Es ist neun Uhr dreißig, die Melodie aus dem Telefon ertönt. Als wäre es die Titelmelodie für einen Filmcharakter. Die viel zu warme Bettdecke fliegt auf den „unbenutzten" Teil des viel zu großen Bettes. Ganz wie in einem dieser Filme. Nur in Unterhose torkelt der Zeitgenosse nahezu blind ins Bad; erstmal aufs WC! (Morgen-)Routinen, wie sie jede*r kennt. Hastig wird zusammengesucht, was man eben so braucht. Handtücher, Duschgel, Haarpflege, Deo...dann ab unter die Dusche. Dann weniger cinematisch in die Kleidung schlüpfen, einen verpönten Duft auflegen, der dennoch Komplimente hageln lässt und ab ins heutige Schuhwerk. Bequem oder lieber chic? Fragen, die sich jeder NPC stellt. Und schon geht's los zum Bus, überpünktlich natürlich. Es könnte ja sein, dass der mal zu früh fährt! (Jede*r „Deutsche", immer). Dann warten auf den Bus, der ohnehin nicht rechtzeitig kommen wird, denn er wird von der DB AG betrieben...und man kommt sich vor, wie in einem schlechten Film. All das nur, um einen Menschen zu sehen. „Nur"...es bedeutet mir viel, sehr viel. Auch wenn ich ihr nie so nah kommen werde, wie es mir in den Sinn käme, ist die Nähe zu ihr einfach nur heilend. Sie heilt Wunden, die andere zuvor provozierten. Ganz wortlos, ohne Gegenleistung. Ist das platonische Liebe? Wenn ja, will ich sie nie mehr missen.
- Aus dem Leben eines Zeitgenossen, den Zeit nicht mehr affektiert
DU LIEST GERADE
Aus dem Leben eines Zeitgenossen, den Zeit nicht affektiert
PoetryGeschichten und Gedanken eines Zeitgenossen, dem Zeit nichts anhaben kann