr den richtigen Platz und gehe mit ihr zu Frau Anger, die sie bereits aus der Kanzlei kennt. Die beiden Frauen begrüßen sich ebenfalls, ehe wir uns setzen. Wir gehen mit gesenkter Stimme nochmal die letzten Details durch, bevor auch die Gegenseite den Sitzungssaal betritt und sich kurz vorstellt. Der Anwalt des Klägers scheint ein erfahrener Anwalt zu sein. Ich kann bereits riechen, dass er den Prozess für schon entschieden hält und sich seiner Sache sicher ist. Doch davon sollte ich mich nicht einschüchtern lassen. Meine Mandantin ist klar im Recht und unsere Strategie, das dem Gericht zu beweisen, ist wirklich gut. Wir haben den Überraschungsmoment also voll und ganz auf unserer Seite. Darauf sollte ich mich verlassen.

Ich sortiere meine Akten in Ruhe, während ich versuche mich zu beruhigen. Es wird heute schon alles klappen. Die Verhandlung ist nicht unbedingt schwer, sonst hätten mich meine Chefs nicht in diese Situation gebracht, das weiß ich. Außerdem habe ich im Referendariat genug solche Prozesse mit betreut und war in vielen Verhandlungen dabei. Dennoch bleibt wohl immer ein Stück Nervosität, was bei mir durch die Tatsache, dass ich nun zum ersten Mal allein die Verantwortung trage, ziemlich ausgeprägt ist. Zwei Minuten vor Beginn beuge ich mich nochmal kurz zu meiner Klientin: „Wenn der Richter gleich kommt werden wir aufstehen und erst nach seiner Aufforderung wieder Platz nehmen. Bitte sprechen Sie nur, sobald sie etwas gefragt werden, nicht einfach herausplatzen. Am Besten sprechen Sie sich sowieso erstmal mit mir ab. Sonst habe ich Ihnen ja schon alles erklärt." Meine Sitznachbarin nickt leicht und ich lehne mich in meinem Stuhl zurück. Meine ganze Konzentration richte ich auf das Kommende. In Gedanken gehe ich nochmal die allerwichtigsten Aspekte durch.

tuto accade per una ragione // Leon GoretzkaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt