Kapitel 46

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Verlegen zwang ich mich in die Höhe.

Maira kam mit klappernden Absätzen auf mich zu. „Um diese junge Dame geht es heute: April Fischer, 17 Jahre, Schülerin. Wie sich einige von euch vielleicht aufgrund der Ähnlichkeit denken können, handelt es sich um eine Verwandte unserer lieben Nina Roth. Danke, dass du sie in unsere Mitte gebracht hast." Sie winkte Nina zu, die strahlend lächelte.

Ich verspürte meiner Tante gegenüber gerade keinerlei Dankbarkeit dafür, mich in die Mitte der Liga gebracht zu haben. Meine Ohren brannten. Ich spürte die Augen sämtlicher Anwesenden auf mir.

„Ich denke, das ist ein Anlass zum Klatschen", fuhr Maira fort. „Bitte tut euch keinen Zwang an, eure gerechtfertigte Freude über unser neues Mitglied auszudrücken." Sofort verlegten sich alle darauf, kräftig zu klatschen. Meine brennenden Ohren waren nicht mehr weit davon entfernt, meine Haare abzufackeln.

Maira wandte sich mir vergnügt lächelnd zu. Wahrscheinlich könnte sie die Ligamitglieder mit einem einzigen Wort dazu bringen, mir wie Gott zu huldigen. Sie besaß eine unglaubliche Autorität. Und die ganze Aufmerksamkeit schien ihr auch überhaupt nichts auszumachen. Beeindruckend.

„Danke, April. Du kannst dich wieder setzen." Ich sank auf meinen Stuhl zurück, wie eine Marionette, der man die Fäden durchgeschnitten hatte. „Herr Kopenau, wären Sie dann so nett, ein paar Worte über April Fischer zu sagen?"

„Natürlich." Herr Kopenau stand auf und trat an das Pult ein paar Meter vor mir. Das hatte Maira mit der schlechten Sicht gemeint. Man sah immer nur den Rücken der Redner.

Maira setzte sich neben mich. „Bisher läuft alles super", flüsterte sie mir zu. „Du machst das toll."

„Danke", brachte ich hervor. „Sie aber auch."

Grinsend schlug sie ihre langen Beine übereinander. Vor uns zog Herr Kopenau mit einem Räuspern einen Zettel aus der Innentasche seines Anzugs - zumindest vermutete ich, dass es die Innentasche war, sehen konnte ich es ja nicht - und begann zu sprechen. „Ich begrüße alle versammelten Magiebegabten. Einen besonderen Gruß richte ich heute jedoch an unser neuestes Mitglied April Fischer." Er stellte irgendetwas mit seinem Redenzettel an, das ich nicht genau erkennen konnte. „Frau Fischer begegnete mir das erste Mal vor rund einem Monat. Es handelte sich um das übliche Erstgespräch. Ich lotete die Umstände der Entdeckung ihrer Magie aus, die in diesem Fall tatsächlich recht ungewöhnlich waren. Ich will die Geschichte gar nicht weiter ausführen, nur so viel: beteiligt waren ein magischer Fahrstuhl, ein geheimer Keller und ein Übungsobjekt ihrer Tante."

Ich warf einen dezenten Blick zu Thomas. Als Übungsobjekt bezeichnet zu werden, gefiel ihm offensichtlich gar nicht. Im Gegensatz zum Rest der neugierigen Mitglieder lachte er nicht.

„Es stellte sich heraus, dass Frau Fischer hochgradig magisch veranlagt ist. Mit ihrer Mentorin Margarete Schulz erforscht und trainiert sie nun ihre Telekinesefähigkeiten." Herr Kopenau stützte seine Hände auf das Pult. „Es freut mich sehr, Frau Fischer heute offiziell in unseren Kreis aufnehmen zu dürfen. Ich bin mir sicher, sie wird mit ihrer Gabe ein großer Gewinn für uns sein. Sie hat bereits in der kurzen Zeit, die ich sie kenne, frischen Wind in unsere Liga gebracht. Das ist eine Beigabe von neuen Mitgliedern, die nicht zu verachten ist. Frischer Wind führt nicht nur zum Überdenken, sondern auch zum Umdenken. Er führt zu Fluktuation in unserer Gesellschaft. Er fordert uns auf, nicht länger auf einer Stelle zu stagnieren, sondern Reaktion zu zeigen. Reaktion oder sogar Aktion!" Er nickte energisch. „Stagnation und Alltagstrott führen zu Rost im Getriebe. Eine solche Gesellschaft kann auf Dauer nicht überleben. Nein, sie muss dem Fortschritt folgen. Und damit wir diesen Fortschritt gehen können, brauchen wir junge Leute mit innovativen Ideen, Leute, die uns dazu bringen, den Fluss des Lebens wieder aktiv zu gestalten." Er sah auf seinen Zettel hinab.

Spuk im KellerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt