Kapitel 4.

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Die Tage dehnten sich träge aus, wie zäher Kaugummi, zumindest empfand Richard es so. Seit einigen Tagen waren sie wieder in Berlin angekommen, und jeder hegte seine eigenen Pläne und Projekte. Die bevorstehenden Aufnahmen für die kommenden Songs lagen noch Wochen entfernt, während die Dreharbeiten zu den Musikvideos noch in den nächsten Wochen stattfinden sollten. Die Stadt pulsierte um Richard herum, während jeder der Bandmitglieder seinen eigenen Rhythmus fand, und ein Gefühl der Ungewissheit hing in der Luft, als würden sie alle auf den nächsten großen Impuls warten.

Dazu kam noch, dass er endlich sein neues Album von Emigrate veröffentlichen wollte, das bereits seit einer Ewigkeit in seinen Händen ruhte. Selbst mit all den Verpflichtungen, die auf seiner Agenda standen, konnte er nicht leugnen, dass ihn eine gewisse Langeweile überkam. Vielleicht lag es daran, dass er schon wieder eine beträchtliche Zeit allein verbracht hatte, was ihm alles andere als guttat. Dennoch fand er Trost darin, dass er und seine Frau sich vor vielen Jahren scheiden lassen hatten. Die Entscheidung mag zwar nicht einfach gewesen sein, doch letztendlich hatten sie erkannt, dass etwas zwischen ihnen nicht mehr stimmte.

Der Gedanke, sich wieder einen Mitbewohner zu suchen, schlich sich in Richards Kopf. Doch die Unsicherheit nagte an ihm: Was, wenn dieser Mitbewohner nicht mit seinem Lebensstil zurechtkam? Die abendlichen Gitarrensessions und das Rauchen waren für Richard nicht nur Gewohnheiten, sondern Teil seiner Persönlichkeit. Jemanden zu finden der mit all diesen Dingen klarkommen würde, würde ein Ding der Unmöglichkeit werden.

Früher hatten sie als ganze Band zusammen gewohnt, und die Erinnerungen daran brachten immer wieder ein Lächeln auf Richards Gesicht. Obwohl das Zusammenleben war ein regelrechtes Chaos gewesen war! Die Wohnung war winzig, kein Bandmitglied hatte wirklich ausreichend Platz gehabt, aber dennoch war diese Zeit wunderschön gewesen. Trotz der beengten Verhältnisse hatten sie gemeinsam gelacht, Musik gemacht und unvergessliche miteinander Momente geteilt. Der Gedanke daran ließ Richard in Nostalgie schwelgen.

Während Richard über seine Lebenssituation nachdachte, schweiften seine Gedanken unweigerlich zu seinem besten Freund ab. Das Grinsen auf Richards Gesicht kehrte sofort zurück, als er an die gemeinsamen Erlebnisse mit seinem Freund dachte. Die Sehnsucht nach dieser Freundschaft durchzog seine Gedanken. Vielleicht sollte er einfach den Mut aufbringen und seinen besten Freund anrufen?

Die Unsicherheit, Paul nicht nerven oder in seinen Angelegenheiten stören zu wollen, hielt Richard zunächst davon ab, den Anruf zu tätigen. Er entschied sich, abzuwarten und darauf zu vertrauen, dass Paul sich melden würde, wenn er Lust hatte, etwas zu unternehmen.

Die Zeit verstrich jedoch nicht so schnell, wie Richard es sich erhofft hatte. Immer wieder ertappte er sich dabei, wie er sein Handy anstarrte und auf eine Nachricht des kleineren hoffte. Die Wartezeit schien sich in die Länge zu ziehen, und eine unterschwellige Ungeduld begann, sich in Richard auszubreiten.

Irgendwann griff er dann zur Gitarre. Etwas Sinnvolles musste er schließlich mit seiner Zeit anfangen. Also setzte er an und begann sich langsam einzuspielen, bevor er ein paar Stücke aus seinem neuen Album spielte. Mit der Zeit verlor er sich in der Musik und interpretierte ein Lied nach dem anderen auf seine eigene Weise. Irgendwann müsste er auch mal die Seiten wieder wechseln. 

So flog die Zeit wie im Flug an ihm vorbei. Draußen wurde es bereits wieder dunkel. Überrascht blickte der Gitarrist auf die Uhr. Verdammt, es war schon 19 Uhr. Bis jetzt hatte er nur Gitarre gespielt und hier und da eine geraucht. Nachdenklich sah er erneut auf die Uhr. Sollte er Paul nicht doch einmal anrufen? Oder zumindest eine Nachricht schreiben? Er fühlte sich wie ein Idiot. Oder wie ein verrücktes Teenagermädchen welches sich nicht traute, ihren heimlichen Schwarm anzurufen.

Doch plötzlich durchbrach ein sanftes Vibrieren seinen Gedankenfluss. Sein Handy signalisierte einen Anruf. Richard hob es langsam an, und als der Bildschirm den vertrauten Namen "Paul" zeigte, erstrahlte sein Gesicht in einem breiten Lächeln. Als ob ihn jemand dort oben gehört hätte.

Wie weit würdest du für die Liebe gehen? (-Paulchard)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt