Kapitel 25

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Vor meiner nächsten Telekinesestunde am Dienstag bombardierte mich Tabitha mit aufmunternden Smileys. Am vergangenen Freitag hatten wir eingehend darüber diskutiert, ob Jonathans Verhalten tatsächlich auf eventuellen Ängsten beruhen könnte. Als Tochter eines Allgemeinmediziners und einer Psychiaterin war sie in diesen Dingen die perfekte Ansprechpartnerin. Mikes Theorie hatte sie vorbehaltlos unterstützt.

Trotz ihres guten Zuredens verließ ich den Bus jedoch mit weichen Beinen. Ich hatte keine Ahnung, was mich erwarten würde. Da war ein bisschen Nervosität wohl verständlich.

Als ich die Eingangshalle betrat, flog Elaine auf mich zu. Kaum sah ich ihr mütterliches Lächeln, beruhigten sich meine angespannten Nerven.

„April, Liebes, ich soll dir von Herrn Kopenau ausrichten, dass er dich nach deinem Unterricht kurz sprechen möchte."

Schlagartig spannten sich meine Nerven wieder an. „Was will er denn von mir?"

„Ich weiß nur, dass er ein paar Worte mit dir über deine Gabe wechseln will. Mach dir keine Sorgen, es ist bestimmt nichts Schlimmes. Wenn es schlimm wäre, hätte er dich vor dem Unterricht zu sich zitiert."

Das enthielt eine gewisse Logik. Ich seufzte schwer. „Gut, danke. Dann werde ich mich später besser zu ihm begeben."

„Wunderbar." Elaine drehte sich zu ihrem Tresen um, hielt dann aber doch noch einmal inne. „Jetzt hätte ich es beinahe vergessen. Manchmal ist mein Gehirn das reinste Sieb." Sie schmunzelte mitreißend. Ich spürte, wie sich meine Mundwinkel als Echo darauf ebenfalls krümmten. „Bestimmt hat dir noch keiner von deinem Aufnahmeritual erzählt."

Mein Lächeln verblasste. „Es gibt ein Aufnahmeritual?!" Prompt sah ich mich durch Pfeilhagel hetzen und über meterweite Krater springen, wie es in Filmen bei Aufnahmeritualen in Geheimorganisationen der Fall war. Wurde verlangt, dass ich mich irgendwie mit Telekinese schützte? Himmel. Ich konnte eine Spiralfeder einen Millimeter bewegen, aber ich würde niemals Pfeile abwehren können.

„Eigentlich kann man es kaum als Aufnahmeritual bezeichnen. Es wird eine Versammlung abgehalten, in der du den anderen Mitgliedern vorgestellt wirst. Eine absolut unspektakuläre Angelegenheit", versicherte sie mir. „Es dient nur dazu, dein Gesicht bekannt zu machen, damit sich nicht irgendein Ligamitglied noch mal wundert, welches fremde Mädchen neuerdings ständig über unsere Flure schleicht." Sie lachte. Ich nicht. Zumindest gab ich mir alle Mühe, es nicht zu tun. „Mach dir keine Gedanken. Du musst keinen Ton sagen außer vielleicht ein freundliches Danke. Ich habe überhaupt keine Bedenken, dass du das hinbekommen wirst. Außerdem liegt es noch in weiter Ferne. Bis ich dein Ritual in unserem vollen Versammlungskalender untergebracht habe, werden Wochen ins Land gezogen sein."

„Aha." Vor meinem inneren Auge stieg das Bild einer schafottähnlichen Bühne auf. Mit mir mitten darauf. „Ich bin kein Fan von Großveranstaltungen", gestand ich wenig begeistert.

„Das ist auch keine Großveranstaltung. Nur die Mitglieder der Liga."

„Die paar hundert Mitglieder der Liga", ergänzte ich trocken.

Elaine machte eine abwehrende Handbewegung. „Liebes, du machst dir ein viel zu großes Bild von uns! Wir sind 53. Ein kleiner Kreis. Du wirst uns kaum bemerken."

„Daran habe ich irgendwie meine Zweifel." Resigniert zuckte ich meine Schultern. „Na gut, wenn du sagst, dass ich nichts außer Danke sagen muss, werde ich das wohl schaffen. Und jetzt sollte ich mich auf den Weg machen. Jonathan ist einer dieser furchtbar pünktlichen Menschen. Ich will ihn nicht verärgern, indem ich ihn zehn Minuten warten lasse."

„Dann lauf schnell los", riet sie mir freundlich. „Viel Spaß."

„Den werde ich bestimmt nicht haben", murmelte ich, während ich durch die Eingangshalle huschte.

Spuk im KellerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt