Kapitel 12

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Liv blieb wie versteinert. Sie hatte das Gefühl von außen auf die gesamte Situation zu schauen und nicht mehr in ihrem Körper zu sein. Sie sah die erschrockenen Hotelgäste auf dem Parkplatz, sie entdeckte Fabio den sie von früher aus der Schule kannte, der auf ihre Familie zugelaufen kam und sie richtete ihren Blick auf sich selbst, die sie kraftlos auf dem kalten Boden saß und sich nicht rührte. Es war eine unheimliche Situation und sie wollte einfach nur aufwachen und all diese Ereignisse vergessen. Bestimmt träumte sie nur und gleich würde sie aufwachen und feststellen, dass sie friedlich in ihrem Bett zu Hause lag. Doch ein Rütteln an ihrer Schulter verriet ihr, dass das hier ihre Realität war und dass Lian tatsächlich in diesem Moment um sein Leben kämpfte. Sie hatte keine Ahnung, ob sie ihn je lebend wieder sehen würde. So eine Hilflosigkeit hatte sie noch nie in ihrem Leben gespürt und ihr wurde deutlich, dass sie Lian nach all den Jahren noch immer tief in ihrem Herz trug, auch wenn er sie verletzt hatte. Sie konnte es sich nicht vorstellen wie es sein würde, wenn sie ihn heute das letzte Mal gesehen hatte. Was wäre, wenn sein rauchverschmiertes regloses Gesicht das Letzte war, was ihr von ihm blieb? Eine schreckliche Erinnerung! Nein, das durfte nicht passieren...

Liv betete, dass Gott Lian noch nicht zu sich holte und dass er ihn heilen möge. Aber aus Erfahrung wusste sie, dass Gottes Wege oft andere waren als die Menschen sich vorstellten. Aber allein der Gedanke, dass Lian gerade dabei war zu sterben zerriss sie innerlich und sie konnte ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. Leni nahm sie fest in den Arm und drückte sie an sich. Liv war es egal, dass der Boden auf dem sie saß eiskalt gefroren war und das jeder sie so verzweifelt sah. Leni wusste als einzige, wie sehr Liv Lian damals geliebt hatte und Liv war sehr dankbar für die Kraft und Nähe ihrer Schwester. Ganz leise im Hintergrund hörte sie Rosa Sander schreien und Liv befürchtete das Schlimmste. Langsam öffnete sie ihre Augen und versuchte die Situation, die sich vor ihren Augen abspielte, einzuordnen. Rosas Schrei war keiner der Verzweiflung oder Trauer, sondern einer der Erleichterung. Denn aus der Nachbarstraße kam ein verwirrter und suchender Leopold auf seine Frau zugelaufen. Rosa lief ihm entgegen und fiel ihm schluchzend um den Hals. Liv richtete sich auf und beobachtete die Beiden, während Leni und Sam sie auf beiden Seiten stützten. Leopold war also am Leben und nicht im Hotel gewesen. Aber warum war Lian inmitten des Feuers?

„Gott sei Dank! Leopold geht es gut! Kommt, wir fahren zu Lian ins Krankenhaus, er hat ja sonst niemanden."

Helena ergriff die Hand ihres Mannes und nickte Liv und Leni zu. Fabio folgte ihnen wie selbstverständlich und gemeinsam machten sie sich auf den Weg. Annabell war zum Glück bei einer Freundin und bekam von dem Unglück nichts mit, was wirklich ein Segen war. Als die Familie in ihrem Auto saßen fragte Liv mit zitternder Stimme, ob man schon wüsste was den Brand ausgelöst hatte, aber ihr Vater verneinte und die restliche Fahrt ins Krankenhaus verlief schweigend. Niemand wusste was er sagen sollte und keine aufmunternden Worte konnten die aufgewühlten Gefühle besänftigen. Liv hatte Angst um Lian und die Autofahrt kam ihr vor wie eine Ewigkeit.

Kaum standen sie auf dem Parkplatz sprang Liv auch schon aus dem Auto. Sie hörte wie ihr jemand folgte, aber sie hatte keine Zeit sich umzudrehen. Sie musste sofort wissen, ob Lian es geschafft hatte. Liv bekam das Bild einfach nicht mehr aus dem Kopf, als die Ärzte versuchten ihn wieder zu beleben. Es war schrecklich. Sie stieß die Flügeltüren der Notaufnahme auf und rannte auf den Tresen zu.

„Wie geht es Lian Steiner? Das Brandopfer." 

Liv keuchte und hielt sich ihren Bauch. Eine Hand auf ihrem Rücken verriet ihr, dass ihr Verfolger sie eingeholt hatte. Aus den Augenwinkeln erkannte sie Fabio der versuchte seinen Atem zu kontrollieren, um sachlich nach Informationen zu fragen.

„Es tut mir leid, aber wir dürfen solche Informationen nur an seine Familienangehörigen weitergeben." Die Dame hinter dem Tresen blickte sie mitfühlend an. Liv stöhnte auf und wieder liefen ihr Tränen übers Gesicht.

LIVIAN - Riskante LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt