Besuch in der Unterwelt

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Ruby genoss ihre Zeit bei den Weasleys so sehr, dass sie den Fuchsbau am Ende der Ferien gar nicht mehr verlassen wollte. Es hatte Molly alle Überzeugungskraft gebraucht, um sie am Morgen der Abfahrt unter der Decke hervorzulocken. Mit dem Versprechen, dass sie zu W1§eihnachten wiederkommen durfte, hatte sie es schliesslich geschafft. Mit dem fliegenden Auto, dass sich in der Garage versteckt hatte, wurden sie an den Bahnhof gebracht. Ruby war begeistert vom Fahrzeug. Es wunderte sie, wie sie es bis dahin nicht bemerkt hatte.

Kaum waren sie am Gleis 9 ¾ angekommen waren, stand Ruby innerhalb von ein paar Augenblicke alleine da. Percy hatte sich kurz von seinen Eltern verabschiedet, bevor er davonstakste. Fred und George hatten sich ihre Koffer geschnappt und waren mit einem Wirbel in der Menge verschwunden. Wahrscheinlich, um ihr erstes Opfer zu finden. Charlie hatte zur gleichen Zeit Chuck entdeck und hatte ihre Seite verlassen, ohne dass sie es bemerkt hatte. Ruby selbst stand orientierungslos da. Von überall strömten Gesprächsfetzen und Fetzen aus der Vergangenheit und der Zukunft auf sie ein. Jemand rempelte sie aus Versehen mit der Schulter an und augenblicklich kannte sie seinen Namen, seine Lieblingssocken und der Ohrenwurm der ihm seit fünf Tage nicht aus dem Kopf ging nun bei sich selbst im Kopf. Durch die Ruhe und Weite die den Fuchsbau umgab, hatte Ruby ihre mentalen Schilde vernachlässigt. All diese Menschen überfluteten ihre geistige Aufnahmekraft und liessen sie von der materiellen Welt nichts mehr sehen. Mit Mühe schaffte es Ruby, sich durch die Visionen hindurch zu boxen und sie im Hintergrundrauschen verschwinden zu lassen. Das war der Moment gewesen wo sie bemerkte, dass sie alleine dastand. Die Jungs waren verschwunden. Immer noch etwas benommen sah sie sich suchend um. Als eine Hand sich um ihre schloss, zuckte sie überrascht zusammen, ehe sie auf die kleine Person neben sich hinuntersah. Ginny stand neben ihr und lächelte mit ihren klaren Augen zu ihr hoch.

«Danke Ginny», sagte sie dann, was das Lächeln auf dem Gesicht des Mädchens vertiefte. Ruby liess sich von ihr wieder zu Arthur und Molly führen. Charlie und Chuck standen bereits bei ihnen und sahen sich panisch in der Menge um. Als sie Ruby entdeckten, von Ginny zurück geführt, entspannten sie sich wieder.

"Wo warst du?", fragte Charlie, leicht vorwerfend. Ruby warf ihm einen bösen Blick zu. Oder jedenfalls dem unscharfen Umriss der von vielen Eindrücken und Erinnerungen überdeckt wurde. Sie löste ihre Hand von Ginnys um in anklagend in Charlies Richtung zu strecken, als eine grössere Welle sie wieder zudeckte. Ächzend hielt sich Ruby ihre Hände an die Ohren und versuchte die vielen Stimmen auszublenden. Betroffen stürzte Charlie vorwärts und griff nach ihrer Schulter um sie zu stabilisieren.

"Ruby! Was ist los?", fragte er besorgt. Durch den direkten Körperkontakt, verdrängten Charlies eigene Erinnerungen diejenigen, von den Menschen um sie herum. Ruby bemerkte dies und klammerte sich daran fest. Sie gab sich Mühe, den Strom an Erinnerungen und Gedanken etwas  zu lenken, so dass sie seine Privatsphäre nicht störte. Sie konzentrierte sich deshalb auf ihre gemeinsamen Erlebnisse. Die vertrauten Bilder und Personen die sie nun sah, halfen ihr, sich wieder  im Hier und Jetzt einzubringen. Die Reizüberflutung brach ab und gab ihr eine kurze Verschnaufpause und genügend Zeit, ihre mentalen Schilder wieder hochzufahren.

"Alles okay?", fragte nun auch Chuck, der auf ihrer anderen Seite stand und ihr ebenfalls eine Hand auf die Schulter legte. Mit einem Zischen zog Ruby die Luft ein und ihr Kopf schoss in den Nacken. Die entsetzten Stimmen der Jungs konnte sie nicht mehr hören. Eigentlich konnte sie gar nichts mehr hören. Es war still. Totenstill. Warum?

Verwundert sah sich Ruby um. Der Schmerz verschwand zwar nicht, reduzierte sich jedoch zu einem brodelndem Summen unter ihrer Haut. Dass es sich um eine Vision handelte, war ihr bewusst. Visionen erschienen immer in den komischsten und obskursten Szenarien, es konnte sie also keine mehr überraschen. Aber diese hier war anders. Mehr... bedrückend. Eine tote Schwere hing in der Luft. Sie kniff ihre Augen zusammen und versuchte mehr in der Dunkelheit zu erkennen. Obwohl es ganz klar nirgends eine Lichtquelle hatte, liessen sich doch Einzelheiten erkennen. Tot. Es gab kein anderes Wort, um diesen Ort zu beschreiben. Der Boden war tot und vertrocknet. Einen Himmel schien es nicht zu geben. Denn es war nichts erkennbar ausser eine gähnende Dunkelheit über ihrem Kopf. Die paar Bäume die sie ausmachen konnte, hatten keine Blätter und schienen versteinert. Die Luft war dick und schien seit Jahren unangetastet von Fauna und Flora. Tot. Alles war tot. Und dann erschien Leben. Oder etwas lebendiges, korrigierte sich Ruby in ihrem Kopf. Zuerst sah sie nur einen sich bewegenden Schatten in der Dunkelheit. Dann liess sich immer mehr eine Figur ausmachen, mit menschlichen Gliedern und menschliche Gesichtszüge. Sie kannte ihn, dass wusste Ruby. Nur nicht woher. Wenige lautlose Schritte vor ihr blieb der Mann stehen. Stumm sahen sie sich an. Ruby traute sich nicht zu sprechen aus Furcht, dass die Leere ihre Worte schlucken würde.

Between worlds(Charlie Weasley FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt