Wer war Isabell?

456 23 2
                                    

Gab es eigentlich richtig und falsch? War die Welt wirklich schwarz-weiß? Konnte man sagen jemand war böse, nur weil er etwas böses getan hatte? Und konnte man jemanden böse nennen der sich genau bei der Person verstanden fühlte, die für all ihr Leid verantwortlich war? Nun, je nachdem welches der Geschwister man fragte, würde man vermutlich sehr unterschiedliche Antworten erhalten, doch war das jetzt wichtig? Nein, denn dies hier war ja schließlich Keiras Geschichte.

"Wie sollen wir ihn denn bitte finden?" fragte sie Thiago mit zittriger Stimme. Wo konnte er nur sein? Keiras Kopf war voller Fragen und die wichtigste war: wieso war Thiago nicht zur Polizei gegangen? Wieso hatte er Keira nicht geschrieben oder versucht sie anders zu erreichen?

Der große Engländer hatte sie ins obere Stockwerk geführt, wo früher vermutlich mal ein Schlafzimmer gewesen war. Alles war verstaubt und es machte auch in diesem Zimmer den Anschein, als wäre jahrelang niemand mehr hier gewesen. Die Frage, wem dieses Haus eigentlich gehörte, hatte Keira ganz weit in ihr Unterbewusstsein verbannt.

"Er kann hier nicht alleine rausgekommen sein" stellte Thiago nach einigen Minuten des Schweigens fest. Was? Gerade wollte Keira etwas erwidern, da schien es ihn wie einen Schlag zu treffen. "Dieser verdammte Mistkerl! Wie hat er ihn gefunden?" knurrte er und in seinen Augen blitzte die pure Wut auf. Von wem sprach er da? Hatte etwa jemand anders ihren Bruder ebenfalls entführt?

Thiago machte sich gar nicht erst die Mühe ihr irgendwas zu erklären, sondern er stürmte einfach aus dem Zimmer. Sie hörte die Treppe knarren, als er vermutlich ins untere Stockwerk zurücklief. Da Keira klar war, dass sie ohne ihn hier nicht mehr wegkam, folgte sie ihm in Windeseile hinunter.

"Thiago!" rief die Braunhaarige, als sie unten angekommen war und durch die offene Tür den angesprochenen Mann sah, wie er gerade auf sein Motorrad stieg. Er wollte doch nicht ohne sie hier weg? Er schien sie gehört zu haben, denn an seinem Blick konnte sie erkennen, dass Thiago nicht länger warten wollte, also verlor sie keine Zeit und lief zu ihm.

Im laufe dieser Geschichte hatte sie gelernt keine Fragen zu stellen, denn Thiago würde sie sowieso nicht beantworten, also stieg sie wortlos auf sein Motorrad, nachdem sie den Helm aufgesetzt hatte. Sie wusste weder wohin sie fuhren, noch wer es war, der nun wohl ihren Bruder hatte, doch Keira war fest entschlossen Sebastian zurückzuholen. Sie konnte ja nicht wissen, dass das alles ganz anders enden würde als sie jetzt vielleicht annahm.

Die Fahrt war anders als sonst. Thiago fuhr schnell, keine Frage, doch normalerweise nicht so schnell. Jeder Kurve war unglaublich waghalsig und mehrfach waren die Ampeln mehr als nur dunkelorange gewesen, doch das schien ihn gar nicht zu kümmern. Er fuhr und fuhr, bis sie irgendwann auf einer Landstraße ankamen. Wo zum Teufel wollte er hin? Sie waren schon längst nicht mehr in New York und Keira hatte keine Ahnung welche Gegend das hier war. Zugeben, sie hatte auch nie viel Zeit außerhalb der Millionenstadt verbracht, doch trotzdem wusste sie grob wie die Gegenden um New York aussahen, doch das hier... überall war Wald und kein einziges Auto war zu sehen. Merkwürdig.

Nach etwa einer Dreiviertelstunde kamen sie an einer Waldhütte an. Es war kühl und der Wald schien kein Ende zu nehmen. Wo waren sie? Keiras Blick wanderte zu der kleinen Hütte, vor der Thiago zum stehen kam. Was wollten sie hier? Hier wäre doch nicht... Würden sie hier auf denjenigen treffen, der ihrem Bruder geholfen hatte zu entkommen?

Keira war so vertieft in diese Gedanken, dass sie nicht bemerkte, wie Thiago den Motor abgestellt hatte und nun offensichtlich darauf wartete, dass sie abstieg. Erst als er mit einer Hand über die Seite ihres Oberschenkels fuhr, realisierte sie, was er von ihr wollte. Ohne ein weitere Wort stieg die braunhaarige ab und zog den Helm ab. Was würde nun passieren? Fragend sah sie den Mann an, der das Motorrad nun abstellte, doch er ignorierte sie fast völlig. Es war offensichtlich, dass ihm die Sache hier ernst war, also schwieg auch Keira.

You made me a killerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt