Detroit Police Department, 20:45
Es waren schon einige Stunden vergangen, nachdem ihr von Chicken Feed zurückgekehrt wart und euch wieder dem altbekannten digitalen Papierkram gewidmet hattet. Es waren keine weiteren Anrufe zu Rupert reingekommen. Hank hatte sich bereits aus dem Staub gemacht. Dich jedoch ließ der Fall nicht in Ruhe. In der Hoffnung, irgendwo ein Indiz zu finden, das euch einen Hinweis auf Ruperts Aufenthalt geben würde, hocktest du vor dem Computer und sortiertest die Beweise vom Apartment. Connor schien das Selbige zu tun. Mit konzentriertem Blick flogen seine Augen über den Bildschirm. Seine gelb leuchtende LED erweckte den Eindruck, als habe er noch nie so intensiv verarbeitet.
Du überlegtest für einen Moment, ob es sich wirklich lohnte, die Fahndung aufrechtzuerhalten. Im Grunde genommen hatte dieser Rupert nichts Verbotenes getan, bis auf die Nutzung des Apartments. Aber da er ein Android war, konnte man ihn wegen der fehlenden Miete sowieso nicht bestrafen. Nicht einmal vor der Polizei zu fliehen, zählte als Straftat. Aber der Fakt, dass er floh, musste bedeuten, dass er Dreck am Stecken hatte. Das Buch war der bedeutendste Anhaltspunkt, aber es würde eine Weile dauern, es zu entschlüsseln, wenn es selbst Connor nicht gelang. Der einzig weitere Grund, weshalb ihr ihn finden musstet, war, dass er dich angegriffen hatte. Für ihn war es vielleicht Notwehr gewesen, aber er hat in Kauf genommen, dass du von diesem Dach in den Tod stürzen hättest können. Natürlich überwogen die schlechten Seiten und das war dir auch bewusst, aber trotzdem wolltest nicht über ihn urteilen. Er war ein Abweichler, also muss etwas Entscheidendes passiert sein, was dazu geführt hat. Und was das war... das wusste wohl nur er selbst.
Du tipptest einmal auf den Bildschirm deines Telefons, um auf die Uhr zu sehen. In einer Viertelstunde konntest du Feierabend machen. Ganz nebenbei überflogen deine Augen die neusten Mitteilungen, die sich untereinander aufreihten. Keine von ihnen war von Leo. Der Vorfall lag jetzt schon drei Tage zurück und er bekam es immer noch nicht auf die Reihe, sich zu entschuldigen. Du hattest ihm zwar gesagt, dass er sich nicht bei dir melden sollte, aber eine Entschuldigung war doch trotzdem denkbar, oder nicht? Hank würde dir sicherlich raten, deine Sorgen im Alkohol zu ertränken, aber das lag nicht in deinem Interesse. Was würde Connor dir empfehlen?
Du sahst für einen Moment zu ihm. Er las sich weitere Abweichlerfälle durch und suchte in deren Daten nach Gemeinsamkeiten. Er strahlte diese seltsame Ruhe aus, die auf dich abfärbte. Vor allem, seit Hank vor circa einer Stunde nach Hause gefahren war. Du fandest Connor noch immer sehr interessant. Seine Frisur, die immer perfekt saß, sein Anzug, der ihm einen eleganten Flair verlieh und seine durchaus menschliche Persönlichkeit lösten dieses Verlangen in dir aus, ihn besser kennenzulernen. Du schobst deine Gedanken vorerst beiseite, um noch das letzte Formular auszufüllen, bevor du nach Hause gehen konntest. Ruhig hüpften deine Fingerspitzen über die Tastatur, bis das Dokument schließlich abgespeichert wurde und du den Computer herunterfahren konntest. Die zarten Konturen deines Gesichts spiegelten sich leicht im durchsichtigen Screen. Noch ein Blick auf die Uhr. Immer noch zehn Minuten übrig, aber es war nichts mehr zu tun.
Deine Augen fanden ihren Weg zurück zu Connor. Du wolltest mit ihm reden, dich einfach nur unterhalten. Er brachte dich pro Unterhaltung mindestens einmal zum Lächeln, also war das schon Grund genug, mit ihm zu reden. Du könntest ihn allerdings auch nach seinem Rat fragen, wenn ihr schon unter euch wart. Du fixiertest ihn mit deinem Blick. Genau so, wie er es vorhin bei dir getan hatte. Gerade als du ihn ansprechen wolltest, drehte er seinen Kopf zu dir, als ob er gespürt hatte, dass ihn jemand beobachtete. Wobei du das Ganze nicht beobachten, sondern betrachten nennen würdest. Ja, du betrachtetest ihn gern. Er war hübsch. Wer sah sich nicht gern hübsche Sachen an?
Erwartungsvoll blickte er dir ins Gesicht. »Kann ich etwas für Sie tun, Detective?«
Du räuspertest dich, bevor du antwortetest.
»Kannst du mir nochmal bei einer Sache helfen? Es geht um den Freund, von dem ich vorhin erzählt habe.«
»Ich erinnere mich. Worüber möchten Sie sprechen?« Du rutschtest auf deinem Stuhl in eine bequemere Position. »Denkst du, er wird sich noch bei mir entschuldigen? Er hat mich wohl sehr wörtlich genommen, als ich sagte, dass er sich nicht mehr melden soll.« Diese Worte brachtest du zwar ohne Probleme über die Lippen, doch deine Nervosität stieg mit jeder Sekunde ein Stückchen an. Deine Gedanken quälten dich. Du machtest dir insgeheim große Sorgen um Leo. Vor allem, wenn sich deine Befürchtungen bestätigen sollten.
»Es wäre denkbar, dass ihn etwas davon abhält, sich zu entschuldigen. Vielleicht ein schlechtes Gewissen oder Angst vor Ihrer Reaktion.« Ein schlechtes Gewissen. Das hattest du auch... irgendwie. Vielleicht war deine Reaktion doch ein wenig zu übertrieben. Vielleicht hättest du ihn nicht allein lassen sollen. Du seufztest einmal, wusstest nicht ganz, was du antworten solltest und irgendwo zwischen deinen Gedanken verlorst du dich in Connors braunen Iriden. Braun war die am häufigsten vorkommende Augenfarbe, etwas ganz Gewöhnliches, und dennoch waren seine braunen Augen besonders.
»Hören Sie mir zu, Detective?«, holte dich Connor aus deinen Gedanken zurück.
»Ja, Verzeihung. Ich bin einfach nur ein wenig durch den Wind.« Du versuchtest, deine Verwirrtheit wegzulächeln.
»Wie möchten Sie weiter verfahren?«
Eigentlich wusstest du genau, was zu tun war. Du vermutetest, dass Leo Red Ice konsumierte. Diese plötzliche Aggressivität wies eindeutig darauf hin. Das würde auch erklären, warum er dich anlog. Du wolltest so schnell wie möglich Klarheit, doch die würde er dir wohl kaum freiwillig geben. Eine Wohnungsdurchsuchung könnte dir Bestätigung verschaffen. Da eine solche Durchsuchung der Behörden in Detroit je nach Einstufung gerade mal zwei Personen erforderte, konntest du dir sogar schon vorstellen, mit wem du dieses Vorhaben durchführen würdest...
»Ich glaube, dass er Red Ice nimmt. Er ist total aggressiv und im nächsten Moment ändert sich seine Stimmung um 180 Grad. Ich weiß, dass er keine Medikamente nimmt und keine psychischen Erkrankungen hat, also bleibt der Drogenkonsum nach dem Ausschlussverfahren übrig. Da das bereits ein eindeutiger Verdacht ist, die Beweismittel schnell vernichtet werden könnten und er mir gegenüber auch handgreiflich geworden ist, kann ich-«
»Verzeihen Sie die Unterbrechung, Detective. Er ist handgreiflich geworden? Geht es Ihnen gut?«, fragte Connor so besorgt, wie sein Sozialmodul es zuließ. Die besorgte Nachfrage verdutzte dich ein wenig. »Was? Nee, also - Doch, mir geht's gut. Es ist nichts Schlimmes passiert, keine Sorge. Nur eine kleine Beule am Hinterkopf, mehr nicht«, antwortetest du, wobei du gegen Ende sogar lächeltest - unwissend in der Annahme, dass du dich geschmeichelt fühltest. Du hattest gerade zu Ende gesprochen, da stand Connor von seinem Schreibtischstuhl auf und näherte sich dir.
»Darf ich mir das einmal ansehen? Nur um ernsthafte Verletzungen auszuschließen, verstehen Sie?« Dein Lächeln wurde breiter, deine Wangen rot, aber du stimmtest nickend zu. Der Android positionierte sich hinter deiner Stuhllehne und legte seine Hände sanft an deinen Kopf. Seine Finger fuhren rücksichtsvoll durch deine Haare, um die noch immer leicht schmerzende Stelle ausfindig zu machen. Er scannte deinen Schädel, um genauere Informationen zu erhalten. Du zucktest flüchtig zusammen, als sein Daumen schließlich die Verletzung traf. »Entschuldigung, Detective«, sagte er mit einem besonders sanften Ton, was dein Herz sofort höher schlagen ließ und dir eine Antwort verwehrte. Einige Sekunden lang betrachtete er die Stelle, an der du die Tischkante getroffen hattest, ehe er deine Haare an ihren ursprünglichen Platz fallen ließ und dir seine Diagnose präsentierte. »Sie haben ein kleines Hämatom am Kopf. Nichts, worüber man sich sorgen müsste. Darf ich fragen, wie das passiert ist?«, fragte er, während er sich auf seinen Stuhl zurücksetzte. »Er hat mich im Affekt gegen einen Tisch gestoßen. Vermutlich war das gar nicht seine Absicht. Ich denke eher, er wollte nur diesen physischen Abstand zwischen uns erreichen und hat unüberlegt gehandelt. Danke, dass du nachgeschaut hast.« Nach einem knappen Moment der Stille griff Connor das eigentliche Thema auf.
»Sie erzählten von Ihrer Vermutung bezüglich des Red Ice-Konsums. Was wollten Sie sagen, Detective?«
»Richtig. Ich habe eine zureichende Begründung, ohne einen Durchsuchungsbeschluss nach den Drogen zu suchen, und ich brauche dafür noch eine Begleitung. Ich weiß, dass es sich nicht um einen Abweichler handelt, aber würdest du trotzdem mitkommen?« Du schenktest Connor einen zuversichtlichen Blick.
»Ich helfe Ihnen, aber vorher müssen Sie mit Captain Fowler sprechen. Das ist eine ernste Angelegenheit. So eine Hausdurchsuchung können wir nicht selbst veranlassen«, führte er dir vor Augen. Du nicktest verständnisvoll, hattest das aber selbstverständlich nicht vergessen.
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machine to lover || Connor x Reader
FanficDetective Joleen Carter, von ihrem Vorgesetzten neckisch „Jolly" genannt, arbeitet seit vier Jahren im Detroit Police Department und ist eigentlich ganz zufrieden mit ihrem bisherigen Leben. Wäre da nur nicht das Problem mit der gespaltenen Gesellsc...