Evin Archer
Der Wind zerrte an meiner Lederkutte, als ich in Höchstgeschwindigkeit über die Landstraße fuhr.
Immer wieder blitzten Bilder von meiner toten Familie auf. Blut. So viel Blut. Johanns leere Augen starrten mich an. Ich schüttelte meinen Kopf, um die lästigen Erinnerungsfetzen los zu werden.
Die Archers waren zwar nicht meine leibliche Familie, doch sie waren das, was einer Familie am nächsten kam. Jeder von ihnen flüchtete vor irgendetwas. Bei Henry und Sonja war es der gewaltätige Vater gewesen, Christian wurde des Mordes beschuldigt, Michelle sollte Zwangsverheiratet werden, Johann kam aus einem Waisenhaus und Gabriel... über den wussten wir so gut wie gar nichts.
Ich wurde im Alter von etwa zwei Wochen im Wald ausgesetzt und von Gabriel gefunden.
Gemeinsam brachten Gabriel und Christian uns Kämpfen und Schießen bei und kümmerten sich um uns. Aber jetzt war alles aus und ihr Mörder war niemand geringeres als Finn Archer, mein Freund. Ex-Freund.
Tränen rannen mir über die Wangen und meine Sicht verschwamm. Wie hatte ich mich nur so in ihm täuschen können?
Der Schmerz brannte sich tief in meine Seele. Der Verrat würde Spuren hinterlassen, dass wusste ich.Quietschend kam das Motorrad von einem ländlichem Farmhaus zum stehen. Der Tank war fast leer und die Sonne verschwand hinter dem Horizont.
Es war eine große Blockhütte, die von Feldern umgeben war. Aus dem Schornstein quoll dichter Rauch und vermischte sich mit den zarten Wolken am Himmel. Auf einer Wiese hinter dem Haus grasten einige Kühe gelangweilt.Ich stieg ab und klopfte kurze Zeit später an die Eichenholztür. Ich hörte wie sich Schritte der Tür näherten. Dann wurde sie aufgerissen: "Wer sind sie?"
Ein breiter Mann mit hellem braunem Haar und caramellbraunen Augen musterte mich misstrauisch. Das weiße Hemd spannte über seiner muskulösen Brust und die Bartstopel an seinem Kinn betonten seine scharfen Gesichtszüge."Eve Alexandro. Ich möchte meinen Großvater in Berlin besuchen. Dafür benötige ich Unterschlupf und Verpflegung."
Berlin sollte tatsächlich mein neues Ziel sein. Finn hatte in meiner Kindheit oft von seinem strengen Vater erzählt, der in Berlin wohnte.
Falls er mich aber suchen sollte, wäre es nicht klug jemanden meinen echten Namen zu nennen."Und warum sollte ich Ihnen helfen", fragte der Bauer mich skeptisch.
"Da sie es vermutlich nicht aus Nächstenliebe tun werden, werde ich gut zahlen. Sie bieten mir einen Unterschlupf, Treibstoff und Essen bis ich nach Berlin aufbreche und ich gebe ihnen vierhundert Euro."Der Mann überlegte einen Moment angestrengt: "fünfhundert Euro und ich fahre sie persönlich nach Berlin. Ich muss dort sowieso für ein Wochenende hin."
Offiziell gehörte das Geld zwar den Archers, aber nun war ich die einzige rechtmäßige Erbin, also war es wohl mein Eigentum. Ich nickte.
Der Mann reichte mir die Hand: "Julien Kammon."Mit meinen Taschen folgte ich Julien in das Haus. Der Geruch von frischem Brot und Kartoffelsuppe begrüßte mich. Die Stube war klein und gemütlich und in ihrer Mitte stand ein runder Tisch, an dem ein älteres Paar und junges Mädchen saßen. Kammon stellte mich ihnen vor: "Eve, das ist meine Mutter Petunia Kammon, mein Vater Lukas Kammon und meine kleine Schwester Luisa Kammon."
Fragend sahen die drei mich an.
"Ich suche nur für kurze Zeit einen Unterschlupf", erklärte ich.Julien forderte mich auf sich neben sie zu setzten und befüllte einen weiteren Teller mit Suppe und Brot. Ich aß schweigend, bis Petunia anfing zu reden: "Eve, wie alt bist du?"
"21 Jahre", antwortete ich wahrheitsgemäß.
"Arbeitest du, oder studierst du noch."
Ich versuchte so nahe wie möglich an der Wahrheit zu bleiben: "Ich arbeite als Jägerin, mein Vater hat es mir beigebracht."
Bei dem Gedanken an Gabriel und Christian zog sich mein Herz zusammen.
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Projekt: Expiravit
FantasiUrban Fantasy//Action//Romance Nach der kaltblütigen Ermordung ihrer Familie will Evin Archer Rache. Um diese zu bekommen, verbündet sie sich mit Aron Monment . Doch Aron bemerkt schnell, dass hinter Evin mehr steckt, als sie zugeben möchte und ist...