Kapitel 11 - Brandmal

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Evin Archer

Ich öffnete die Tür zu einem Labor. Der Raum war weiß gestrichen und in der Mitte standen mehrere Tische mit verschiedenen Chemikalien und Materialien.

Aus dem Augenwinkel sah ich eine Bewegung und drehte mich ruckartig herum, doch da war es bereits zu spät. Mit einem dumpfen Aufprall wurde es schwarz vor meinen Augen.

. . .

Als ich aufwachte kniete ich auf dem kühlen Fliesenboden des Labors. Meine Hände waren mit dicken Kabelbinder an einem der hohen Schränke hinter mir gefesselt.
Vor mir stand ein älterer Herr in einem Laborkittel. Seine braunen Augen sahen mich verächtlich an: "Angon Junior."

Ohne auf das Namensschild zu schauen wusste ich, wen ich vor mir hatte. Will Anders. Ich starrte ihn finster an: "Du niederträchtiger Mörder! Hinterhältiges Arschloch! Du hast es nicht verdient zu leben!"

Er war der jenige, der Finn den Befehl zur Ermordung meiner Familie gegeben hatte, dessen war ich mir sicher, als ich in seine eiskalten braunen Augen sah.

"Anscheinend hast du eins und eins zusammen gezählt. Bravo Angon! Aber nun genug des Guten, wo ist der Venator?"
Zum Ende hin wurde er immer lauter.

"Dir sage ich gar nichts, Bastard", zischte ich wütend und spuckte ihm ins Gesicht.

"Du hast es nicht anders gewollt", sagte er und griff zu seiner Linken in einen Metalleimer. Erst als er eine rot glühende Zange heraus zog, begriff ich, was sich in dem Eimer befand. Es waren rot und orange glühene Kohlen.

Ohne weitere Worte presste Will das Metall auf die Haut an meinem Unterarm.
Zischend sog ich die Luft ein und unterdrückte einen lauten Aufschrei. Das Metall brannte auf meiner Haut.

Er ließ wieder von mir ab und fragte mich noch einmal: "Wo ist der Venator?"
Dieses Mal schaffte ich kein Wort heraus zu bringen und schüttelte nur den Kopf. Er drückte das Metall auf meinen Oberarm und ich biss mir auf die Lippe bis ich Blut schmeckte um nicht zu Schreien.

Wenn Aron hier rein kam, erging es ihm auch nicht besser als mir und irgendwie hatte ich den unheimlichen Kerl lieb gewonnen. Seit der Nacht die wir mit einander verbracht hatten, sah ich ihn aus einem ganz anderen Licht.

Meine Gedanken wurden von Wills Gebrüll unterbrochen: "Wo ist er?"
Wie in Trance schüttelte ich wieder den Kopf und spürte das Metall dieses Mal auf meiner Hand.
Der Schmerz, der mich durchzuckte war unerträglich. Tränen schossen mir in die Augen, doch ich blinzelte sie wieder weg. Meine ganze Haut brannte unaufhörlich und mein Kopf hämmerte von den Schmerzen.

Die Wut und der Schmerz vermischten sich und wurden zu einem Sumpf der mich verschluckte. Ich konnte nicht mehr.
Das nächste Mal als das brennende Metall meind Haut traf spürte ich nichts. Gar nichts mehr. Ich starrte auf meinen Oberarm, der sich rot verfärbte, doch ich spürte immer noch nichts. Nur diese befreiende Stille.

Schwarze Punkte tanzten vor meinen Augen und meine Sicht verschwamm, als er plötzlich von mir abließ.

Meine Sicht wurde wieder klarer und ich erkannte den Grund für die Pause. Im Gang zum Labor stand ein Mann, der Aron ein Messer an die Kehle hielt: "Sir, den habe ich in einem der Flure gefunden."

Auf Wills Gesicht breitete sich ein Grinsen aus: "Das ist gut. Das Mädchen will nicht reden."

Dann drehte er sich zu mir um und hielt Aron eine Pistole an den Kopf: "Sag endlich wo der Venator ist, oder dein Freund stirbt."

Ich sah Aron an. Auch wenn ich es nicht zugeben wollte, war er mir in den letzten Tagen ans Herz gewachsen. Er war da gewesen. Ich konnte ihn nicht sterben lassen. Er war unschuldig und hatte nichts mit der ganzen Sache zu tun.

"Sie weiß ni-", versuchte Aron mich zu verteidigen, doch da stopfte Will ihm einen Knebel in den Mund.
Ich atmete tief durch: "Gut, aber lass ihn aus dem Spiel."

Will nickte dem Mann zu und dieser fesselte Aron an einen Stuhl, dann sagte Will an mich gewandt: "Ich werde ihn gehen lassen und ich halte mich an mein Wort."

In seinen Augen konnte ich die Ehrlichkeit dieser Worte sehen. Er meinte es ernst. Ich wusste das ich nun mit großer Wahrscheinlichkeit sterben würde: "In meinem Oberarm ist er."

Will besah sich meinen Arm und nickte zufrieden: "Du wirst das nicht überleben."
Ich nickte. Davon wusste ich bereits.

Ein Poltern erweckte meine Aufmerksamkeit. Der geknebelte Aron schmiss sich in seinen Fesseln hin und her, seine Augen vor Angst geweitet.

Da fiel mir ein, was ich noch tuen musste, bevor ich mich meinem Schicksal ergab. Ich sah zu ihm und sagte: "Evin, Evin Archer ist mein Name."

Dann löste Will meine Fesseln und spritzte mir das Betäubungsmittel, als ich auf einer türkisen Liege Platz genommen hatte. Langsam empfing mich die Bewusstlosigkeit.

. . .

Vor mir stand eine alte Frau. Ihr Rücken war krumm und die Knochen stachen stark hervor. Ihre eingefallnen Wangen waren viel zu hell und unter ihren Augen lagen tiefe Schatten.

Sie trug einen braunen Ledermantel und eine rote Hose mit weißen Stiefeln. Unter einer roten Pudelmütze versteckte sie die letzten Büschel ihres weißen Haars.

"Wer sind sie", fragte ich unsicher.
Die Frau riss die Augen auf und schrie. Ich taumelte geschockt einige Schritte zurück.

" Du kannst mich hören", rief sie nun hysterisch.
Ich zuckte mit den Schultern: "Offensichtlich."

Von einem Moment auf den anderen war sie verschwunden.

"Oder auch nicht", murmelte ich und sah stumm in die Leere.

Projekt: ExpiravitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt