Anerkannt

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Ruby kriegte nichts geregelt. Zwei Wochen lange blieb sie verschwunden. Die letzten zehn Tage davon fand sie den Weg in ihren Körper nicht mehr. Gestartet hatte das Projekt wunderbar. Sie übte sich von ihrem Körper zu lösen und ihren Geist wandern zu lassen, so wie sie es bis jetzt immer geübt hatte. Ein einziges Mal hatte sie es sogar bis nach London geschafft um die Queen zu besuchen. Am dritten Tag hatte sie versucht, ihre Gabe auf Objekte anzuwenden und ihre «Lebensgeschichte» zu sehen, so wie sie es mit allen Lebewesen tat. Es funktionierte nicht. Was sie sehr frustrierte. Daher wurde sie am vierten Tag bei der Meditation etwas übermütig und versuchte eine Vision zu erzwingen. Dies endete damit, dass ihr gefühlt den Schädel langsam gespalten und ihr Bewusstsein wie bei einem Kürbis für Halloween herausgekratzt wurde. Und für zehn Tage lang war sie alles und nichts. Überall und Nirgends. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Sie lebte etliche Leben, starb etliche Male. Sah zu wie ihr Leben zerstört wurde und wie sie Leben zerstörte. Es war so viel. Sie versuchte sich an ihrem Körper festzuklammern, versuchte sich gegen all die Strömungen zu wehren die sie in alle verschiedenen Richtungen davontragen wollten. Doch irgendwann vergass sie, gegen was sie sich wehrte. Was tat sie da? Sie fühlte den Unterschied nicht mehr.

Das ist mein Leben, dachte sie und streichelte liebevoll den Kopf ihres schlafenden Kindes. Das ist mein Leben, dachte sie, als ihr Kollege neben ihr von einer Granate in Stücke gerissen wurde. Das ist mein Leben, dachte sie, als sie versuchte ihr sterbender Patient am Leben zu halten. Das ist mein Leben, dachte sie, als sie ihren Zauberstab hob und auf den Jungen ihr gegenüber richtete. «Avada Kedavra», schrie sie.

Hier ist mein Platz in der Welt, dachte sie, als sie sich an ihren neuen Bürostuhl setzte, ein Kaffee in der Hand. Hier ist mein Platz in der Welt, dachte sie, als sie in Reihen von Soldaten auf dem Paradeplatz unter ihr sah. Hier ist mein Platz in der Welt, dachte sie, als sie zufrieden seufzte und ihren Kopf auf der Schulter ihre Dates legte, mit dem sie im Kino sass und Star Wars schaute.

Ihr Bewusstsein zerbröselte Stück für Stück. Es war so weit über Zeit und Raum hinaus gedehnt, dass es sich selbst nicht mehr erkannte und begann zu zerfallen. Ich bin ein Arzt, ich bin eine Ballerina, ich bin ein Assistent, ich bin eine Mutter, ich bin-

«Charlie Weasley» Sie schnappte nach Luft. Dachte sie zumindest. Stattdessen streckte sie ihre Hand aus. Ihr gegenüber sass ein Junge. Er sah so seltsam aus. Aber er war freundlich zu ihr gewesen und hatte sie mit ihm im Abteil sitzen lassen. Sie beobachtete wie seine bleichen hellblauen Augen von ihrem Gesicht zu ihrer Hand wanderten und wieder zurück. Zögerlich nahm er sie an. Erfreut schüttelte Ruby sie und grinste ihn an. Ein schüchternes Lächeln kam zurück.

«Du sagtest du bist aus Amerika? Ich glaube Papa hatte mal gesagt, dass das ganz weit weg ist. «

«Ja, genau. Mein Papa war so lieb gewesen und hat mich nach England gebracht», sprach Chuck und stolperte über seine Worte. Sie hatte das Gefühl, dass sie wusste wer das war. Und dass verwirrte sie. Woher sollte sie wissen, wer der Vater dieses Jungen war, den sie gerade erst kennengelernt hatte?

Dann verschwand es.

Nein, schrie Ruby auf und versuchte sich daran festzuklammern. Es wurde ihr bewusst, dass es ihr entglitt und weiterzog. Was zog sie weiter, fragte sie sich plötzlich. Wohin, folgte augenblicklich.

Wie hiess ich nochmals, dachte sie angestrengt nach, als Visionen und Ortschaften an ihr vorbeizogen. Was war mein Name? Sie fokussierte sich auf ihr Erinnerungsvermögen und mit viel Anstrengung zauberte sie ein Bild vor ihre Augen, dass sich tapfer gegen die Strömung weiteres Alles stellte und standhaft blieb. Sie hatte dem Jungen die Hand geschüttelt. Aber wer war sie selbst? Der Wirbel an Bildern nahm zu und versuchte ihre Gedanken einzunehmen, versuchte sich in ihren Kopf zu drängen. Welcher Kopf? Sie hatte keinen. Nein, dachte sie und biss die Lippen zusammen. Diesmal würde sie nicht nachgeben. Diesmal? Egal. Was ist mein Name? Wie habe ich mich dem Jungen gegenüber vorgestellt?

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jun 17 ⏰

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Between worlds(Charlie Weasley FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt