⋙Beide und der erste Schritt⋘

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Ich war mir nicht sicher. Somit ließ ich sie mit der Antwort eine Weile warten. Für ihren Geschmack wohl zu lang, denn sie seufzte und verschränkte genervt ihre Arme vor der Brust. Dann fand ich endlich die Worte, nach denen ich gesucht hatte: „Nur, wenn Hilfe bedeutet, weder ihn noch mich zu töten." Diese Aussage schien sie lustig zu finden, wenn nicht sogar lächerlich, denn sie schmunzelte. „Nun. Entweder-", sie machte eine Pause und straffte die Schultern „Entweder stirbt einer von euch, oder jemand anderes, mein Süßer." Sagte sie ruhig und musterte mich. So ein Mist...

Nun war ich gezwungen abzuwägen. Und schon schaltete sich mein Verstand ein. Zwei Leben gegen eins? Wenn man es so trocken betrachtete, schien die Antwort klar zu sein. Dennoch ging es hier um ein fremdes Leben. Mein Kopf ratterte unaufhörlich, wie das Laufband einer riesigen Fabrik auf dem eine Massenabfertigung stattfand. Immer mehr und mehr Gedanken schwirrten mir im Kopf herum und vernebelten meinen Verstand. „Töte jemanden, der wahrhaft Böse ist und es verdient, oder stirb.", Josés Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Sie hatte sich eine Jacke übergezogen, die zuvor noch über einer der Banken der Kirche hing, streifte noch meine Schulter und ging zum Ausgang. Michael folgte ihr, warf mir vorher jedoch noch ein triumphales Lächeln zu. „Irgendwann wird es dir nicht mehr so schwerfallen." Seine Worte liefen mir wie ein eiskalter Schauer den Rücken herunter und bei dem rauen Klang seiner Stimme stellte sich jedes einzelne Härchen auf meinem Körper auf. Das war keinesfalls noch mein Chef. So wenig ich ihn auch leiden konnte, so kalt und hart hätte seine Stimme nie klingen können. Sie ließen mich also alleine in der Kirche stehen. Nach einigen Minuten schaffte ich es, mich wieder zu fassen und machte mich ebenfalls auf dem Weg in meine Wohnung. Ich musste jemanden töten. Töten? Ich? Mir blieb nichts Anderes übrig, als diesen Gedanken krampfhaft herunterzuschlucken. Jedoch schien er mir wie ein harter, spitzer Stein im Hals stecken zu bleiben. Mein Körper bewegte sich kein Stück mehr und ich versuchte verzweifelt, trotz des Steines in meinem Hals noch zu atmen. Doch es wollte nicht funktionieren. Dann begann ich zu hyperventilieren. Luft! Ich brauchte Luft!

„Reiß dich zusammen, du Flasche.", viel Kraft hatte ich nicht in meiner Stimme. So ein Dreck. Es klang fast schon lächerlich. Doch ich musste mich einmischen, bevor dieser Kerl uns noch beide umbrachte, ohne irgendetwas getan zu haben.

Armaros! Er lebte also noch... Und wie auch immer hatte er es wohl geschafft mich zu erreichen. Der Stein in meinem Hals war verschwunden, die stechenden Schmerzen in meiner Brust vergangen. „Ich dachte du wärst-", ich wagte es nicht weiterzusprechen.

„Bin ich aber nicht.", antwortete ich ihm entnervt. Er war wirklich eine Heulsuse. Eine heulende Flasche. Innerlich musste ich bei dieser Vorstellung tatsächlich schmunzeln. Jedoch verschwand es schnell, als mich ein stechender Schmerz verstummen ließ. „Scheiße...", entglitt es mir und ich unterdrückte ein leises Knurren.

Ich zuckte zusammen. Verdammt, was war das? Meine Hand fuhr zu meiner Brust und krallte sich in mein Shirt. Färbte es nun auch schon auf mich ab, dass er so geschwächt war? Ich- Nein wir, mussten etwas tun. Und das besser gleich als später. Aber wie? Dann kam mir eine Idee. „Ich überlasse dir die Kontrolle.", presste ich hervor. Glauben, was ich da gerade sagte, konnte ich selbst nicht ganz. „Bitte tu, was du tun musst, ich will noch nicht sterben." Damit schloss ich meine Augen und versuchte ihm meine Gedanken zugänglich zu machen. Kurz darauf spürte ich bereits, wie sich mein Verstand in den Hintergrund verabschiedete. Es fühlte sich an, als würde ich in einer Warteschlange stehen. Zuerst stand ich ganz vorn und nun wurde ich wieder an das Ende der Schlange geschickt. Somit konnte ich nichts mehr tun, war aber trotzdem noch da. Und vor mir stand Armaros. In meinen Gedanken sah er aus wie ich. Der einzige Unterschied zwischen uns war wohl, dass er deutlich muskulöser war und die Haare ein wenig anders trug. Er schaute mir in die Augen und hatte sich zu mir gedreht. „Bist du dir sicher, Flasche?", fragte er. Hatte er gerade...Mitgefühl gezeigt? Eilig verbannte ich diesen Gedanken wieder, da er bereits wieder genervt schaute. „Ja...Dieses Mal bin ich mir sicher.", gab ich ihm als Antwort. Nun nickte er mir zu und drehte sich wieder um. Damit verwandelte sich sein Rücken wieder nur in einen von vielen in einer langen Warteschlange von Menschen. Und einem Dämon.

Im Schatten Der Vergangenheit (Ⅱ)  - Das BundWo Geschichten leben. Entdecke jetzt