-19- Schweiß auf Warz

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Selbst am helllichten Tage wirkte es, als würden die Strahlen der Sonne jede Berührung des Bauwerks meiden, welches wie der abgerissene Unterkiefer eines Leviathans aus der Gebirgsflanke ragte. Elinente ließ das Fernrohr sinken.

„Bald seid ihr nichts weiter als Fußnoten in vergilbten Geschichtsbüchern.", flüsterte sie.

Vannick Mroth ließ einen fahren. Was sollte er machen? Nervosität schlug ihm seit jeher aufs Gedärm, auch juckten seine Warzen wieder fürchterlich.

Elinente wetterte: „Bekommst du dich endlich einmal unter Kontrolle? Die letzte Nacht mit dir im selben Zelt war schon eine Zumutung, aber DAS jetzt?! HE, FINDEST DU DAS ETWA LUSTIG???"

Der bullige Schattenlenkerjäger verkniff sich die Antwort und subtrahierte sich aus der Situation. Im selben Moment trat Torrelius Thieck hinzu, steckte sich eine Pfeife an und blies den Rauch in Richtung Kathedrale. Eine von Gicht geschwollene Hand teilte den silbergrauen Vorhang und eine Stimme so dünn wie Spinnseide waberte hindurch: „Die Fässer sind bereit, Herrin. Wann können wir... liefern?"

Elinente zögerte. Sie war sich nicht sicher, ob sie die Prinzipalin beim Anschlag im Gebäude oder möglichst weit davon entfernt wissen wollte. Seit dem mutmaßlichen Eintreffen des Boten bei den Schattenlenkern hatte sie tagsüber die Straße und nachts den Himmel beobachten lassen; nicht selten hatte sie selbst bis zum Morgengrauen in Baumwipfeln Posten bezogen. Der Bote war vorübergeritten, doch niemand war ihm gefolgt.

Kein Anzeichen vom Aufbruch der Prinzipalin. Das bedeutete: Entweder war sie tatsächlich noch in der Kathedrale oder sie hatte ihren Aufbruch gut getarnt, möglicherweise über eine Alternativroute. Die Prinzipalin galt als undurchschaubar – und das machte sie, kombiniert mit ihrer Machtfülle, besonders gefährlich. Dass sie etwas von ihrer Anwesenheit ahnte, hielt Elinente hingegen für ausgeschlossen.

- „Herrin?" Sie spürte Torrelius' unterschwellig geringschätzigen Seitenblick. Der Mann verstand es (ob beabsichtigt oder nicht), selbst Höhergestellten das Gefühl zu geben, Latrinenputzer zu sein.

Elinente biss sich auf die Wange, bis sie ihr eigenes Blut schmecken konnte. „Wir warten ab bis zur Dämmerung. Im Angesicht der hereinbrechenden Nacht werden sich die Schattenlenker am ehesten in Sicherheit wiegen, was sie für unsere List am empfänglichsten macht. Dann schlagen wir zu."


Allein im Thronsaal.

An die Fenster brandete Kampfeslärm, eine Schlacht tobte in den Straßen Hellunwalls. Kaum war sie über die Außenmauer geschwappt, hatte sie wie ein Lauffeuer um sich gegriffen, Viertel um Viertel verzehrt. Wie ein Moskito hatte sie ihren blutrünstigen Wahn in den Bauch der Festung injiziert und sich von dort aus durch das Adergeflecht der Gänge gepumpt. Das Geräusch umstürzender Baumgiganten wob sich in den Lärmteppich hinein, wenngleich es in Hellunwall keine Bäume gab, nur kristallene Türme, die Augen der Stadt. Heillose Panik und Todesschreie drangen von überall durch die Wände und vereinigten sich zu einem Chor des Wahnsinns, welcher selbst dann noch zu hören war, als der König sich die Ohren zuhielt. Allein im Thronsaal.

Alles um ihn herum wirkte höher und weiter. Es war, als würde er den Saal aus Sicht einer Ameise betrachten. Sein Blick schweifte zu den Fenstern, durch die ein fahler Lichtschein hineinfiel. Wie auf ein Zeichen begann etwas von oben am Glas herabzufließen. Gleichzeitig steigerte sich der Chor zu einem schrillen Gekreisch wie von Schweinen auf einer Schlachtbank. Nach wenigen Sekunden füllte die Flüssigkeit alle Fenster aus und dämmte das Licht zu einem rötlichen Glimmen herab. Angeekelt wandte Gwondil III. sich ab.

„Kommt..."

Ein Flüstern von oben. Er war nicht allein.

„Wollt Ihr es aufhalten, so kommt..."

Im Zirkel der SchattenlenkerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt