Kapitel 3

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Ich war mir immer noch sicher, dass mich meine Entdeckung über kurz oder lang verrückt werden lassen würde. Vielleicht war ich auch schon längst verrückt. Welches siebzehnjährige Mädchen nahm schließlich von sich selbst an, Geister sehen zu können?

Eben.

Allerdings hatte ich ein äußerst überzeugendes Argument an meiner Seite, das mich davon überzeugte, nicht seit vorgestern im Fiebertraum zu darben. Thomas wich nicht von meiner Seite. Nicht einen Millimeter. Kurz nachdem ich vorgestern zuhause angekommen war, war er ebenfalls dort aufgetaucht. Er spazierte einfach aus dem Nichts in mein Zimmer und schaute sich um. Ein Körper aus dichtem silbrigen Nebel, der mitten in meinem Zimmer schwebte.

Die dunkelblau gestrichene Wand hinter meinem Bett hatte er als „mutig" bezeichnet, das aus blauen Handabdrücken geformte Herz auf der gegenüberliegenden Wand als „charmant". Was eine sehr höfliche Umschreibung war. Tabitha und ich hatten dieses Herz kurz nach meinem zehnten Geburtstag geformt und damals beide noch keinen Sinn für Proportionen besessen.

„April?" Meine Mutter klopfte an die Zimmertür.

Ich schoss von meinem Bett hoch, in dem ich Thomas beim Fernsehen schauen beobachtet hatte und sprang zu meinem Schreibtischstuhl. „Ja?", fragte ich, während ich hastig meine Deutschhausaufgabe zu mir heranzog.

Meine Mutter streckte ihren Kopf durch die Tür. „Ach, du machst gerade Hausaufgaben." Sie trat ein. „Dann stört es dich bestimmt nicht, wenn ich hereinkomme, oder? Je mehr Ablenkung, desto besser." Sie lachte. Thomas stand auf und deutete eine Verbeugung an. Natürlich bemerkte sie ihn nicht. Niemand außer mir tat das.

„Sehr witzig." Ich schwang mit meinem Schreibtischstuhl zu ihr herum. Meine Mutter war eine hübsche Frau. Sie hatte braune Augen und braunes Haar, wie wir alle, aber irgendwie wirkte diese langweilige Kombination bei ihr wie der Inbegriff von Eleganz. „Was gibt's denn?"

Sie ließ sich auf mein Bett sinken. Nachdenklich faltete sie ihre Hände. „Ich frage mich, ob alles in Ordnung bei dir ist."

„Sicher", antwortete ich schnell. „Wieso fragst du?"

„Nach dieser Spinnensache vorgestern Abend kommst du mir ein bisschen seltsam vor."

„Dieser Spinnensache?"

„Du hast alle halbe Stunde Schreie von dir gegeben. Ich wusste gar nicht, dass du Spinnen so sehr verabscheust. Eine Phobie ist eine ernst zu nehmende Krankheit."

„Tut mir leid", meldete sich Thomas zu Wort. „Woher hätte ich denn auch wissen sollen, dass ich ihre erste Beschwörung war und sie sich jedes Mal zu Tode erschreckt, wenn sie sich umdreht und mich sieht?"

‚Nicht hilfreich', formte ich mit den Lippen in seine Richtung, während ich für meine Mutter gleichzeitig ein strahlendes Lächeln aufsetzte. „Ich habe keine Spinnenphobie. Es war einfach nur sehr ekelig. Ich hoffe, keine Spinne kommt jemals wieder auf die Idee ihre Eier an meinem Schulrucksack abzulegen." Ich hatte ihr eine - zugegeben - sehr abstruse Geschichte von schlüpfenden Spinnen aufgetischt, die überall durch mein Zimmer krabbelten. „Könnten wir vielleicht das Thema wechseln? Ich möchte gar nicht daran denken, dass hier noch irgendwo welche sein könnten."

Mama musterte mich aufmerksam. „Was ist mit dem Geschimpfe, das gestern aus deinem Zimmer drang?"

Ah, das Geschimpfe... Irgendwie hatte ich Thomas eben klar machen müssen, dass mein Zimmer für ihn als männlichen Geist zu bestimmten Zeiten tabu war. Ebenso wie das Badezimmer.

„Tabitha will sich ein Tattoo stechen lassen. Kannst du das fassen? Ihre wunderschöne, milchweiße Haut verunstaltet von einer schwarzen Fledermaus." Ich fasste mir an den Kopf. Wie war ich jetzt gerade auf eine Fledermaus gekommen? „Ich war sehr darum bemüht, es ihr auszureden."

Spuk im KellerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt