„Herein." ,ertönt die Stimme meines Chefs auf mein Klopfen hin. Ich atme nochmal tief durch, ehe ich mir ein Herz fasse und die Türklinke herunter drücke. „Guten Tag Herr Seeberger, hätten sie vielleicht einen Augenblick für mich?" ,frage ich. „Natürlich Frau Goretzka, bitte nehmen sie Platz." Ich setze mich auf einen der beiden Stühle vor seinem Schreibtisch. Ein bisschen nervös bin ich schon. Ich habe Angst davor, was er dazu sagen wird. „Was kann ich für sie tun?" ,erkundigt sich mein Chef, nachdem er die Akte vor sich geschlossen hat. „Ich möchte ihnen mitteilen, dass ich schwanger bin." ,sage ich ganz direkt, bevor mich der Mut verlässt. Mein Gegenüber schaut überrascht, doch fängt sich schnell. „Na dann herzlichen Glückwunsch an sie und ihren Mann." ,er reicht mir die Hand. Ich bedanke mich. „Damit habe ich zugegeben nun wirklich nicht gerechnet Frau Goretzka, das ändert ja doch einiges." „Ich weiß, es kommt sehr plötzlich." ,erwidere ich zaghaft. „Unter diesen Umständen kann ich ihnen die Juniorpartnerschaft zum Ende des Monats nicht sicher zusagen, so leid es mir tut. Nicht, dass ich nicht möchte. Sie wissen, dass ich grundsätzlich überhaupt nichts gegen die Vereinbarung von Familie und Beruf habe, im Gegenteil. Aber sie sollen in eine Führungsposition wechseln, das ist mit viel Stress und Arbeit verbunden. Außerdem fallen sie schon in ein paar Monaten für sehr lange Zeit aus. Ich weiß nicht, ob sie in dieser Situation die erforderlichen Leistungen dann bringen können. Sie müssen jetzt vor allem auch auf sich und ihr Kind achten."
Bähm das sitzt. Niedergeschlagen senke ich den Kopf. Ich habe damit gerechnet, dass mein Chef nicht gerade begeistert sein wird. Aber, dass er mir die Beförderung doch noch abspricht ist ein Sclag in die Magengrube. „Ich weiß, dass das nicht der optimale Zeitpunkt ist. Dennoch werde ich mein Bestes geben, dass ich das hinbekomme. Ich möchte die Stelle wirklich sehr, ich werde alles dafür tun. Außerdem beträgt die Zeit des Mutterschutzes nur circa 14 Wochen, danach könnte ich zurück kommen." ,versuche ich ihn umzustimmen. In mir kommt zwar sofort das schlechte Gewissen hoch, weil das hier so nicht mit Leon abgesprochen ist. Das wird er auch alles andere als gut finden. Darüber, wie ich das meinem Mann beibringe, kann ich mir jedoch später noch Gedanken machen. „Ich weiß, dass sie hart für die Beförderung gearbeitet haben und es immer noch tun. Sie sind die beste Kandidatin für diesen Job. Doch sie sollten sich bewusst machen, was es heißt Mutter zu werden und dann sollten sie das auch genießen. Es gibt nicht umsonst die Elternzeit und ihr Mann wird die in ihrer Konstellation ja wohl kaum übernehmen. Frau Goretzka ich kenne sie. Sie sind eine hervorragende Anwältin und sie würden sich für die neue Position sehr aufopfern. Ich denke nicht, dass es eine gute Idee ist ihnen als schwangere Frau das aufzuhalsen. Die Lage hat sich eben verändert, dafür muss ich Verständnis haben und das habe ich. Aber sie müssen das ebenfalls." „Ich habe mich bereits damit auseinandergesetzt Herr Seeberger. Ich will nach wie vor die Juniorpartnerschaft, dafür werde ich kämpfen. Es ist mein großer Traum diese Stelle zu bekommen. Daran hat sich für mich nichts geändert. Ich kann verstehen, dass sie skeptisch sind. Aber ich kann sie nur bitten, mir diese Chance zu geben." In mir breitet sich Übelkeit aus. Das hier läuft überhaupt nicht so, wie ich es mir erhofft habe. Im Gegenteil ich habe das Gefühl, dass mein schlimmster Alptraum wahr wird.
„Ich werde es mir überlegen und mit Frau Anger sprechen, ob sie es denn für eine gute Idee hält, dass sie das dennoch machen wollen. Aber ich kann ihnen sagen, dass mir das nicht gefällt. Weder die Kanzlei noch ihre Familie soll am Ende der Leidtragende an der Geschichte sein, sie selbst im Übrigen auch nicht. Denn sie sind noch sehr jung Frau Goretzka, sie haben auch nach Kindern und Elternzeit noch genügend Berufsjahre vor sich, in denen sie so vieles erreichen können. Sie müssen sich nicht so unter Zeitdruck setzen." Ich nicke: „In Ordnung, danke Herr Seeberger." „Nichts zu danken, freuen sie sich auf ihr Baby und ihre Familie. Das ist ein tolles Geschenk, so viel mehr als ihnen ein Job je bieten kann. Und machen sie sich keine Sorgen um den Rest. Auch wenn sie nicht befördert werden, könne sie hier einen guten Job machen. Grüßen sie ihren Mann von mir und richten sie auch ihm meine herzlichen Glückwünsche aus." Ich erhebe mich von dem Stuhl und verlasse dann das Büro. Mir ist total flau im Magen. Wut und Enttäuschung breiten sich darin aus. Ich gehe schnurstracks auf die Toiletten zu. Zum ersten Mal in der Schwangerschaft muss ich mich heftig übergeben. Tränen laufen über mein Gesicht, während ich mir die Seele aus dem Leib kotze.
Keine Ahnung wie viel Zeit vergangen ist, als es an der Tür klopft. „Hey Mathea, alles okay bei dir da drin? Jenny hat gesagt, du bist schon längere Zeit in der Toilette." ,höre ich Daniels Stimme. Ich fahre mir mit beiden Händen übers Gesicht. „Alles in Ordnung. Ich komme gleich." ,rufe ich bemüht ruhig und fröhlich. Dann raffe ich mich auf, ich wasche mein Gesicht am Waschbecken und spüle meinen Mund aus. Schließlich streiche ich meine Bluse glatt. Ich stecke sie in den Bund meiner Anzughose. Nochmals atme ich tief durch und versuche das schlechte Gefühl in meinem Bauch zu ignorieren. Mit einem aufgesetztem Lächeln öffne ich die Tür. An der Wand gegenüber lehnt mein Lieblingskollege. Er sieht mich besorgt an: „Hast du geweint? Geht es dir nicht gut?" Ich schüttele nur den Kopf unfähig etwas zu sagen, denn da ist dieser Klos in meinem Hals. „Mathea du hast doch etwas. Komm wir gehen raus in den Park und machen Mittag. Dann kannst du da alles erzählen." ,meint mein Gegenüber fürsorglich. Wieder schüttele ich den Kopf. „Aber warum denn nicht? Das Wetter ist so schön heute. Ein wundervoller Herbsttag." „Ich muss noch was für den Huberprozess vorbereiten." ,erwidere ich lahm. „Ach komm das kannst du auch nach der Pause. Du musst auch mal ein bisschen runterkommen und abschalten." Stumm presse ich die Lippen aufeinander. Von wegen, das kann ich alles noch später machen. Wann später denn? Ich weiß, dass ich sofort wieder in Tränen ausbreche, wenn ich jetzt etwas sage also schweige ich.
Gegen Daniel habe ich wirklich keine Chance, deshalb sitze ich keine 10 Minuten später neben ihm auf einer Parkbank und stochere lustlos in meinem Müsli mit frischen Früchten herum. „Was hast du denn? Du bist seit vorhin so komisch und schweigsam. Das habe ich ja noch nie erlebt bei dir." ,hakt mein Kollege nach, als ich zum zehnten Mal schon nur eine abgehakte Antwort abgebe. „Ich bin schwanger und bekomme deshalb die Stelle nicht mehr, das ist los." ,platzt es schließlich aus mir heraus. Sofort steigt wieder die Übelkeit herauf. Ich renne zum nächsten Gebüsch, um mein Mittagessen zu entsorgen. Daniel kommt mir hinterher und hält meine Haare, während er meinen Rücken streichelt. „Geht's wieder?" ,fragt er nach einer Weile. Ich richte mich auf und nicke. „Geht schon, danke." Er nimmt mich in den Arm: „Auch wenn ich nicht weiß, ob du dich freust, meinen Glückwunsch." „Ich freue mich eigentlich sehr und Leon auch. Also danke!" ,meine ich mit einem traurigen Lächeln. Daniel führt mich wieder zur Bank. „Und was hast du gerade mit du bekommst die Stelle nicht mehr gemeint?" ,hakt er nach. „Ich habe es heute Herrn Seeberger gesagt. Er weiß nicht, ob er einer Schwangeren die Junior-Partnerschaft geben kann. Er meinte, dass das sehr stressig wäre und ich auch so lange ausfallen würde. Das ist in dieser Position nach ein paar Wochen wohl nicht so gut. Er hat mehr oder weniger sein Angebot zurückgezogen." ,erzähle ich. „Oh Mathea im Ernst?" „Er traut es mir nicht zu." , ich schweife aus und gebe im groben das Gespräch wieder. In mir brodelt immer noch Wut und Enttäuschung. Alle Emotionen rebellieren einfach nur.
„Oder er sorgt sich um dich? Ich kenne dich, du wirst da alles geben und dich voll reinhängen. Herr Seeberger weiß das auch. Er möchte vielleicht nicht, dass du dich übernimmst. Irgendwo hat er ja auch Recht. Deine und Leons Situation ist nicht so ganz mit der anderer Paare zu vergleichen. Es wird wahrscheinlich schon sehr viel bei dir liegen." Ich wiege mit dem Kopf hin und her. „Eigentlich kann sich Leon gut einbringen, nur an Spieltagen ist er nicht da. Sonst arbeitet er nicht so viel, wie andere mit einem Vollzeitjob." „Aber er kann keine Elternzeit nehmen oder mal einen Tag frei machen. Da ist er halt schon mehr gebunden. Du musst dich da nach ihm richten, denke ich. Ich glaube das meint der Chef." „Ja da hast du schon Recht. Ich weiß auch, dass es vielleicht nicht einfach wird. Trotzdem will ich den Job wirklich unbedingt und ich will dieses Kind. Ich kann das schaffen." „Ich werde dich unterstützen wie ich kann, Lieblingskollegin. Jetzt mach dich nicht fertig. Frau Anger kann ihn ja vielleicht doch noch umstimmen."
Der Stress ist da, ich bin dann mal weg, falls ihr mich töten wollt...
Ein schönes Restwochenende Euch allen!
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tuto accade per una ragione // Leon Goretzka
Fiksi PenggemarFortsetzung von „nulla accade senza ragione" als One-Shots Das Leben von Mathea und Leon geht noch weiter, denn alles geschieht aus einem Grund...