❞ 𝘁𝗮𝗴 𝗱𝗿𝗲𝗶 ❝

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Von dem kleinen Häuschen meines Großvaters, welches übrigens im Nichts liegt, sind es keine zehn Minuten zu dem Strandabschnitt, der kleinen Bucht, bei der ich sie das erste Mal gesehen habe. Und gestern. Das erste Mal und gestern.

Das Meer ist laut, die Wellen groß und der Himmel dunkel. Ob sie heute wohl dorthin kommen wird? Sei nicht albern. 

Trotzdem greife ich nach meiner Jacke am Haken. Trotzdem renne ich  durch den Regen. Trotzdem lasse ich mich von dem Wind nicht in den Sand stoßen.

Und trotz meiner Hoffnung, die ich hatte, setzt mein Herz eine Sekunde aus, als ich Ilayda dort sitzen sehe.

Ja, sie sitzt. In ihrem Kleid, umgeben von Wasser, zitternd.

,,Matthew." Es ist nur mein Name, den sie ausspricht, kaum zu hören durch den Wind, aber es ist genauso die Überraschung in ihrer ruhigen Stimme, die ich warnehme. Sie hat nicht mit mir gerechnet.

,,Ilayda." Ihr Name. So wunderschön. So passend.

,,Was machst du hier, Ilayda?"

,,Ich sitze, Matthew."

,,Du wirst krank."

Sie schaut mich nicht an, zupft an ihrem Kleid, dass lange nicht mehr so aussieht, wie die zwei Tage davor. Es ist voller Sand, getränkt in Salzwasser.

,,Du wirst krank," widerhole ich. ,,Lass uns zu mir gehen."

Als sie wieder nicht antwortet und meine Hand, die ich ihr hinstrecke nicht greift, knie ich mich hin.

Ich fühle mich wie jemand, der einem vierjährigen Kind zu erklären versucht, warum es jetzt nach Hause muss und nicht länger auf dem Spielplatz bleiben kann.

,,Was ma-"

,,Pssst." Sie legt ihren Finger auf meine Lippen und bringt mich Augenblicklich zum schweigen.

,,Schließ die Augen, Matthew. Hör ihnen zu. Den Wellen. Hör ihnen zu, was sie dir erzählen."

Ist sie völlig verrückt?

Doch ich tue es. Nur Gott weiß, warum ich meine Augen schließe, warum ich den Wellen zuhöre, aber ich tue es.

Mit dem Gefühl von den kleinen Sandkörnchen auf meinen Lippen und ihr in meiner Gegenwart.

wellenschlagWo Geschichten leben. Entdecke jetzt