Kapitel 4

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Er verdrehte genervt seine Augen. Dieser Gast war wirklich nicht auszuhalten. Zum dritten Mal rief er ihn zu seinem Tisch, um sich wieder über irgendetwas zu beschweren. Sei es auch nur die abbrennende Kerze auf dem Tisch. Lian stapfte widerwillig in den Speisesaal und fragte mit süffisanter Stimme, was er denn dieses Mal für ihn tun könne.

„Die Salami hat zu viel Fett, dabei nennen sie sich Biohotel. Aber diese Salami zeugt nicht von guter Bioland-Qualität."

Der kleine Mann mit grauen Zottel-Haaren, einer runden Brille auf der Nase in schwarzem Anzug mit Hemd, hielt ihm den Teller mit dem Aufschnitt entgegen. Lian wusste nicht, ob er nur ein normaler nerviger Gast war oder ein Vertreter einer Gesellschaft beziehungsweise einer Restauranttester-Kette war, also blieb er seinem Motto 'immer freundlich lächeln' treu und versuchte eine schlaue Antwort zu finden, die den Herrn hoffentlich zufrieden stellen sollte. Lian wartete gar nicht erst auf die Antwort des Mannes. Er war bis aufs Äußerste gereizt und musste sofort aus der Situation heraus bevor er etwas tat was er im Nachhinein bereuen würde.

„Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden, ich habe ein wichtiges Meeting."

Damit drehte er sich um und verschwand aus dem Restaurant des Hotels. Das Ehepaar Sander vertraute ihm das Hotelmanagement an und er wollte sie nicht enttäuschen oder ihr Vertrauen verlieren. Er musste in sein Büro, welches am Ende des Flures im Erdgeschoss lag. Auf dem Weg dorthin, am Empfang grüßte er die süße Empfangsdame Sophie und schloss hinter sich die Tür. Er knüpfte die oberen Knöpfe seines Hemdes auf und lockerte seine Krawatte. Aus der oberen Schublade des weißen Luxusschreibtisches holte er eine Zigarettenschachtel hervor, öffnete das Fenster und zündete sich eine Zigarette an. Bereits nach dem ersten Zug spürte er wie die Anspannung langsam von ihm abfiel. Er liebte seinen Job, aber manche Tage waren der Horror und heute war genau solch ein Tag. Ständig musste er Fragen beantworten, Krisen lösen oder aber Telefonate mit Kunden führen die irgendwelche Dinge auf dem Herzen hatten die anscheinend nur er verstand und lösen konnte. Manchmal fragte er sich wofür er überhaupt eine Hotelbelegschaft hatte, wenn letztendlich doch alles bei ihm landete. Seufzend zog er noch ein paar Mal an seiner Zigarette und scrollte währenddessen durch seine Handybenachrichtigungen. Er musste dringend Herrn Sander das Monatsergebnis aus November schicken. Dieser hatte bereits die zweite Mail diesbezüglich geschickt. Lian machte sich in seinen Gedanken eine Notiz. Plötzlich flog seine Bürotür auf und Sophie stand ohne zu klopfen in der Tür. Blitzschnell schnipste er seine Zigarette aus dem Fenster und sprang vom Fensterbrett.

„Oh entschuldigen Sie!"

„Ich brauchte ein wenig frische Luft. Die Leute machen mich heute wirklich fertig."

Normalerweise war er sehr darauf bedacht, dass seine Belegschaft ihn immer perfekt gekleidet und gestylt sah, aber in diesem Moment vergaß er die offenen Knöpfe seines Hemdes und die lockere Krawatte. Erst als Sophie rot anlief und auf ihn zeigte, räusperte er sich und richtete seine Kleidung. Sophie fühlte sich in dieser Situation anscheinend etwas unwohl, denn sie traute sich nicht ihm in die Augen zu schauen. Lian wusste, dass er gut aussah, aber dass Frauen ihn nicht angucken konnten war neu für ihn.

„Was ist denn los?"

Er war schroffer als beabsichtigt, weshalb Sophies Antwort entsprechend eingeschüchtert und leise ausfiel.

„Frau Sander wartet im Konferenzraum auf Sie."

Lian nickte ihr zu, steckte sich schnell einen Kaugummi in den Mund und verließ sein Büro. Auf dem Weg in den Konferenzraum kam er an dem Tannenbaum im Empfang vorbei. Seiner Meinung nach hatten sie diesen viel zu früh gekauft, aber die Sanders wollten möglichst rechtzeitig die Weihnachtsstimmung im Hotel aufkommen lassen, also besorgte er zwei Wochen vor Weihnachten bereits diesen Tannenbaum der jedoch noch nicht geschmückt war, denn keiner seiner Angestellten hatte zur Zeit dafür Freiraum. Das Hotel war um diese Jahreszeit bis aufs letzte Bett ausgebucht, da viele die Wintersaison zum Skifahren in den Alpen nutzen. In dieser Zeit machte das Hotel auch den größten Umsatz, aber für Lian war es auch die anspruchsvollste Zeit und die, in der er am wenigstens Freizeit hatte. Wobei er das Wort Freizeit sowieso kaum noch kannte. Er lebte und arbeitet für seinen Job und fürs Hotel, viel Zeit für anderes blieb da nicht. Aus diesem Grunde war sein letztes Date auch über sieben Monate her. Aber vermutlich war es besser so, denn Zeit für ernsthaftes Kennenlernen und eine eventuelle Beziehung hatte er sowieso nicht und Lust auf etwas Ernstes auch nicht. Also blieb er lieber alleine, verdiente Geld und nutze seine hohe Position, um auf seine Zukunft als Hotelbesitzer hinzuarbeiten. Denn das war es was Lian wollte: ein eigenes Hotel, was am besten noch seinen Namen trug. Mitten in seinen Gedanken wäre er beinahe gegen die Glastür des Konferenzraumes gelaufen. Zum Glück kehrte er rechtzeitig zurück, sodass er gerade noch ausweichen konnte. Mit einem breiten Lächeln begrüßte er Frau Sander. Sie erwiderte sein Lächeln und ließ sich auf den schwarzen ledernen Stuhl fallen. Sie faltete ihre Hände und legte diese vor sich auf dem weißen Marmortisch ab. Ja, dieses Hotel war luxuriös und robust zugleich. Lian setzte sich ihr gegenüber und wartete gespannt auf ihr Anliegen. Normalerweise kamen die Sanders nur ein bis zweimal pro Woche vorbei, um nach dem Rechten zu sehen und die Einnahmen abzuholen, aber diese Woche sah er Frau Sander schon zum vierten Mal. Diese Häufigkeit wunderte ihn.

LIVIAN - Riskante LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt