assimliare - dicembre '22

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Schockiert schalte ich den Fernseher aus. Deutschland ist gerade in der Gruppenphase der WM gescheitert. Schon zum zweiten Mal hintereinander fährt die Mannschaft so früh von einem Turnier nach Hause. Leon muss unglaublich enttäuscht sein. Ich habe seinen Blick gesehen, als er auf der Bank tatenlos zusehen musste, wie Japan sein Team rausgekickt hat. Er nimmt sich das zu Herzen. Es tut mir weh meinen Freund so verletzt zu wissen. Wie gerne wäre ich jetzt bei ihm, um ihm beizustehen, ihn zu trösten und für ihn da zu sein. Ich bin jedoch nicht in Katar, geschweige denn im Stadion. Ganz im Gegenteil, Leon und ich könnten im Moment wohl kaum weiter voneinander entfernt sein. Ich sitze im winterlichen New York in meinem Hotelzimmer und blicke auf den Central Park, statt auf die Wüste. Mein Chef hat mich auf Dienstreise geschickt, gemeinsam mit meinem Kollegen Daniel soll ich einen Deal für einen wichtigen Klienten begleiten. Für mich ist es nicht das erste Mal im Ausland, die Kanzlei ist wirklich international mehr als gut im Geschäft. Ausgerechnet dieses Mal ist es allerdings während der WM. Aber eine Absage des Termins hier ist nicht in Frage gekommen.

Daniel ist bereits Junior-Partner und ich weiß, dass ich mich in den nächsten zwei Wochen beweisen muss. Seeberger hat mir gesagt, dass ich gut aufpassen und von meinem Kollegen lernen soll. Wenn ich es schaffe meinen Chef zu beeindrucken, dann komme ich der angestrebten Beförderung ein gutes Stück näher. Deshalb konnte ich unmöglich sagen, dass ich diese Termine nicht wahrnehmen kann, um Leon zu begleiten. Außerdem halte ich sowieso nicht unbedingt viel von dieser absurden WM in einem Land, dessen Gesetze und gesellschaftliche Einstellung für mich unverständlich sind. Hinzu kommt, was für dieses Ereignis  unzähligen Menschen und der Umwelt angetan wurde. Da habe ich wenig Lust das auch noch zu unterstützen. Nichts desto trotz spielt mein Verlobter für die Nationalmannschaft und für ihn wäre ich gerne hingeflogen. Denn er hat meine Unterstützung immer verdient. Schließlich ist Leon derjenige, der alles tut um mich zu supporten. Ich möchte für ihn ebenfalls eine Stütze sein. Da finde ich es wirklich schade, dass er mit seinem Team schon ausgeschieden ist. Ein Weiterkommen hätte ich den Männern sehr gewünscht. Schnell schicke ich Leon ein Herz, damit er weiß, dass ich es gesehen habe und da bin. Mehr Worte braucht es aktuell nicht, die würden so kurz danach nichts bringen. Inzwischen weiß ich das und kann damit umgehen.

Nach einer knappen Stunde klingelt mein iPhone. Leons Name erscheint auf dem Display. Ich lasse mich in einen Sessel fallen und nehme sofort ab. Auf diesen Anruf habe ich schon gewartet. „Hi mein Schatz, es tut mir unendlich leid. Wie geht's dir?" ,melde ich mich. Am anderen Ende ertönt ein missmutiges Brummen: „Hey, es ist ein beschissenes Gefühl. Meine zweite WM und wieder hat es nicht gereicht. Wieder haben wir mit dem ersten Spiel alles aus der Hand gegeben. Ich dachte wirklich wir können es heute noch retten, aber eigentlich sind wir verdient draußen. Die ersten zwei Spiele haben wir einfach richtig verkackt. Es ärgert mich maßlos, ich bin sauer und enttäuscht. Der Sieg heute ist der bitterste, den ich je erlebt habe." „Ich weiß, dir hat das so viel bedeutet dieses Turnier zu spielen. Ich wünschte ich wäre bei dir und könnte dich jetzt in den Arm nehmen." „Es ist besser, dass du nicht da bist. Diese Peinlichkeit ist schon so groß genug. Vor dir als Versager dazustehen macht es nicht einfacher. Außerdem hast du Wichtigeres zu tun und es wäre ohnehin zu gefährlich für dich." Leon hat schon bereits weit im Vorfeld beschlossen, dass ich die WM nicht vor Ort anschauen sollte. Das liegt nicht nur daran, dass man alleinreisende Frauen ohne männliche Begleitung nicht unbedingt gutheißt und es nicht ungefährlich ist. Viel mehr ist mein Job der Grund. Im Januar hat die Kanzlei beschlossen eine Firma zu vertreten, die am Bau eines WM-Stadions beteiligt war und gegen die Auftraggeber, also mehr oder weniger die Regierung, gerichtlich auch wegen möglicher Verbrechen vorgeht. Ich bin zwar nicht direkt in den Fall mit einbezogen, aber trotzdem ist es vielleicht nicht unbedingt schlau mich vor Ort aufzuhalten. Schließlich wissen die Behörden mit Sicherheit trotzdem, dass ich dort arbeite. Deshalb hat mir mein Verlobter das Versprechen abgenommen nur für das Finale anzureisen, mit Marius und Tim als Begleitung. Das hat sich jetzt wohl erledigt. „Hör auf das zu sagen Leon. Du bist kein Versager, du bist großartig. Ihr habt verloren, das Ausscheiden ist bitter ja. Aber das ist doch nicht das Ende und es ändert nichts daran, was ich von dir halte oder wie ich dich sehe. Ich liebe dich Leon, egal wie du Fußball spielst."

tuto accade per una ragione // Leon GoretzkaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt