Ich seufzte tief, als ich den Schlüssel herum drehte und damit den Laden öffnete. Für wen eigentlich?
Langsam kam es mir vor, als wäre das gut gefüllte Restaurant nur ein Fantasiegebilde aus einem meiner Träume gewesen.Ich war noch vollkommen in meine trübsinnigen Gedanken versunken, da steckte eine Frau mittleren Alters plötzlich den Kopf durch die Tür, welche sie einen Spalt geöffnet hatte.
Erschrocken wich ich zurück und legte mir eine Hand auf die Brust, um mein hämmerndes Herz unter Kontrolle zu kriegen.
„Sie haben mich erschreckt.” gestand ich.
Die Fremde lächelte entschuldigend und trat ganz herein. In dem Moment, als sie sich vorstellte und sagte, dass sie für eine Zeitung arbeitete, wollte ich sie am liebsten aus der Tür schubsen. Mir wurde übel und kalter Schweiß trat mir auf die Stirn. Mein ganzer Körper schrie "Flucht", als wäre ich ein höhlenmensch, der einem Säbelzahntiger gegenüber stand. Was wollte diese Frau? Mein Ruf war doch bereits irreparabel beschädigt worden. Wollte sie eine Stellungnahme zu meiner Homophobie?!
„Was wollen sie?” fragte ich und wich ihrem Blick aus. Ich wünschte Rintarou wäre hier...
„Keine Sorge. Ich möchte gern einen Artikel über dich schreiben. Als junger, selbstständiger Mann, den ein Klatschblatt zu Grunde richten wollte. Du brauchst keine Angst haben, ich schreibe für die Tokyo Times. In dieser Stadt ist kein Label einflussreicher.”
Überrascht sah ich auf und zögerte, angesichts ihrer lockeren, netten Art.
„Mag sein, aber warum sollten sie gerade mir helfen wollen?”
„Mein Neffe Rintarou hat mich darum gebeten. Ups, das sollte ich eigentlich nicht verraten ... tue doch bitte so, als hättest du das eben nicht gehört.” winkte sie ab, während ich sie nur sprachlos anstarren konnte.
„Er hat...” stammelte ich und konnte den Satz einfach nicht beenden. Selbst jetzt wo er tausende Kilometer entfernt war, kümmerte er sich um mich.
„Lass uns reden und ein paar Fotos machen, wenn das für dich okay ist?”
Ich nickte immer noch völlig perplex.
„Schließ den Laden am besten noch eine Weile. Vertrau mir und öffne in einer Woche neu.” sie grinste so breit, dass sie mich an diese Katze von Alice im Wunderland erinnerte. Seit sie Rintarou erwähnt hatte, war ich weniger misstrauisch und was hatte ich denn noch zu verlieren? Der Ruf meines Restaurants war sowieso im Eimer, also gab ich nach.
Sie machte ein paar Foto's von mir im leeren Laden und ich beantwortete ihre Fragen, dann war sie auch schon wieder verschwunden.
Ich schloss die Tür wieder ab und schlurfte nach oben in meine Wohnung. Es war langweilig und ich war einfach nur traurig. Wieso ging alles den Bach runter? Womit hatte ich das verdient? Warum half Rintarou mir und warum...
Ich griff mir mein Telefon und öffnete unseren Chatverlauf.
„Wann kommst du nach Hause?” textete ich ihm und tippte dann wie automatisch „Ich vermisse di...” noch bevor ich fertig war, begriff ich, wie das klang und löschte die Nachricht, bevor ich auf senden drücken konnte.
Mein Gesicht glühte, ich warf mein Telefon beschämt auf die Couch und ging in die Küche, um mir einen Tee aufzubrühen.
Als ich zurück kam, um mich vor den Fernseher zu setzen, tippte ich Tsumus Nummer in mein Telefon.
Es dauerte nicht lang, da hob er ab.
„Was gibt's?” fragte er und klang beschäftigt.
Ich kaute unschlüssig auf meiner Unterlippe herum. Sollte ich den Hitzkopf wirklich um Hilfe bitten?
„Hallo?...Samu? Was ist?...Hallo?”
Mein Kiefer zuckte. „Keine zehn Sekunden und schon gehst du mir auf die nerven. Das ist ein neuer Rekord.” stichelte ich.
Tsumu schnaubte nur verächtlich. „Du hast mich angerufen und nicht anders herum. Also was willst du?” er hielt sich noch recht in Zaum, normalerweise hätte er mich sofort angeschrien, jedoch wusste er, dass der Laden nicht lief und mir das zu schaffen machte.
Ich seufzte ergeben und erzählte ihm von der Reporterin, die mich heute aufgesucht hatte. „Sie meinte ich solle bald neu eröffnen und ich wollte dich fragen, ob du mir hilfst den Laden etwas umzugestalten?” Es war nicht gerade angenehm ihn um so etwas zu bitten, aber mir blieb kaum eine Wahl. Immerhin konnte ich das alleine nicht stämmen.
„Klar, sollen wir morgen anfangen?” fragte er.
Ich nickte, obwohl er es durch das Telefon ja gar nicht hätte sehen können. „Klingt super. Bringst du Kiyoomi mit? Ich hätte gern die Meinung von jemandem, der etwas Intellekt besitzt.”
Atsumu schnaubte „Du scheinst die Hilfe ja nicht so nötig zu haben, wenn du es noch wagst mich zu beleidigen!”
Gerade wollte ich darauf antworten, als ich Koiyoomi im Hintergrund sagen hörte. „Ich gehe ihm helfen, während du in unserem Schlafzimmer schmollst.”
Der Blondhaarige murmelte eine Kette Flüche in seinen nicht vorhandenen Bart und drückte mich anschließend ohne ein weiteres Wort weg.
Ich lachte, meinen Bruder auf die Palme zu bringen half mir oft mich besser zu fühlen.
Gerade als ich mein Handy zur Seite legen wollte, bemerkte ich, dass ich eine ungelesene Nachricht hatte. Mein Herz schlug augenblicklich schneller, als ich sah, dass sie von Rintarou war.
„Ich bin Sonntag, ca. 18 Uhr zu Hause.”
Plötzlich kam noch eine Nachricht hinterher und meine Augen weiteten sich.
„Vermisst du mich etwa?”Mein Kopf begann zu glühen wie ein Heizstrahler und ich legte das Handy sofort zur Seite, ohne ihm zu Antworten. Was sollte ich denn auf so eine Nachricht bitte sagen?!
Ich lehnte mich zurück und starrte gedankenversunken zur Decke. Wem machte ich hier etwas vor, natürlich fehlte er mir. Ich vermisste es mit ihm zu Joggen, ihm morgens ein Bento zu machen und ihn gelegentlich noch abends zu sehen, wenn er mit seinen Teamkollegen ins Restaurant kam, um etwas zu essen und Sake zu trinken.
Aber dennoch würde ich lügen, wenn ich sagte, dass mir diese Gefühle keine Angst machten.
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Jeden Abend Sushi | Osamu Miya x Rintarou Suna
FanfictionDas Leben geht seltsame Wege. Oft trennt es uns von Menschen, die wir eigentlich mochten. Gelegentlich lässt es uns länger an der Seite von Personen gehen, die wir nicht ausstehen können. Doch ab und zu kreuzen sich erneut manche Wege und man übe...