Evin Archer
Als ich aufwachte spürte ich einen warmen Körper neben mir. Ich kuschelte mich enger an ihn und lauschte seinem gleichmäßigen Herzschlag. Müde lächelte ich.
Ich hatte es geschafft.
Ich hatte überlebt.Blinzelnd schlug ich meine Augen auf. Ich befand mich in einem kargen Krankenhauszimmer. Mühsam setzte ich mich auf. Jeder Muskel in meinem Körper schmerzte und unter dem Verbänden an meinen Armen und meiner Hand spürte ich noch immer die Brandmale. Sie würden mir immer erhalten bleiben und mich daran erinnern.
Aron lag neben mir in meinem Bett und schlief. Tiefe Sorgenfalten gruben sich in sein perfektes Gesicht.
Ich erwartete wieder das Unbehagen zu spüren, weil ich ihm so nah war, doch da war nur die wohlige Wärme in meinem Herz.Sein sonst nach hinten gegeeltes Haar fiel ihm nun unordentlich in die Stirn und ließ mein Herz für einen Moment stolpern.
Ich stand vom Bett auf und verließ mein Zimmer, bevor ich auf dumme Gedanken kam. Draußen erwartete mich schon ein Arzt: "Während des Abgriffes von Will Anders in Designergift in ihren Körper gelangt, das sie und ihn in zwei Wochen umbringen könnte und sie haben akuten Blutmangel. Denken sie jetzt ist der richtige Zeitpunkt für einen Spaziergang?"
"Ja", erwiederte ich und verließ das Krankenhaus durch die Hintertür. Ich spazierte einen sauber angelegten Pfad entlang, der durch eine kleine Baumgruppe führte. Büsche und bunte Blumen säumten den Sandweg.
Ich verließ den Weg und kämpfte mich durch Büsche und Geäst auf eine kleine Lichtung. Es war eine Klippe umgeben von Kiefern und Eichen. Efeu rankte sich die steile Felswand zu mir hinauf und unten plätscherte ein kleiner Bach.
Die atemberaubende Aussicht ließ mich alles um mich herum vergessen. Ein riesiger Wald erstreckte sich über die weite Landschaft. Am Rande konnte ich immer wieder verschiedene Felder und Farmhäuser erkennen. Wir befanden uns definitiv weit außerhalb von Berlin.
Das Unterholz knackte und ich hörte schwere Schritte auf mich zukommen. Ohne aufzublicken wusste ich, dass es Aron war. Er ließ sich neben mich in das Gras sinken.
"Wir haben nur noch zwei Wochen hat der Arzt gesagt", berichtete er mir.
Mit so einer Nachricht hatte ich schon gerechnet. Doch der Tod machte mir nicht sonderlich Angst mehr. Ich war ihm gerade entkommen und sollte diese vierzehn Tage wie ein Geschenk behandeln.
"Geh mit mir auf ein Date", sagte er und der flehende Unterton in seiner Stimme machte mir klar, wie wichtig ihm das Ganze war.
"Okay", flüsterte ich und lehnte meinen Kopf an seine Schulter. Es waren nur noch vierzehn Tage, die ich zu Leben hatte, also was hatte ich schon zu verlieren?
Aron drückte mir ein Kuss auf die Stirn und stand wieder auf: "Dann bringe ich dich jetzt erst einmal zu mir nach Hause und morgen Abend führe ich dich zum Essen aus."
Ich nickte und folgte ihm zurück zum Krankenhaus.
. . .
Zwei Stunden später saß ich in einem von Arons großen T-Shirts auf dem Sofa. Aron hatte sich neben mich gesetzt und suchte nach Möglichkeiten das Gegengift zu finden.
Es musste eines geben, da Will sich ja auch selbst vergiftet hatte. Nur wo es war wussten wir nicht.
"Wir wissen bereits, dass Will Elias und Lukas Mörder befehligt hatte. Vermutlich hatte ef noch weiteres Gefolge, wenn nicht sogar eine ganze Gruppierung. Wenn wir sie finden, sollten wir auch das Gegenmittel finden."
Zustimmend nickte ich und Aron fuhr fort: "Will war eine angesehende Person und wurde deswegen oft fotografiert. Besonders oft in diesem Viertel."
Er drehte den Laptop zu mir und zeigte auf einen Punkt der Karte. Wenn ich mich nicht irrte, war es ein Kriminelles Viertel.
"Also werde ich das untersuchen", sagte Aron und wollte aufstehen, doch ich drückte ihn zurück auf das Sofa.
"Wir werden das untersuchen. Keine Widerrede, sonst ist das Date gestrichen. Ich dusche kurz", sagte ich und ging mit einem T-Shirt von Aron in das Bad.
Ich zog mich aus und stellte mich unter den warmen Strahl, als ich eine Stimme vernahm: *Ein netter junger Mann, dieser Aron*Niemand befand sich im Bad.
"Wer- Was-", stammelte ich. *Kannst du mich hören Mädchen?*"Natürlich", antwortete ich verwirrt.
*Ich sollte mich wohl vorstellen. Mein Name ist Elizabeth Jones*Jetzt ergab es einen Sinn. Elizabeth Jones, die Seele, die in dem Venator eingesperrt war.
"Wieso kann ich dich hören", fragte ich verwirrt.
*Ich gehe davon aus, dass der Venator zerstört worden ist und seine Eigenschaften auf dich übertrage hat*"Heißt das du siehst alles was ich sehe?"
*Nur wenn ich will*"Aber du weißt nicht wo das Gegenmittel ist, oder?"
*Nein und ich bin müde. Ich hatte so lange niemanden zum Reden*Ich nickte und trocknete mich ab. Verdammte Scheiße! Jetzt lebten wohl zwei Seelen in meinem Körper. Damit klar zu kommen fiel mir ziemlich schwer.
. . .
Gemeinsam mit Aron spazierte ich die Straße entlang. Das Viertel war dreckig. Auf dem Boden lagen alte Mülltonne und Abfälle. Ich betrat eine dunkle Lagerhalle. Hier war Will des öfteren gesehen worden.
Es war staubig und roch nach altem Leder und Schießpulver. Die Halle schien eine leere Lagerhalle sein, die jedoch seit langem nicht mehr genutzt wurde. Durch einen Spalt im Blechdach fiel ein warmer Sonnenstrahl in die Halle.
Aron ließ es sich nicht nehmen mich zu stützen, auch wenn ich ihm versichert hatte, dass es mor gut ging.
Ich wandte mich zu einem großen Karton und öffnete ihn. Zischend sog ich die Luft ein.
In dem Karton befanden sich verschiedene Waffen und Munition. Alle sahen ziemlich neu und hochwertig aus.
Plötzlich wurde mir eine Waffe an den Hinterkopf gepresst. Ich hob meine Hände und drehte mich zu einer Gruppe Männer mit Waffen um. Aron stand vor ihnen gefesselt und geknebelt.
Sie zwangen mich auf die Knie. Der größte von ihnen trat nach vorne und musterte mich: "Du hättest nicht herkommen dürfen. Das wird dich und deinen Freund das Leben kosten."
Er entsicherte die Waffe in seinen Händen.
Auf einmal vernahm ich eine dunkle Stimme in meinem Kopf.
*Sprich mir nach: Vivo pro viribus, virtus et anima pro secundo casu*Wills Stimme klang in meinem Kopf noch nach und es widerstrebte mir, Befehle von ihm anzunehmen, aber mir blieb wohl keine Wahl.
"Vivo pro viribus, virtus et anima pro secundo casu", wiederholte ich seine Worte.
Augenblicklich senkten alle ihre Waffen.
*Stehe auf. Gerade Haltung. Und sprich mir wieder nach: Leopold Angelino Renè, Zain Jackson Winson und Leon Giolli. Ich, Grey Queen, werde die Nachfolge des kürzlich verstorbenen Will Anders antreten. Wer Einspruch erheben möchte tut dies nun*
Ich befolgte seine Einweisungen. Sobald ich das letzte Wort gesprochen hatte, fiel der erste von ihnen auf ein Knie und neigte ehrfürchtig den Kopf. Nach und nach folgten ihm weitere.
*Kündige ein Treffen Morgen im Hauptquartier an*
"Wir werden Morgen um einundzwanzig Uhr alles weitere im Hauptquartier besprechen, richtet es auch den anderen aus. Und nun geht", wies ich an.
Die Männer verschwanden ohne ein weiteres Wort in der Dunkelheit.
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Projekt: Expiravit
FantasyUrban Fantasy//Action//Romance Nach der kaltblütigen Ermordung ihrer Familie will Evin Archer Rache. Um diese zu bekommen, verbündet sie sich mit Aron Monment . Doch Aron bemerkt schnell, dass hinter Evin mehr steckt, als sie zugeben möchte und ist...