-4- Stiefel versohlt

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Pistoléro betrat, noch immer munter vor sich hin summend, die längst baufällig gewordene Jagdhütte, welche nach seiner Kenntnis dem gesuchten Schattenlenker Jarecul als Unterschlupf diente.

Die einzige Lichtquelle bildete der Türspalt, durch den das Wenige an Tageslicht drang, welches den Waldboden erreichte. Die Fensterläden waren aus irgendeinem Grund geschlossen. Pistoléros Schritte wurden von feuchten, moosbewachsenen Bohlen getilgt. Ein muffiger Geruch residierte hier, einzig durchsetzt von Rauchschwaden, so schwach wie ferne Erinnerungen. Eine Sinnestäuschung? Nein, sie waren da, was bedeutete, dass der kleine Kamin noch vor kurzem ein Feuer beherbergt hatte.

„Ich weiß, dass Ihr hier seid, Jarecul.", säuselte Pistoléro und ließ den Blick zwischen mottenzerfressenen Sesseln und holzwurmdurchlöcherten Tischen und Schränken hin und her schweifen, während er gelassen den Raum durchwanderte.

„Ach ja?", drang es aus einem Nachbarraum, eine Stimme, die ganz und gar nicht nach der des Gesuchten klang.

Pistoléro blieb stehen. Eine Furche zog sich zwischen seinen Augenbrauen über die sonst makellos glatte Stirn. Ein Zeichen wahrer Beunruhigung, wie er sie selten und zuletzt im Angesicht der Prinzipalin empfunden hatte, nachdem er ihr von Jareculs vereitelter Hinrichtung berichtet hatte.

„Welche Überraschung, Euch hier anzutreffen, Khayla.", gestand Pistoléro, als Selbige aus dem Nachbarraum in den Hauptraum trat.

„Ihr seid nicht der Einzige, der nach Jarecul sucht.", sagte Khayla forsch.

„Und Ihr seid die Einzige, die ihn gefunden hat.", erwiderte Pistoléro verschmitzt.

Die füllige Schönheit bedachte ihn mit einem geringschätzigen Blick. „Woher wollt Ihr das wissen?"

Pistoléros Hand beschrieb einen ausladenden Kreis über die Feuerstelle, einen alten Kessel sowie zwei Schüsseln auf dem Tisch, in denen die Reste einer Mahlzeit klebten, daneben ein paar halbherzig vom Tisch gefegte Pistazienschalen. „Ihr seid schlecht darin, Eure Spuren zu verwischen.", schloss er.

Khayla hob eine Braue. „Das beweist gar nichts."

„Mag sein, aber trifft das auch auf die Aussage des Krämers zu, nachdem ich ihm mehr bot als Ihr es tatet, um mich in die Falle zu locken?"

„Welcher Krämer?"

„Oh, Ihr kennt ihn gewiss. Sehr geschäftstüchtiger Mann. Er hat Euch Jareculs Versteck verraten und dann ein hübsches Sümmchen kassiert, um auf einen zweiten Schattenlenker zu warten - auf mich." (auf Pistoléros Gesicht zauberte sich ein triumphales Lächeln) „Ihr habt den Verräter gewarnt und mir an seiner Stelle hier aufgelauert! Ihr seid so gerissen wie hübsch, das muss ich Euch lassen, hehe. Aber Vorsicht! Sich gegen mich zu stellen bedeutet, sich gegen den Zirkel zu stellen."

„Was hat Euch nur so verblendet, Pistoléro?", schnaubte Khayla kopfschüttelnd, „Dass Ihr nicht erkennen könnt, erkennen wollt, was sich vor Euren Augen abspielt. Die wahre Bedrohung, derer Ihr Euch stellen solltet, kommt nicht von außerhalb des Zirkels, sondern von innerhalb...!"

Das Lächeln ihres Gegenübers verwandelte sich in ein maliziöses Grinsen, als er mit merkwürdig sanfter Stimme sagte: „Ich weiß... und ich werde sie hier und jetzt ausmerzen."

„Rührt mich nur einmal an und Ihr seid die längste Zeit im Zirkel gewesen, Pistoléro.", konterte Khayla kühl, „Meine Mutter mag kaltherzig und machtbesessen sein, aber einen Mord an der eigenen Tochter würde selbst sie nicht ungesühnt lassen!"

„Woher sollte sie erfahren, dass ich Euch getötet hätte...", Pistoléros Grinsen wurde breiter, als er einen Schritt auf die Schattenlenkerin zu tat, „... wenn es ebenso gut Jarecul gewesen sein konnte?!"

Im Zirkel der SchattenlenkerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt