Kapitel 54

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Die Eingangshalle der Liga war wie leer gefegt, als wir dort ankamen. Thomas schwebte neugierig im Raum umher, Nina starrte ins Nichts. Wahrscheinlich bereitete sie sich mental darauf vor, meiner Mutter unter die Augen zu treten. Daran tat sie gut. Mit meiner Mutter war nicht zu spaßen, wenn es um die Gesundheit ihrer Kinder ging. Ich erinnerte mich noch sehr lebhaft an ihren Ausbruch nach meinem Fahrradunfall.

Müde lehnte ich mich an die Wand neben der Treppenhaustür. Sobald ich meinen Kopf bewegte, tat mein Hals weh. Kehlkopfquetschung. Von dieser Erkrankung hatte ich noch nie gehört. Hätte ich auch gut darauf verzichten können.

Lautlos seufzend massierte ich meinen brummenden Schädel. Mein Plan mit Geist 2 war absolut nach hinten losgegangen. Ich hatte gedacht, ihn zum Übertreten bringen zu können, indem ich ihn mit seiner Vergangenheit konfrontierte. Stattdessen hatte ich ihn dermaßen wütend gemacht, dass er mich beinahe erwürgte. Großartig von mir ausgeführt. Einfach großartig.

Das Quietschen einer Tür ließ mich aufsehen. Elaine betrat die Eingangshalle von der Stirnseite her. Zu meinem Schreck hatte sie ausgerechnet Jonathan im Schlepptau. Sie durchquerten den Raum ohne uns wahrzunehmen.

„Ich schaue schnell nach, ob ich das Genehmigungsformular finde", zwitscherte Elaine. „Warte hier, ich bin sofort zurück." Sie verschwand durch die kleine Tür hinter ihrem Tresen. Jonathan tippte ungeduldig auf die Holzplatte und sah sich um. Als er mich dabei bemerkte, drehte er seinen Kopf demonstrativ in die andere Richtung.

Störrisch verschränkte ich meine Arme. Er wollte mich ignorieren? Gut. Ich würde es ganz genauso halten. Angestrengt schaute ich zu Thomas hinüber. Er musterte gerade das neben der Eingangstür hängende Thermometer. Nebeltropfen sprühten von ihm herab auf den Dielenboden. Dieses Thermometer war mir bislang noch gar nicht aufgefallen.

Die Treppenhaustür zum Obergeschoss klapperte. Michael trat daraus hervor. Da wir nur ungefähr zwei Meter von ihm entfernt standen, entdeckte er uns sofort.

„Ah, da seid ihr." Er hielt mir einen kleinen Zettel hin. „Die Krankschreibung dafür, dass du deine Stimme nicht benutzen kannst. Nicht wundern, ich habe als Grund Kehlkopfentzündung aufgeschrieben statt Kehlkopfquetschung. Ich dachte mir, Ersteres ließe sich leichter erklären."

„Oh gut", meinte Nina begeistert. „Kann man Kehlkopfentzündungen nicht auch bei Erkältungen bekommen?"

„Das kann in Zusammenhang miteinander stehen." Er schaute mich an. „Wenn dich jemand fragen sollte, dann sag, dass es sich um eine virale Infektion handelt und du daher kein Antibiotikum benötigst."

Ich nickte.

„Alles klar? Sonst noch irgendwelche Fragen?"

„Ich denke nicht", antwortete Nina. Ich schüttelte zustimmend den Kopf.

„Gut." Er hob seinen Zeigfinger in meine Richtung. „Schön still sein, April, ja?"

Ich verdrehte meine Augen. Lachend klopfte er mir auf die Schulter. „Wir sehen uns Montag." Er nickte Nina zu. „Wir begegnen uns bestimmt die Tage im Hexarium. Bis dann."

„Bis dann. Und danke, Michael."

„Dafür nicht. Wie gesagt, ich werde für meine medizinischen Dienste im Auftrag der Liga bezahlt." Mit einem Zwinkern kehrte er in das Treppenhaus zurück.

Ich stieß mich von der Wand ab, in der Absicht, das Gebäude zu verlassen, allerdings machte Jonathan mir einen Strich durch die Rechnung. Er musste sich während Michaels Anwesenheit unbemerkt an mich herangeschlichen haben, denn er stand plötzlich direkt vor mir. Ein paar Haarsträhnen waren seinem obligatorischen Knoten entkommen und umrahmten seine Wangen. Auf eine unordentliche Weise sah er süß aus.

Spuk im KellerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt