-21- Hinter der Maske des Todes: die Maske des Todes

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Luft. Ihr süßliches Aroma rann wohltuend wie Ambrosia die schmerzende Kehle hinab. Seine im Todeskampf auf einen Punkt zentrierten Gedanken fächerten auseinander, formten eine neues Segel für den Strom seiner Wahrnehmungen.

Der erste Anblick war zugleich auch der verwirrendste: ein großer schwarzer Pickel auf Armeslänge neben ihm. Nicht, dass er sich in seiner Profession als Schattenlenkerjäger der Entstehungsgeschichte dieses Pickels nicht bewusst war, oh nein. Es war vielmehr die Tatsache, dass dieser Pickel überhaupt noch existierte, die ihn zutiefst beunruhigte - wo doch sein Beschwörer tot war. Oder sein müsste.

Kerbal-Enovis.", flüsterte eine Stimme wie zum Spott und als Vannick den Kopf hochhievte, sah er den Totgeglaubten in der Haltung eines Betrunkenen gegen einen Baum gelehnt und irgendetwas in den Wald entsenden.

Etwas, das wie ein von der Sehne gelassener Pfeil auf zehn dürren Beinen durch den Wald pflügte und neunundfünfzig Schritte entfernt und vier Sekunden später sein Ziel erreichte.


Elinente zog die Hand zurück, spürte den bestialischen Drang, das Blut von den Fingern zu lecken. Der Junge war am Baum hinabgerutscht, Rindenstücke mit sich reißend. Er hatte zu wimmern begonnen wie ein Hundewelpe, das um sein Leben bettelte.

„Du wolltest einer von ihnen werden, also trage die Konsequenzen dafür. Tu dir selbst einen Gefallen und stirb wenigstens wie ein Mann!", knurrte Elinente, woraufhin das Wimmern noch anschwoll. Wodurch sie das geisterhafte Rascheln nicht hörte, welches der sprungbereite Krabbler erzeugte, der sich in dieser Sekunde auf sie warf.

Jedoch: Irgendetwas in ihr schlug Alarm. Sie wusste selbst nicht, was ihre Instinkte stimuliert hatte, doch als sich die schwarzen Glieder wie Käfiggitter um sie schlossen, war jeder bewusste Gedanke eine Henkersschlinge. Mit einer Minimalbewegung schoss sie geradewegs nach oben aus dem Käfig des Todes hinaus und krallte sich in die Rinde der Unglück bringenden Zirbelkiefer. Das Schattenwesen prallte gegen den Stamm, doch statt lähmender Verwirrung anheim zu fallen, wie es für alle irdischen Wesen üblich war, nahm es sofort die Verfolgung auf. Katzengleich setzte die gejagte Jägerin am Stamm nach oben. Nasskaltes Astwerk peitschte ihr entgegen, welches sie mit den Klauen zerrupfte, zweimal spürte sie die schwarzen Klauen an den Beinen, bevor sie diese anzog, um einen weiteren Satz gen Wipfel zu machen. Sobald sie freies Sichtfeld hatte, stieß sie sich ab. In schwindelerregender Höhe segelte sie zum nächstgelegenen Baum, krallte sich fest, ratschte, getragen vom Impuls des Fluges, am Stamm hinab, stieß gegen einen stabileren Ast, kam zum Stillstand, blickte zurück. Der Krabbler flog lautlos auf sie zu wie ein böses Omen, vor dem es kein Entrinnen gab.

Ich - muss - schneller - werden!, dachte Elinente. Sie hatte die Kiefer so stark zusammengepresst, dass ihre Zähne im Begriff waren zu bersten. Die Kopfschmerzen marterten sie wie dutzende glühender Schwertrohlinge, die kreuz und quer durch ihren Schädel getrieben waren.

Freilich würde sie sich in Kürze so weit gesteigert haben, dass sie dem Schattenwesen mühelos entkommen konnte. Aber was dann?

Den Beschwörer suchen und ausschalten, bevor dieser ein weiteres Monster auf sie ansetzen konnte! Wer kam dafür infrage? Der Junge war außer Gefecht und seinem dunklen Begleiter ragte ein Bolzen aus der Brust. Gab es weitere Schattenlenker, die der Flammenhölle entronnen waren oder sich auf dem Gelände aufhielten, als es begann? Elinente riss die Augen weit auf.

War es möglicherweise sogar dieses Scheusal von Prinzipalin, vom Wege umgekehrt, um ihre Sippschaft zu retten?

Im Grunde war das gleichgültig. Sie konnte nicht endlos weglaufen, der Krabbler hingegen konnte sie für alle Zeit verfolgen, solange sein Beschwörer noch bei Kräften war. Sie musste es beenden. Jetzt.

Im Zirkel der SchattenlenkerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt