❞ 𝘁𝗮𝗴 𝘀𝗶𝗲𝗯𝗲𝗻 ❝

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Zwei Tage wirken kurz. Aber sie sind verdammt lange, wenn man auf etwas wartet. Aber ich werde warten. Immer. Auf sie werde ich immer warten. Also stehe ich heute wieder voller Zuversicht auf. 

Sie wird kommen, sie wird kommen, sie wird kommen. 

Ich öffne die Türe und...

,,...Hey Matthew." 

Ich starre sie an. Es ist Ilayda. Wer sollte meinen Namen sonst so aussprechen, dass es sich anhört, wie sich Honig auf der Zunge anfühlt? Aber irgendwie ist es auch nicht Ilayda. 

Vielleicht starre ich zu lange, denn sie sagt: ,,Komme ich gerade...unpassend?"

,,Was in Gottes Namen ist mit deinem Gesicht passiert? Wo warst du? Ich ha-", platzt es mir heraus. Aber ich rede nicht weiter, weil es unangenehm werden könnte. 

Ihr Gesicht. Ihre wunderschönen Lippen sind aufgeplatzt, ihr linkes Auge ist etwas geschwollen, verschiedene Farben von blau, violett, grün und gelb zieren ihr Gesicht.

Es wirkt schon fast überrascht, als wüsste sie nicht, dass sie so aussieht, als ihre Hand über ihre Wange wandert. Dann versucht sie sich an einem lächeln. Es sieht traurig aus. Verletzt. Wirkt als würde es gleich wieder verschwinden, man möchte es einfangen. Damit es bleibt.

,,Darf ich reinkommen?"

,,Nein, lass uns ein Stück gehen."

,,Oh...okay."

Ich rufe meinem Großvater zu, dass ich irgendwann wieder komme, er brummt etwas zurück, was ich nicht verstehe.

Sie mag Fragen nicht, rufe ich mir ins Gedächnis.

Tja, trotzdem muss ich wissen was passiert ist...oder wer...

,,Mir geht es gut, Matthew, es war nur ein dummer, kleiner Unfall. Nichts schlimmes. Ver-"

Sie stockt. Lässt das, was sie sagen wollte einfach los. Ohne es zu beenden.

,,Versprochen?", frage ich.

Ich sehe wie sie mit Tränen zu kämpfen hat. Trotzdem kullert eine ihre ihre Wange hinunter. Ich strecke meine Hand danach aus.

Sobald ich ihre Haut berühre, bricht es aus ihr heraus. Ilayda schluchzt laut auf, verzieht das Gesicht, als hätte sie schmerzen, schlägt sich die Hände vor den Mund und weint, wie ich niemanden zuvor weinen gesehen habe.

,,Es tut...so weh, Matthew. Es tut so...so weh."

Ich möchte sie fragen was wehtut, lasse es aber ein. Ich ziehe sie zu mir, lege meine Arme um ihren dünnen, zerbrechlichen Körper. Ich umarme sie, sie umarmt mich.

Nach ein paar Minuten, die wir hier stehen, beruhigt sie sich. Ich drücke sie etwas von mir weg, sodass ich ihr schönes Gesicht ansehen kann. Gerötet, verletzt, nass von all den Tränen.

Ich drücke ihr einen Kuss auf die Stirn, sie schließt die Augen, dann umarme ich sie erneut. Drücke sie fest an mich. Will sie nicht mehr loslassen, bis sie "Nicht so fest" murmelt.

Ich könnte schwören, dass ich sie nicht fast erdrückt hätte!

,,Was tut dir weh?"

Sie antwortet nicht.

,,Sag es mir. Bitte."

Ich fange Ilaydas Blick auf. Sie flüstert es. So leise, dass ich es fast überhört hätte.

,,Meine Rippen."

Ohne aufzuhören ihr in die Augen zu schauen, greife ich nach dem Saum ihres Kleides. Sie nickt unmerklich, erlaubt mir es ihr über den Kopf zu ziehen.

Ich ziehe scharf die Luft ein, bei dem Blick, der sich mir bietet.

Es sieht aus wie ihr Gesicht. Ihre Haut, wie bemalt. Mit meinen Fingern fahre ich die Flecken vorsichtig nach. Ich spüre ihren Blick auf mir.

Sie erbebt unter meiner Berührung. Eine Gänsehaut legt sich über ihren Körper, ich spüre sie. 

Meine Finger wandern hoch zu ihrem weißen BH, bevor ich ihn jedoch berühre, stoppe ich.

Wortlos reiche ich ihr das Kleid wieder. Tue so, als hätte ich das Patientenarmband an ihrem Handgelenk nicht gesehen, als sie danach greift.

wellenschlagWo Geschichten leben. Entdecke jetzt