Kapitel 7.

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Der nächste Morgen brach an, und Richard war der Erste von beiden, der erwachte. Sonnenstrahlen kitzelten sein Gesicht und weckten ihn behutsam aus dem Schlaf. Langsam richtete er sich auf und versuchte, sich daran zu erinnern, was gestern eigentlich passiert war. Ein Lächeln stahl sich auf sein Gesicht, als die Erinnerungen zurückkehrten und er musste sich erst einmal in den Arm kneifen um zu checken, ob er gerade nicht doch träumte. Am liebsten würde er diesen Moment noch einmal durchleben. 

Jedes Gefühl, jeden Satz und jede Bewegung von gestern erinnerte er sich. Die Ereignisse waren wie ein unvergessliches Erlebnis in seinem Gedächtnis eingraviert. Doch plötzlich überkam ihn eine Welle der Panik und Angst. In diesem Moment türmten sich Unsicherheiten in seinem Geist auf. Wie würde Paul jetzt reagieren, wenn er auf wachen würde? Würde sich ihre Beziehung in Zukunft verändern, vielleicht auf eine seltsame Weise? Fragen kreisten in seinem Kopf, auf die es keine Antwort geben würde. Was empfand Paul für ihn, und wie würde sich dies auf ihre Verbindung auswirken? Die Unsicherheit über die kommenden Entwicklungen lastete schwer auf Richard, während er die Unsicherheiten dieser neuen Phase in ihrer Beziehung durchdachte.

Nach den Ereignissen des gestrigen Tages konnte Richard nicht länger leugnen, dass sich seine Sicht auf Paul verändert hatte. Die Dynamik zwischen ihnen war nicht mehr nur die eines besten Freundes. In ihm war etwas erwacht, was anscheinend schon immer da war. Ein Gefühl, das ihn gleichermaßen zum glücklichsten und traurigsten Menschen auf der Welt machte. Die Erkenntnis machte ihn glücklich, aber zugleich überkam ihn Trauer darüber, dass Paul möglicherweise nicht dasselbe empfand. 

Alles, was gestern geschehen war, schien nur dazu gedient zu haben, herauszufinden, ob er wirklich hetero war, und er hatte Richard nur gefragt, weil er sein bester Freund war. Außerdem hatte er dem Größeren gestern ja mittgeteilt, das er sich in eine andere Person verliebt hatte.

Ein trauriges und etwas zu lautes lautes Seufzen entfuhr Richard, welches Paul aus seinem Schlaf riss.

Lächelnd sah Richard auf seinen verschlafenen Freund herab, der sich in seine Richtung drehte, langsam die Augen öffnete und sich tiefer in die dicke Decke kuschelte. "Morgen", murmelte er leicht und rückte vorsichtig näher, um seinen Kopf auf Richards nackten Oberschenkel zu legen.

"Morgen", erwiderte Richard und legte sich wieder hin, zog Paul sanft an sich, sodass dessen Kopf nun auf seiner Brust ruhte. Seinen Arm hatte er behutsam um den Kleineren gelegt. Aufmerksam lauschte Paul dem rhythmischen Herzschlag von Richard. Es wirkte beruhigend auf ihn und ließ auch seinen Herzschlag langsam ruhiger werden. Die vergangene Nacht war für ihn wunderschön gewesen, auch wenn nun alles schmerzte, vor allem seine hintere Region. Dennoch huschte ein Lächeln auf sein Gesicht, wenn er daran zurückdachte. Alles war perfekt gewesen, Richard war perfekt gewesen.

Dennoch gestand er sich ein, dass er Richard mehr mochte, als es angemessen war. Richard war sein bester Freund und Bandkollege, sie hatten schon so viel gemeinsam durchlebt. Paul spürte, wie sein Herz schneller schlug, wenn er genauer über Richard nachdachte. Er wünschte sich, dass der gestrige Moment für immer angehalten hätte.

Doch das wäre nicht möglich gewesen.

"Wann müssen wir eigentlich wieder ins Studio für das neue Album?", erkundigte sich plötzlich Paul. Richard musste kurz nachdenken, bevor ihm die Antwort einfiel. "Ich glaube, morgen. Aber das sollte alles in meinem Kalender stehen. Ich schaue später nach, ich will jetzt noch nicht aufstehen", sagte er und kuschelte sich noch tiefer in die Kissen.

Ein Kichern entwich Paul. "Du alter Faulpelz. Ich will ja auch noch nicht aufstehen, aber irgendwas müssen wir heute machen oder unternehmen, sonst vergammeln wir noch in diesem Bett." "Hey, was hast du gegen mein Bett?" Richard unterdrückte den Kommentar, der ihm auf der Zunge lag: 'Gestern hat es dir noch gefallen'. "Nichts, es ist verdammt bequem, aber genau das ist das Problem. Was hältst du davon, wenn du mir erst einmal zeigst, wie die Kaffeemaschine funktioniert, und wir dann mal schauen, was wir so machen können?"

Grummelnd stimmte Richard Pauls Vorschlag zu und hievte sich aus dem Bett. Sofort bereute Paul seinen Vorschlag ein wenig, denn er vermisste Richard's warmen Körper und das Gefühl von dessen nackter Haut. Aber es war nicht nur das. Er sehnte sich nach den warmen, großen Händen auf seiner erhitzten Haut, den sanften Küssen auf seinem Hals, dem festen Griff an seiner Hüfte und vor allem dem Gefühl, sich so beschützt und sicher zu fühlen. Glücklicherweise bemerkte Richard nichts von Pauls Gedanken; er war zu sehr damit beschäftigt, ein Outfit für den Tag auszuwählen.

Richard entschied sich für eine schwarze Boxer, eine ebenso schwarze Jogginghose und ein weißes T-Shirt, das seine Muskeln betonte. Innerlich freute er sich bereits auf den warmen Kaffee und seine erste Zigarette.

Er drehte sich zu Paul um und bemerkte, dass dieser ihn "heimlich" beobachtete, woraufhin er schmunzeln musste. "Kommst du? Oder willst du weiterhin starren", fragte er. Paul sah wirklich zu niedlich aus, dachte er sich, und sein Lächeln wurde breiter. Die komplett zerzausten Haare, die leicht gerötete Nase und die aufmerksamen Augen ließen ihn wie einen kleinen Welpen aussehen.

Langsam setzte sich Paul auf und versuchte aufzustehen. Doch seine Beine waren noch zu wackelig, und sein Hintern schmerzte noch von der letzten Nacht, weshalb er etwas länger brauchte, um auf die Beine zu kommen. Es fühlte sich an, als stünde er auf Wackelpudding. Irgendwann schaffte er es dann doch und wackelte langsam zu Richard, der ihm eine seiner Boxershorts zuwarf. Dankend zog er sie an. Obwohl er auch eigene mitgebracht hatte, wollte er die von Richard nicht ablehnen. Sie saß etwas lockerer an den Oberschenkeln und Hüften, aber das störte ihn nicht.

Paul schlüpfte noch in eine graue Jogginghose und den Pullover, den ihm Richard gegeben hatte. Der Geruch von Richard war mittlerweile verflogen, aber allein der Besitz dieses Kleidungsstücks gab Paul ein glückliches Gefühl.

Gemeinsam begaben sie sich in die Küche, wo Richard Kaffee zubereitete und Paul die Funktionsweise der Kaffeemaschine erklärte. Anschließend ging Richard erst einmal auf den Balkon, um eine Zigarette zu rauchen. Währenddessen warf Paul einen Blick auf Richards Kalender. Tatsächlich stand für morgen ein Termin im Studio an, allerdings nicht für Aufnahmen, sondern für die Vorbereitungen zum Musikvideodreh für "Haifisch".

Seufzend trank Paul seinen Kaffee aus und starrte an die weiße Decke. Wie sollte es zwischen ihm und Richard weitergehen? Er mochte ihn viel mehr, als es üblich war bei besten Freunden. Doch war er wirklich in ihn verliebt? Alle Anzeichen deuteten darauf hin. Aber irgendetwas hielt ihn davon ab, seinem besten Freund seine Gefühlslage zu erklären.

Plötzlich wurde ihm klar, dass er Angst hatte – Angst davor, seinen besten Freund zu verlieren und die Band aufs Spiel zu setzen.

Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als Richard ihn an der Schulter rüttelte. Schnell fokussierte er wieder seinen Blick und sah in funkelnde blaue Augen, die einen leicht besorgten Schimmer trugen. "Alles klar, Paulchen?" "Ja, alles gut. Hast du Lust, heute noch etwas zu unternehmen? Morgen müssen wir uns mit den anderen treffen, um die Aufnahmen für 'Haifisch' zu besprechen", sagte er und schaute schnell auf die Seite. Die Versuchung, einen Blick auf Richards Lippen zu werfen, war zu groß.

"Ich würde wirklich gerne, aber ich muss leider meine neue Gitarre heute abholen. Du kannst aber gerne mitkommen, wenn du willst." Zum Glück schien Richard nicht zu bemerken, dass Paul ein wenig traurig wurde. Eigentlich hätte er gerne etwas mit Richard gemacht, denn er hatte nicht wirklich Lust, die neue Gitarre abzuholen.

"Ach, mach du das lieber alleine, das wird sonst komisch. Stört es dich, wenn ich mich mal bei deinen Büchern umschaue?" "Nein, natürlich nicht. Mach du nur. Ich werde aber erst sehr spät wieder da sein." "Alles gut, du bist mir keine Erklärung schuldig", nuschelte Paul leicht.

Was war nur plötzlich mit ihm los? Richard war ein wenig verwirrt von Pauls Verhalten. Eigentlich hätte er sich gefreut, wenn er mitgekommen wäre, aber andererseits verstand er auch, wenn Paul das vielleicht nicht wollte. 

Schief grinsend drückte er Paul einen kleinen Kuss auf den Scheitel, bevor er sich seine Jacke und Schuhe anzog und aus der Tür verschwand. Erst nachdem er einige Minuten mit dem Auto gefahren war, wurde ihm bewusst, was er gerade getan hatte, und schlug sich selbst gegen die Stirn. Verdammt, er war so ein Idiot! Jetzt würde Paul sich sicher komisch fühlen oder vielleicht sogar Verdacht schöpfen. Wie konnte man nur so ungeschickt sein?

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Wie weit würdest du für die Liebe gehen? (-Paulchard)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt