Kapitel 12

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Kapitel 12

Es ist Donnerstagmorgen 07:36 Uhr und ich bin schon in der Schule. Es ist wirklich Fluch und Segen zugleich direkt in der ersten Stunde den UB (Unterrichtsbesuch) zu haben. Ich fange an alles, was ich an Material dabei habe auf dem Pult auszubreiten, das Smart-Board vorzubereiten und noch einmal ordentlich zu lüften. Ein Blick auf die Uhr zeigt mir, dass es zehn vor Acht ist. Jetzt sollten die Prüfer langsam eintreffen. Und natürlich sind sie pünktlich auf die Minute. Ich bin unglaublich nervös, aber begrüße die Prüfer und Prüferinnen so souverän wie nur möglich. Herr Strauß setzt sich also mit einer Kollegin und einem Kollegen hinten in den Klassenraum. Zum Glück habe ich ihnen schon Stühle bereitgestellt. Er legt aber nur kurz seine Sachen ab und kommt dann zurück zu mir nach vorne. Oh Gott. Was habe ich vergessen? Was will er? Habe ich was Falsches an? „Und? Aufgeregt Frau Schmitt?" Hä? Okay... Auf netten Smalltalk war ich jetzt irgendwie nicht vorbereitet. Los Mara, reagier so cool wie möglich. „Ach. Was heißt aufgeregt? Ich glaube ein gesundes Maß an Nervosität ist gar nicht so schlecht, außerdem fühle ich mich gut vorbereitet und empfinde eher Vorfreude. Vorfreude auf die Kinder und auf die Stunde." sage ich und bin ziemlich zufrieden mit meiner Antwort. Ich schaue Herrn Strauß in die Augen und warte auf eine Antwort. „So sollte es sein. Ich freue mich auf die Stunde und jetzt Hals und Beinbruch Frau Schmitt." Ich bin viel zu perplex und Herr Strauß wieder zu schnell an seinem Platz, als dass ich irgendwie antworten kann. Das hab ich jetzt nun wirklich nicht erwartet. Ich hätte nicht gedacht, dass ich das gebraucht hätte, aber es tut verdammt gut, dass muss ich zugeben.

Ich bin froh, als die ersten Schüler in die Klasse trudeln, weil jetzt habe ich keine Zeit mehr aufgeregt zu sein. Zumindest nicht mehr so aktiv. Jedes Mal, wenn ich in dieser Klasse einen UB hatte, war die Klasse wie ausgewechselt. Ich muss schon sagen, dass ich ziemlich stolz auf meine Klasse bin, was das angeht. Der letzte Schüler kommt rein und ich bitte ich die Tür hinter sich zu schließen, damit ich anfangen kann. Ich atme noch einmal tief durch und dann geht es auch schon los. Wie die letzten Male auch sind alle auf einmal ganz leise und hören aufmerksam zu. Alles kleine Schauspieler, denke ich mir. Soll mir aber Recht sein.

Die Stunde verläuft gut, ich versuche so wenig wie möglich auf meine Prüfer zu schauen und versuche gleichzeitig so entspannt und gelassen wie möglich zu wirken. Meine Aufregung wird von Minute zu Minute weniger und ich verliere mich vollkommen in dem, was ich tue. Ich habe richtig Spaß mit den Kindern und auch die Antworten und Beiträge der Schülerinnen und Schüler führen letztendlich zu dem Ziel, was ich mir gesetzt habe.

Es klingelt zum Stundenende. Punktlandung. „Bitte packt alle eure Kleber und Scheren wieder weg und setzt euch noch einmal kurz auf euren Platz." sage ich und setze mich vorne auf die Ecke meines Pultes. „Vielen Dank, dass ihr alle heute so gut mitgemacht habt. Nächste Stunde gehen wir wie versprochen Eis essen. Eure Hausaufgabe ist es also eure Lieblingseisdiele aufzuschreiben, damit wir nächste Stunde abstimmen können, wo wir hingehen. Und jetzt ab mit euch. Ihr habt 5-Minuten-Pause." sage ich lächelnd und mache eine Handbewegung hin zur Tür. Die Klasse wird unruhig und nach und nach sind alle Kinder aus dem Klassenraum raus. Mit einem guten Gefühl gehe ich zu meinen „Besuchern" in den hinteren Teil des Klassenraumes. „Vielen Dank für diese schöne Stunde Frau Schmitt." sagt Frau Maas, eine der Prüfer:innen. „Auch ich muss Ihnen meinen Glückwünsch aussprechen." Ich atme einmal tief aus. Der erste Schreck ist vorbei. „Folgen Sie mir bitte, dann können wir direkt die Nachbesprechung machen." sage ich und führe meine drei Prüfer:innen in einen Raum neben dem Lehrerzimmer.

Diese Nachbesprechungen waren immer der Horror. Man muss jede einzelne Sekunde der vergangenen Stunde noch einmal durchleben und alles, was man gesagt, oder getan hat wird vor dir auf die Goldwaage gelegt. Ich weiß, dass mir diese Reflexionsgespräche im Nachhinein immer etwas bringen, aber anstrengend sind sie trotzdem immer.

Nach diesem anstrengenden Tag bin ich unglaublich froh, als ich endlich in meine Wohnung komme und entspannen kann. Heute mach ich gar nichts mehr. Nur noch chillen. Jakob und Tommi habe ich in der Schule noch eine Nachricht geschrieben, dass meine Stunde ganz gut gelaufen ist und natürlich haben sich beide gefreut. Felix habe ich nicht geschrieben. Wäre auch komisch, oder? Oder nicht? Ach keine Ahnung... Kaum bin ich in meinem Wohnzimmer angekommen und habe mich mit einem Glas Wein auf die Couch gesetzt da klingelt schon mein Handy. Es ist Felix. Augenblicklich setze ich mich gerade auf und versuche meine Haare etwas zu richten, weil er per Video-Call anruft. Ich kann aber nicht länger warten, sonst klingelt es gleich nicht mehr, also gehe ich ran. Felix scheint auch auf dem Sofa zu liegen und sieht ebenfalls ziemlich gechillt aus. Gechillt, aber trotzdem verboten heiß.

Felix: Na meine kleine Lehrerin. Wie ist die Stunde verlaufen?

Kurz muss ich grinsen.

Mara: Ich kann mich nicht beklagen. Die Kiddies haben wieder einen auf lieb gemacht vor den Prüfern und auch sonst ist die Stunde ganz gut verlaufen. Bin ziemlich zufrieden.

Felix: Heeeeyy. So muss das. Das höre ich doch gerne, geil Mara. Kannst stolz auf dich sein. Kannst es wahrscheinlich gar nicht abwarten, dass diese ganzen Unterrichtsbesuche aufhören, wa?

Mara: Da sagst du was. Im Endeffekt mache ich ja genau das Gleiche, wie jeden Tag, aber diese Prüfer da hinten drin sind schon echt immer was anderes... Und wie siehts bei dir so aus? Ich hab gehört, du bist nächste Woche bei meinen Jungs von LNB zu Gast.

Felix: Deine Jungs, ja? Gehöre ich auch zu deinen Jungs aus Berlin, oder wie erzählst du von mir bei deinen Freundinnen?

Mara: Das müsste ja voraussetzen, dass ich von dir erzähle.

Felix: Das tust du nicht? Aber das interessiert mich jetzt echt mal. Was erzählst du denn so von mir?

Mara: Ach du, das würde dir nur zu Kopf steigen.

Wir beide müssen lachen und ich bekomme, obwohl ich sitze, ganz weiche Knie.

Felix: Aber zurück zum Thema. Ja ich bin am Montag bei LNB. Hat dir das dein Jakob erzählt?

(Mir ist gerade aufgefallen, dass hier ein Zeitsprung ist. Eigentlich sollte Mara diesen Freitag, also hier quasi morgen, nach Berlin fahren. Ich hoffe das hat jetzt nicht zu großen Verwirrungen geführt. Denkt euch einfach diese Woche jetzt noch dazu. Also Donnerstag war die Stunde, dann den Montag ist LNB und dann den Freitag die Party. Ich hoffe das war verständlich und sorry nochmal)

Felix' Stimme wird leicht kühl und ich hasse es, dass ich das Gespräch so blöd eingeleitet habe. Meine Jungs. Warum hab ich das so gesagt?

Mara: Ja, Jakob hat es mir erzählt, aber er ist nicht mein Jakob. Nicht mehr.

Felix: Naja... auf jeden Fall freue ich mich. Ich kenne „deine Jungs" ja gar nicht so gut und da ist es sicher interessant sich mal anzuschauen, was die da so fabrizieren bei Pro7. Und den Jakob schau ich mir auch mal genauer an. Muss ein ganz schöner Idiot sein, wenn er dich gehen lassen hat.

Kurz schlucke ich. Hat er das gerade wirklich gesagt? Dadurch, dass wir per Video telefonieren, muss ich mich echt zwingen keine zu große Reaktion zu zeigen.

Mara: Du bist so ein Schleimer.

Mehr sage ich nicht. Mehr bekomme ich einfach nicht raus.

Felix: Ich freu mich übrigens total auf nächste Woche Freitag. Ich glaub das wird ne Hammer Show und ne hammer Party.

Mara: Oh das glaube ich auch. Ich freue mich auch sehr. Ach übrigens. Ich habe ja nächste Woche auch Geburtstaaaaag und ich feier bei meinem Bruder in der Wohnung eine kleine Party und würde dich hiermit gerne einladen. Jakob und Schmitti haben auch schon zugesagt und du darfst gerne auch einen Kumpel, oder deinen Bruder oder so mitbringen, damit du eine Begleitung hast.

Felix: Geil. Sehr gerne hört sich nach ner guten Party an. Mensch da muss ich mir ja noch was Schönes überlegen, was ich dem Geburtstagskind schenken kann.

Mara: Du brauchst mir nix schenken, Felix. Ich freu mich schon, wenn du einfach da bist.

Lange habe ich nicht mehr so etwas Ehrliches gesagt. Ich freue mich wirklich einfach so sehr ihn zu sehen. 

Gefühle zwischen Köln und BerlinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt