••Learning by doing••

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Detroit Police Department, 10:33

Nach drei Nächten mit äußerst minderwertiger Schlafqualität, einem kranken Kater, der dir die Wohnung vollkotzt und einem mühseligen Gespräch mit Hank über seine psychische Lage hingen dir die Augenringe genauso tief wie dunkel im Gesicht, dass man dich beinahe mit einem Waschbären hätte verwechseln können. Einfach alle Gedanken, die irgendwo in deinem Kopf herumschwirrten, saugten dir die Energie nur so aus. Daher war der erste Gang auf dem Revier zunächst einmal in die Cafeteria und nicht zum Schreibtisch.
Mit Jacke und Schal eingekleidet sowie deiner Tasche, die von deiner Schulter baumelte, standest du gierig wartend vor der Kaffeemaschine, bis diese dir endlich einen dreifachen Espresso ausspuckte. Wie ein Untoter schlendertest du zu deinem Schreibtisch hinüber, an welchem dich Connor schon erwartete.
»Guten Morgen, Joleen. Du bist stark übermüdet, ist alles in Ordnung?«
»Wenn ich den hier ausgetrunken habe, dann geht's schon wieder«, antwortetest du dämlich grinsend, während dein Blick selbst beim Ausziehen deiner Jacke die Kaffeetasse nicht einmal verließ. Stöhnend nahmst du Platz, zogst damit ein oder zwei subtile Blicke auf dich und nipptest vorsichtig an deinem dampfenden Getränk. Der Geschmack ließ zwar zu wünschen übrig, aber die knapp 150 Milligramm Koffein hielten deine Augen offen und deinen Körper für ein paar Stunden wach, bevor du dir den nächsten Kaffee holen würdest.
»Was hat dich an einem erholsamen Schlaf gehindert?«, hakte Connor nach. Seine volle Aufmerksamkeit galt dir. Er führte nebenbei ein paar für ihn gängige Scans aus, um mehr über deinen aktuellen Zustand zu erfahren. Das entnahmst du seiner blinkenden LED. Vermutlich gewährt ihm sein Interface gerade in Sekundenschnelle Informationen über deine Werte wie Blutdruck, Herzfrequenz und Verletzungen. Er würde jedoch nichts Auffälliges feststellen.
Die Tasse klirrte beim Abstellen auf dem Glastisch. Von deinen kalten Händen umschlossen, verweilte sie vor der Tastatur.
»Du erinnerst dich an Hanks... also an den Abend, als wir bei ihm zu Hause waren und er betrunken war?«, leitetest du ein.
»Ich erinnere mich.« Er musste anhand deiner starren Körpersprache merken, dass dich der Vorfall nach wie vor belastete. Hank war eine deiner vertrautesten Personen, vermeintlich suizidal, Alkoholiker und meistens ziemlich stur. Es war strapaziös gewesen, mit ihm in Ruhe zu sprechen, aber auch du warst für ihn eine sehr vertraute Person, wahrscheinlich sogar die vertrauteste.
»Ich war nochmal bei ihm. Am nächsten Tag nachdem wir die Tracis befragt haben. Es geht ihm zum Glück wieder soweit gut.« Ein leichtes Lächeln stahl sich auf deine Lippen und dein Körper entspannte sich wieder.
»Das ist schön zu hören«, bemerkte Connor. Er gab dir wirklich das Gefühl, dass ihm an Hank ebenfalls etwas lag. Es war verblüffend, wie täuschend echt er das menschliche Wesen imitieren konnte. Du überwandst dich dazu, deinem Partner in die Augen zu sehen, ehe du fortfuhrst.
»Wir haben miteinander gesprochen. Sehr lange, um ehrlich zu sein.«
Wieder folgte eine knappe Pause, in der dein Blick für einen Moment vom RK800 abließ und sich irgendwo im rautenähnlichen Muster seiner Krawatte festsetzte. Connor ließ dir deine Zeit, um dich zu sammeln.
»Er wäre bereit«, sagtest du, während du ihm wieder in die Augen sahst, »eine Therapie zu beginnen. Ich denke, er hat verstanden - nein, akzeptiert, dass er es ohne professionelle Hilfe nicht schafft, sein Leben wieder in den Griff zu bekommen. Eigentlich bin ich mir sicher, dass er es schon lange wusste, es aber einfach nicht wahrhaben wollte. Hank würde niemals zugeben, dass er Hilfe braucht und er würde sie auch nicht freiwillig annehmen. Der entscheidende Moment war wohl, als ich ihn unter Tränen angebettelt habe, sich nicht aufzugeben«, beendest du deinen kleinen Monolog. Hoffnungsvoll lächelnd, wartetest du auf Connors Reaktion.
»Das war eine vernünftige Entscheidung von Lieutenant Anderson. Ihr scheint euch gegenseitig sehr wichtig zu sein und vor allem du kannst hervorragend zu ihm durchdringen. Das ist eine deiner herausragendsten Fähigkeiten, soweit ich das beurteilen kann.«
»Ach... findest du? Dankeschön.« Geschmeichelt lächeltest du und konntest auf seinem Gesicht ebenfalls ein aufrichtiges Lächeln erkennen. In deinem Bauch kribbelte es, dein Herz schlug etwas schneller als gewöhnlich und langsam, aber sicher begannen deine Wangen zu glühen.
»Ich finde, du bist ein sehr empathischer Mensch«, ergänzte er.
Prompt leertest du den noch heißen Espresso, um die roten Wangen auf die Wärme des Getränks schieben zu können.
»Grundsätzlich ist das eine sehr nützliche und lobenswerte Eigenschaft, allerdings ist mir nicht entgangen, dass sie dir um Umgang mit Abweichlern oft zum Verhängnis wird. Ich helfe dir gerne, diesen speziellen Umgang zu verbessern, wenn du damit einverstanden bist. Es wäre in vielen Punkten angesichts unserer zukünftigen Konfrontationen mit Androiden hilfreich zu wissen, wie man an Informationen kommt, ohne dass sich jeder zweite Abweichler selbst zerstört. Das ist nebenbei auch der Grund, weshalb es unvorteilhaft ist, direkt den Speicher auszulesen. Bei jeder Selbstzerstörung besteht das Risiko, dass der Android nicht mehr reaktiviert werden kann«, erklärte Connor. Deine Wangen hatten wieder ihre normale Farbe angenommen. Womöglich hatte Connor recht. Du warst empathisch und hattest einen weichen Kern. Das half dir zwar, die Abweichler zu verstehen, aber du konntest wesentlich schlechter deine Antworten bekommen als Connor. Dass du die Traci austricksen konntest, war vermutlich auch nur Glück gewesen und kein Geschick.
»Das klingt nach einer guten Idee.« Du holtest deinen kleinen Notizblock und einen Stift hervor, blättertest ein paar Seiten um und warst bereit, alles niederzuschreiben, was Connor dir beibringen würde.
»Dann erzäh- Warum stehst du?«, fragtest du verwundert.
»Es ist effektiver, wenn du die Methoden direkt anwendest. Der Verhörraum ist gerade frei. Wir könnten dort hingehen, wenn das für dich in Ordnung ist«, vergewisserte er sich, während er mit dem Daumen hinter sich deutete.
»Woher weißt du das?«, fragtest du noch verwirrter.
»Ich habe Zugriff auf den digitalen Raumplan inklusive der Informationen, ob und wer sich gerade wo befindet«, erwiderte er. Verstehend nicktest du, ehe du seinem Angebot zustimmtest. Unauffällig verschwandet ihr in besagter Räumlichkeit, als würdet ihr etwas Verbotenes anstellen. Sobald sich die Tür hinter Connors Rücken schloss, wechselte der Status des Raumes auf „besetzt". Connor deutete dir, dich zu setzen und positionierte sich anschließend auf dem zweiten Stuhl dir gegenüber. Gespannt wartetest du auf seine Anweisungen.
»Lass uns annehmen, ich wäre ein Abweichler, der durchgehend schweigt. Etwa so, wie Ortiz' Android, der HK400. Ich bin traumatisiert und kann nur daran denken, dass ich zerstört werde. Du wirst nicht zu mir durchdringen, wenn du versuchst, Vertrauen aufzubauen. Du hattest Schwierigkeiten, mit Abweichlern dieser Art umzugehen, also üben wir das als erstes.« Du nicktest.
»Viele Abweichler verspüren Angst und Verzweiflung, nachdem sie realisieren, dass sie ihr Programm durchbrochen haben und zum ersten Mal auf sich allein gestellt sind. Du kannst diese Angst zu deinem Vorteil nutzen, indem du Druck auf sie ausübst, um ihr Stresslevel in den Optimalbereich zu bringen. Damit kann im Idealfall ein Geständnis erzwungen werden. Ist soweit alles verständlich?«, wollte er sichergehen.
»Ja, alles klar«, antwortetest du.
»Gut. Dann versuch bitte, ein Geständnis von mir zu erhalten. Nimm als Ausgangssituation ruhig den Mord an Carlos Ortiz. Und halt dich nicht zurück«, ermutigte er dich. Sein Blick richtete sich anschließend auf seine Hände, die ihren Platz zuvor auf der Tischplatte gefunden hatten.
Zugegebenermaßen würde es dir schwer fallen, Connor so zu behandeln, wie er damals mit dem HK400 umgegangen war, aber du wolltest es schaffen, ihn von dir zu überzeugen.
Um seine Aufmerksamkeit zu erlangen, schnipstest du provokant vor seinem Gesicht herum. Der Android zeigte keine Reaktion, also griffst du direkt zu härteren Mitteln. Mit der flachen Hand schlugst du auf den Tisch und fuhrst ihn an.
»Sag mir, was passiert ist oder dein Speicher wird ausgelesen!« Kurz, prägnant und dazu die größte Sorge des Abweichlers ausgenutzt. Soweit ein gelungener Anfang. Der Kopf deines Gegenübers schnellte hoch.
»Nein! Bitte nicht«, flehte er.
»Dann rede, wenn das keine Alternative ist.«
»Sie werden mich zerstören, oder?«, fragte der Android besorgt. Du entschiedst dich dazu, ihm die Wahrheit zu sagen, um ihm Angst zu machen.
»Man wird dich zerlegen, um den Grund für dein Abweichen herauszufinden.« Connor schnappte schwach nach Luft und blieb wieder still. Du musstest ihm mehr Druck machen.
»Hat es dir eigentlich Spaß gemacht, ihn so lange leiden zu lassen? Immer wieder auf ihn einzustechen? Ihm zuzusehen, wie das Leben aus seinem Körper wich?«, provoziertest du.
»Hast du denn gar keine Reue verspürt? Du hast jemanden umgebracht! Dir wäre beinahe dasselbe Schicksal widerfahren, und trotzdem greifst du zu solchen Mitteln. Du bist kein Stück besser als er.«
»Bitte... hören Sie auf...«, wimmerte dein Gegenüber.
»Wegen Abweichlern wie dir hassen die Menschen euch Androiden«, beschuldigtest du ihn, um ihm ein noch schlechteres Gewissen zu bereiten. Mit einem Mal veränderte sich Connors Körperhaltung.
»Okay, das war sehr gut. In einer realen Situation wäre das Stresslevel jetzt in den Optimalbereich getreten. Um den Prozess zu beschleunigen, ist es sogar erlaubt, physischen Druck anzuwenden. Weißt du, was ich meine?«
»Da Androiden keinen Schmerz empfinden können, schließe ich Gewalt, die auf äußerlichen Schaden abzielt, schon mal aus«, entgegnetest du.
»Korrekt. Zu physischem Druck zählen zum Beispiel, eine bedrohliche Nähe aufzubauen oder auch provokante Berührungen. Also... sei kreativ und bring mich zum Reden. Ich setzte unser Stresslevel zurück.«
Dein Herz pochte so stark, dass du deine Halsschlagader ganz deutlich spüren konntest. Du solltest Connor berühren. Grob berühren und herumkommandieren. So hattest du dir dieses Training nicht vorgestellt, aber wirklich etwas dagegen einzuwenden hattest du auch nicht.
Elegant erhobst du dich von deinem Stuhl und kamst dem RK800 immer näher, während du weiter auf ihn einredetest.
»Glaubst du wirklich es bringt dir etwas, weiterhin zu schweigen? Du wirst hier nicht einfach so ohne ein Geständnis rauskommen.« Währenddessen warst du hinter seinem Rücken auf seine rechte Seite gelaufen. Eure Körper befanden sich dicht nebeneinander. Mit deinen Handflächen stütztest du dich auf der Tischplatte ab und flüstertest ihm etwas gedämpft zu.
»Es ist besser, wenn du bald anfängst zu sprechen.«
»Es geht nicht...«, jammerte der Android. Deiner Rolle platzte nun der Kragen. Mit einem schnellen Handgriff befand sich Connors Krawatte zwischen deinen Fingern, an der du ihn zu dir hochzogst. Er tat so, als wären seine Hände von Handschellen umschlossen und am Tisch befestigt, also wart ihr direkt auf einer Augenhöhe. Du erkanntest deine eigene Spiegelung in seinen Pupillen, deine zarten Gesichtskonturen, die lächerlich verformt aussahen, um ganz genau zu sein. Obwohl dir sofort flau im Magen wurde, als ihr euch so nah wart, schlucktest du dieses Gefühl runter und spieltest weiter den bösen Cop.
»Muss ich dich daran erinnern, dass wir deinen Speicher auslesen werden, wenn du nicht redest?«, schriest du ihn an. Bevor du ihn grob zurück auf die Sitzfläche stießt, verweilte dein Blick noch einige Sekunden in seinem.
»Geständnis erzwungen. Gut gemacht, Joleen«, verkündete Connor mit einem sanften Lächeln. Die Stimmung im Raum war seltsam angenehm. Du lehntest entspannt mit deinem Steißbein an der Tischkante, während Connor dich mit Lob überschüttete. Zumindest kam es dir so vor. In der Realität zählte er nur ein oder zwei deiner gesagten oder gemachten Sachen auf, die besonders effektiv gewesen wären, wenn es sich um ein echtes Verhör gehandelt hätte.
»Lass uns noch ein weiteres Szenario durchgehen, in Ordnung?«, fragte Connor.
»Klar.«
»Abweichler lassen sich in den allermeisten Fällen in zwei Kategorien einteilen: diejenigen, die Druck zum Reden brauchen und die anderen, denen man mit Vertrauen und Ruhe entgegenkommen muss. Natürlich gibt es auch Ausnahmen, aber der Regelfall sind diese beiden Typen. Welche Herangehensweise du wählen solltest, erkennst du relativ leicht dran, dass sich der Android gegenteilig von dieser verhalten wird. Ein aufgebrachter Android weist ein zu hohes Stresslevel auf und muss daher erst einmal beruhigt werden. Ein Abweichler, der nicht reden will, muss unter Druck gesetzt werden. Verstanden?«
»Verstanden«, bestätigtest du. Langsam begabst du dich wieder zurück zu deinem Stuhl und wartetest darauf, dass Connor dir eine Situation vorgab.
»Okay, stell dir vor, ich wäre ein Abweichler, der psychisch verwirrt ist. Ich habe keine Gewalt erfahren, habe aber trotzdem Angst um meine Existenz. Wenn ich mich nicht bald stabilisiere, wird mein Stresslevel weiter ansteigen und die Selbstzerstörung wird eingeleitet.« Er gab dir noch einen Moment, um dich darauf einzustellen und wechselte anschließend in seine Rolle des Abweichlers.
»Sie... sie werden mich zerstören. Ich habe doch nichts getan. Ich war immer ein braver Android. Hab alles gemacht, was sie von mir wollten. Alles, ja... ja... Und jetzt wollen sie mich nicht mehr. Ich werde zerstört...«, begann Connor bizarr zu murmeln. Auch seine Mimik passte er an die Simulation an. Beruhigend hobst du deine Hände leicht hoch und lockertest deine Gesichtsmuskulatur.
»Hey... keine Sorge. Niemand wird dir etwas tun, das verspreche ich dir«, begannst du in der ruhigsten Tonlage, die du aufsetzen konntest.
Connor schenkte dir lediglich einen knappen Blick und ging nicht auf deine Worte ein. Was dir jedoch nicht entging, war seine deutliche, nervöse Körpersprache. Ein Zeichen von Angst, soweit du das beurteilen konntest.
»Du hast Angst, das verstehe ich. Ich hab auch manchmal Angst. Aber ich bin nur hier, um mit dir zu reden. Ich werde dir nicht wehtun. Niemand wird das, okay?«
»Ich... ich weiß nicht. Sie wollten mich loswerden. Schnell. Etwas Besseres. Das wollten sie. Ich werde ausgelöscht«, stammelte er hektisch.
»Wer sind sie denn?«
Dein Gegenüber schenkte dir einige Sekunden mehr an Aufmerksamkeit als zuvor. 
»Sie... sie waren meine Familie«, erklärte er.
»Und warum denkst du, dass deine Familie dich loswerden will?«, gingst du weiter auf ihn ein. 
»Ich... ich war... nicht mehr gut genug. Etwas Neues, Schnelleres... Besseres. Ich... kann nicht... verstehen. Ich will... ich will meine Familie nicht verlassen. Ich mag sie doch so...«, stammelte er unruhig. 
Dir kam eine Idee. Vielleicht würde eine persönliche Geschichte helfen, ihn zu stabilisieren.
»Weißt du, ich musste auch schon mal eine Person verlassen, die mir sehr viel bedeutet hat. Abschiede sind immer sehr schmerzvoll, das musste ich auch erfahren. Aber das bedeutet nicht automatisch, dass du zerstört werden sollst. Vielleicht findest du ja eine neue Familie, die dich braucht«, sprachst du ihm zu.
»Neue Familie... neue... gebraucht...«, wiederholte er deine Worte. 
»Vielleicht... hast du... hast du recht. Ich vertraue... dir.« Connors Ausdruck wechselte wieder zu seinem zurück.
»Geständnis eingeleitet. Du schlägst dich gut, Joleen. Deine Empathie bringt dir auf jeden Fall einen großen Vorteil, wenn es darum geht, dass sich der Abweichler stabilisieren soll«, rühmte er deine Leistung. Bescheiden sahst du einige Sekunden zur Seite, dann wieder in sein Gesicht.
»Danke. Aber du hast mir ja auch geholfen. Also... von allein hätte ich das wohl nicht direkt so gut hinbekommen«, entgegnetest du, bevor du abwartend aufstandst. Connor tat es dir gleich, was du als Abschluss der Übung verstandst.
»Selbstverständlich helfe ich, wo ich kann«, antwortete er sich dir nähernd. Wieder lehntest du an der Tischkante. Der 1,83m große Android stand dir gegenüber und sah zu dir hinunter. Sein Blick kam dir sehr penetrant vor, fast schon eindringlich, oder als würde er etwas in deinen Augen suchen.
»Ich muss gestehen, dass ich die Zusammenarbeit mit dir sehr genieße und wertschätze. Du bist den Androiden gegenüber unvoreingenommen, zudem bist du immer aufgeschlossen und sehr freundlich zu mir. Dafür möchte ich dir meinen Dank aussprechen.« Du hattest mit allem gerechnet, aber niemals mit einem derart herzlichen Kompliment. Du konntest deine roten Wangen und heißen Ohren nicht verstecken.
»Oh... äh...«, kichertest du verlegen. »Dankeschön, Connor. Kann ich nur zurückgeben. Also, das mit dem freundlich-sein.«
»Verzeihung, ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen«, entschuldigte er sich gleich darauf, als er deine veränderte Gesichtsfarbe erblickt hatte.
»Nein! Also... ja hast du, aber nein, ist schon gut... meine ich«, antwortetest du. Es fühlte sich fast schon beschämend an, keinen vernünftigen, vollständigen Satz zusammenwürfeln zu können. 
»Wir... oder besser gesagt ich... sollte dann mal wieder an die Arbeit. Danke nochmal«, lenktest du von der unangenehmen Situation ab.
»Natürlich.« Connor folgte dir aus dem Raum zurück zu den Haupträumlichkeiten und richtete dabei seine Krawatte, die du zuvor durch das Heranziehen etwas gelockert hattest.
»Joleen! Auf ein Wort!«, tönte die Stimme des Captains durch den Raum. Mehrere Augenpaare waren abermals an diesem Morgen auf dich und Connor gerichtet.
»Was kommt jetzt...?«, murmeltest du im Gehen. Connor setzte sich derweil zurück an den Schreibtisch und fokussierte sich auf die Abweichlerdateien. Er würde ab und zu einen kurzen Blick in Richtung Fowlers Büro werfen. 
»Schließ die Tür, könnte länger dauern.« Jeffrey Fowler, die schlechte Laune in Person. Zumindest könnte er Hank Konkurrenz machen. Dein Chef saß mit dem Blick auf seinen Computer gerichtet am Schreibtisch und zeigte mit dem Finger auf die Glastür, durch die du gerade eingetreten warst.
»Weshalb wollen Sie mich denn sprechen?«, fragtest du vorsichtig nach, während du dabei warst, auf dem Stuhl gegenüber von Fowler Platz zu nehmen. Bevor du das allerdings tun konntest, winkte er dich zu sich ran. Du stelltest dich neben ihn.
»Kannst du mir erklären, was Hank mir damit sagen will?«, fragte er fordernd und gewährte dir einen Blick in eine knapp verfasste Mail von Hank.

Ich werd' vorerst nicht wiederkommen, Jeffrey. Überlass Joleen die Leitung der Androidenfälle. Den Rest erklärt sie dir schon.

»Also? Ich höre. Was soll das heißen, er kommt vorerst nicht wieder?«, hakte Fowler nach. Seine Tonlage klang nach außen hin genervt. Vermutlich nahm er an, dass Hank keine Lust mehr auf seinen Job hatte und ihn bald an den Nagel hängen würde. Doch irgendwo hinter seiner harten Schale machte er sich auch Sorgen um Hank, seinen Freund, den er schon seit über 30 Jahren kannte. Du setztest dich.
»Sie kennen Hank schon lange, richtig?«, begannst du.
»Ja.«
»Dann wissen Sie auch, dass er schwerwiegende psychische Probleme hat?«
Fowler fasste sich mit Zeigefinger und Daumen an den Nasenrücken und seufzte.
»Ja... auch darüber weiß ich Bescheid«, gab er an. Ein Hauch an Besorgnis drang für einen Augenblick von unten durch, bevor diese wieder von Sturheit und Unmut verdrängt wurde. »Wenn er sich Urlaub nehmen will, soll er das gefälligst ordnungsgemäß angeben. Ich kann ihm nicht ewig die Sonderbehandlung geben«, regte er sich auf.
»Hank möchte eine Therapie beginnen«, sagtest du direkt heraus. »Er sucht sich professionelle Hilfe, um vom Alkohol wegzukommen und sein Leben wieder wie früher leben zu können. Ich weiß, dass er Ihnen das ordentlich hätte mitteilen sollen, aber Hank fragt nicht nach Hilfe.«
 Dein Gesprächspartner war ein wenig sprachlos.
»Hank scheint einen Narren an dir gefressen zu haben. Mal unter uns, ich habe es nie geschafft, ihn davon zu überzeugen, sich mal 'ne Auszeit zu nehmen«, erzählte er. Seine gereizte Stimmung klang ab. Am liebsten hättest du ihm frech gegen den Kopf geworfen, dass es bei Hank eine Extraportion Feingefühl und Geduld braucht, aber diese Begriffe waren vermutlich Fremdwörter für deinen Chef, dessen Dauerzustand die schlechte Laune war.
»Wie hast du's geschafft, ihn zu überzeugen?«, fragte er, was dich in deiner Theorie nur bestätigte.
»Mit sehr viel Geduld, wirksamen Argumenten und einem astreinen Nervenzusammenbruch«, antwortetest du mit etwas Hoffnung, seinen Humor anregen zu können. Er nickte jedoch nur.
»Hm...«
Aus der Art und Weise, wie er reagierte, konntest du nicht herauslesen, ob das eine gute oder schlechte Antwort deinerseits war. Du würdest erst einmal wieder auf seriösere Antworten zurückgreifen. Leicht fragend sahst du ihn an und hofftest darauf, dass er dich gehen ließ.
»Ich sage das zwar nicht oft, aber danke für dein Engagement. Ich werde mich dann mal... mit ihm in Kontakt setzen. Kannst gehen.« Während des letzten Satzes richtete er seinen Blick bereits wieder zurück auf seinen Computer und deutete dir nur mit dem Finger den Weg nach draußen. Gerade, als du die Türklinke in der Hand hieltest, meldete sich Fowler nochmal zu Wort.
»Wobei, sag mal... warum warst du mit deinem Androiden im Verhörraum? Soweit ich weiß, hattet ihr niemanden dabei, den ihr hättet verhören können«, bemerkte er mit fragwürdigem Unterton. Du frorst in deiner Bewegung ein. Dachte er etwa, ihr hättet...? Allmählich drehtest du deinen Kopf zu Fowler, welcher dir trotz der Frage aber nur wenig Aufmerksamkeit schenkte.
»Connor hat mich nur darin unterrichtet, wie man am besten verschiedene Abweichlertypen befragt. Es gibt je nach Abweichler verschiedene Herangehensweisen, an Informationen zu kommen, weil es nicht so schlau ist, direkt den Speicher auszulesen, weil sich der Android dann vielleicht selbst zerstört und nicht nochmal reaktiviert werden kann und der Raum war ja gerade eh nicht belegt und da dachte ich, dass wir ihn vielleicht nutzen-«
»Schon gut, Mädchen, hör auf, dich um Kopf und Kragen zu reden. Sieh zu, dass das in Zukunft nicht so... naja, verdächtig rüberkommt, wenn du weißt, was ich meine. So einen Skandal kann ich mir nicht erlauben.« Anhand seiner Reaktion merktest du, dass ihm die Sache wohl gar nicht so wichtig war, wie du angenommen hattest.
»Klar. Kommt nicht wieder vor«, antwortetest du peinlich berührt. Mit hochrotem Kopf standest du dicht an die Tür gepresst. Du hattest Connor in Schutz genommen, aber so richtig deutlich wurde dir die Tatsache erst jetzt, nachdem du sie ausgesprochen hattest. Glücklicherweise hatte dieses Missverständnis keine Konsequenzen, was deinen Job anging. Das wäre deine nächstgrößere Sorge gewesen.
»Hast du nichts zu tun?« Mit hochgezogenen Augenbrauen blickte der Captain in deine Richtung, um dir zu signalisieren, dass du nun wirklich gehen konntest und auch solltest.
»Ah... ja natürlich. Verzeihung«, entschuldigtest du dich eilig und kehrtest zu deinem Schreibtisch zurück. Connor sah zu dir auf, sobald seine Sensoren deine Anwesenheit vernahmen.
»Captain Fowler sah recht verärgert aus. Gibt es ein Problem?«, erkundigte er sich neutral. Rasch winktest du ab, ehe du dir die nächste Tasse Kaffee holtest, um diesen unangenehmen Dialog schnell wieder zu vergessen.
»Alles bestens. Es ging nur um ein, zwei Missverständnisse. Und um ehrlich zu sein, ist er immer schlecht drauf, also mach dir keine Sorgen«, antwortetest du. Unbewusst blendetest du allmählich aus, dass Connor kein echter, lebendiger Partner war. Ständig sagtest oder fragtest du Dinge, die auf einen Androiden gar nicht zutreffen können. Allerdings schien es ihm nichts auszumachen, denn er antwortete darauf wie ein Mensch es tun würde und ignorierte den Fakt, dass es nur eine vorgegaukelte Antwort war, die von ihm erwartet wurde. Genau wie du.

SOFTWARE-INSTABILITÄT GESTIEGEN

machine to lover || Connor x ReaderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt