Mittwoch, 27.11.1878

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Florence weckte mich, indem sie energisch an die Tür klopfte und gerade so auf mein „Herein!" wartete, bis sie eintrat. Sie trug ein hübsches Kleid und ihre Haare waren weniger akribisch nach hinten gebunden, sondern waren verhältnismäßig locker mit einer schönen silbernen Haarspange nach oben gesteckt. Sie wirkte aufgeregt, aber nicht gehetzt.

„Sie müssen sich beeilen. Ich bin froh, dass sie und Lady Annabeth schon das Kleid herausgesucht haben. Für den Lord muss alles bestens sein. Er muss sehen, dass Sie sich hier wohlfühlen."

Florence lächelte mich an.

Ich war noch sehr verschlafen, aber ich strich mir einige Haarsträhnen aus dem Gesicht, die sich über Nacht aus dem Zopf gelöst hatten und schlug die Bettdecke zur Seite.

Florence reichte mir einen Morgenmantel, den ich mir überzog. Dann nahm ich auf dem Stuhl vor dem Frisiertisch Platz. Ich musste sagen, dass ich ausgeschlafen aussah und mich auch so fühlte.

Zuerst löste Florence den Zopf und bürstete vorsichtig meine Haare. Dann begann sie die Frisur zu zaubern. Ihre Hände waren schnell und ich fragte mich wie lange sie gebraucht hatte um so schnell, etwas so Gutes mit Haaren anzustellen.

Lord Hamilton sollte kurz nach dem Frühstück eintreffen und deswegen trug ich vorerst ein gewöhnliches Kleid für morgens.

Ich wünschte, ich könnte noch länger mit Florence reden, denn ich wollte noch einiges erfahren wie ich mich zu verhalten hatte, aber sie hatte nur noch einen Rat für mich.

„Sie werden merken, wann sie ihm gefallen und wann nicht. Er macht es einem in vielen Hinsichten sehr leicht, gemocht zu werden."

Ich zog fragend die Augenbrauen nach oben, aber sie ignorierte mich und ich musste gehen.

Unten traf ich auf Annabeth, deren Haare nicht hochgesteckt, sondern einfach nur auf eine aufwendige Art und Weise nach hinten geflochten waren. Sie strahlte über das ganze Gesicht und rief fröhlich: „Guten Morgen!"

Wieder wurde ich daran erinnert, dass sich alles ändern sollte. Ich hoffte es innig. Dennoch war mir immer noch merkwürdig dabei, dass heute erst der eigentliche Hausherr eintreffen sollte. Eigentlich hatte ich mich schon an den Tagesablauf gewöhnt. Es war mir alles noch nicht ganz klar, aber es war in Ordnung.

Ich war die ganze Zeit über wahnsinnig aufgeregt und irgendwann trug ich dann das wunderschöne Kleid, das ich gestern ausgewählt hatte. Ich sah nicht viel anders aus sonst. Es war auch gar nicht der Sinn gewesen besser auszusehen oder einfach nur anders. Es sollte nur alles überprüft und geregelt sein. Es sollte alles perfekt sein. Mehr hatte ich nicht mitbekommen.

Vor der Eingangstür lief Annabeth die ganze Zeit hin und her. Elizabeth Hamilton hatte ich seit dem Frühstück nicht mehr gesehen. James tauchte manchmal neben seiner Schwester auf und forderte sie auf, sich zu beruhigen und irgendetwas anderes zu tun. Theodore sah ich auch nicht und ich stand die meiste Zeit einfach nur auf der Treppe und sah nach unten in den Eingangsbereich, erwartungsvoll wartend.

„Ich sage ihm nichts."

Ich fuhr herum. Hinter mir stand Theodore. Ich hatte ihn nicht kommen hören und wunderte mich darüber, dass er mit mir redete, geschweige denn so etwas sagte.

„Warum?", fragte ich ohne ihm in die Augen zu sehen.

„Sie werden es zweifellos schwerer haben, wenn ich es tue. Ist Ihnen das nicht klar?"

„Es ist mir klar, aber ich rechne nicht damit, hier weiterhin wohnen zu dürfen, wenn irgendjemand erfährt, dass ich jemanden geohrfeigt habe, ohne mich dabei wenigstens zu verteidigen, weil er mir Gewalt antun will."

BlutbrautWo Geschichten leben. Entdecke jetzt