Nichts Zu Verlieren

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12. Februar 2003 Shibuya

Ich halte mir den Mund zu um nicht zu laut zu atmen . Der Schrank der mich wie einen Sarg umgibt ist eng und stickig. Ich kann durch den Spalt zwischen die Tür schauen und sehe Licht auf dem Flur. Die wütenden Schritte kann ich bis hier hören. Er schreit meinen Namen und sucht jede Ecke nach mir ab, nur der Schrank ist ihm noch nicht in den Sinn gekommen. Mein rechtes Auge puckert und tränt. Genau dort wo mich seine Faust traf und das alles weil ich Saft verschüttet habe.

Ich habe Angst. So sehr das meine Beine anfangen zu schlackern und ich sorge habe der ganze Schrank könnte wackeln. Mein Herz schlägt so fest das mir die Brust weh tut. Sogar noch mehr Angst habe ich, wenn er mich findet. Wenn er seine Wut auf mich nieder regnen lässt und das zu Ende bringt was er angefangen hat. Das letzte mal schlug er so fest zu, dass ich auf die braunen Kachelfliesen in der Küche gestürzt bin und mir das Kinn aufgeschlagen habe. Die Farbe des Blutes unterschied sich kaum von den der Fliesen.

Eine Vase im Flur zersplittert in tausend Teile. Er schreit noch lauter und ich presse mich an die dünne Rückwand des Schrankes. Hier kann er mich nicht finden. Unmöglich.

Schritte wandern durch den Raum, bis sie kurz vor dem Schrank verstummen. Ich höre ihn schwer atmen und meiner setzt aus.
,, Ich weiß das du kleines Miststück da drinnen bist. " seine Stimme ist drohend, gefährlich und mir treten sofort Tränen in die Augen. Er hat mich gefunden. Sekunden später reißt er die Türen auf und packt mich an einem meiner Zöpfe und zerrt mich aus dem Schrank. Ich schreie, weine und versuche verzweifelt halt zu finden. Seine Faust dreht sich so fest um meine Haare, dass meine Kopfhaut brennt.

Ich werde in mitten des Zimmers geschleudert und er thront über mir wie mein Richter. Er riecht stark nach seinem billigen Brandy, den er im Tsune Ni immer kauft, ein kleiner Laden, der 24h auf hat. In seiner rechten sehnigen Hand hält er den alten dunkelbraunen Ledergürtel mit der gusseisernen Schnalle. Das Schlangentattoo an seinem Handgelenk sieht beinahe aus, als würde es mich auslachen. Auch das hat mir immer Angst gemacht.

,, Es tut mir leid. Ich wollte das nicht Arashi ", schluchze ich und umschlinge meinen Kopf, als er den Gürtel auf mich nieder sausen lässt.

Ich schrecke mit einem Schrei hoch. Mein Herz klopft so hart, daß mein Blickfeld immer wieder verschwimmt. Meine Wangen sind feucht und ich schnappe nach Luft. Meine Stirn ist Schweiß bedeckt. Es war nur ein Traum...
Ein durchlebter Albtraum.

,, Wer ist Arashi? "
Die Stimme aus der Dunkelheit lässt mich zusammen zucken und mein Herz schlägt noch schneller.

,, Bist du bescheuert mich so zu erschrecken?!" fauche ich in die Ecke, wo ich vermute wo Choso ist. Es ist nur leider viel zu dunkel um etwas zu erkennen. Um ihn zu erkennen.
,, So erschreckend wie dein Traum war, kann ich garnicht sein."
,, Das war kein Traum. "
,, Nein richtig. Es war ein Albtraum." in Choso stimme schwingt so etwas wie bedauern mit,, Also wer ist Arashi?"

Ich lasse mich zurück in die Matratze sinken und starre zur Decke,, Geht dich nichts an", ist meine Antwort die er jedesmal erhält und erhalten wird.

Er hat also mitbekommen das ich schlecht geträumt habe. Das ist ewig nicht mehr passiert. Aber vielleicht liegt das auch daran, dass ich schon ewig nicht mehr meine Tabletten genommen habe. Für gewöhnlich verhindern sie so etwas, nur die habe ich nicht bei mir gehabt.

Ich runzel die Stirn,, Was zum Teufel machst du überhaupt hier? "
Natürlich bekomme ich nicht sofort eine Antwort. Aber ich höre wie Stoff raschelt und seine Füße über den Boden scharen. Vermutlich hat er in einer Ecke gesessen und kommt jetzt auf mich zu. Ein erneutes rascheln entsteht als er sich neben meiner Matratze nieder lässt.

,, Ich habe dich durch die Tür gehört. Du hast gewimmert wie ein geschlagener Hund und ständig einen Namen gesagt. Also habe ich nach dir gesehen " antwortet er und Hitze schießt in meine Wangen. Ich muss wohl ziemlich geschrien haben, dabei dachte ich, ich hätte das vor Jahren abgelegt. Das er aber auch wirklich alles mitbekommen musste...

,, Na und selbst wenn", sage ich trotzig. Aber anstatt mich von ihm wegzudrehen und ihn zu ignorieren, liege ich regenungslos einfach da.
,, Erzähl mir davon", fordert er, doch seine Stimme ist ruhig und fast wäre ich gewillt ihm alles zu erzählen, doch stattdessen entkommt mir ein schnauben.
,,Was weißt du schon"

,, Wieso weil ich zur Hälfte ein Fluch bin? ", er klingt aufgebracht,, Meinst du ich kann keine Freude, keine Liebe oder Schmerz empfinden? Meinst du Flüche können nicht das selbe empfinden wie ihr? Ihr verdammten Jujuzisten seit alle gleich."

Ich weiß nicht wieso aber mein Herz zieht sich zusammen, als er aufsteht und Richtung Tür geht.
Dieser plötzliche Schmerz, den seine Worte auslösen irritiert mich. Ich hatte nicht vor gehabt ihn zu kränken. Aber genauso dürfte ich so etwas wie ein schlechten Gewissen ihm gegenüber nicht haben und doch habe ich es. Obwohl ich ihm rein garnichts schulde. Erneute Tränen fluten meine Augen. Verfickt Was ist los mit mir?!

Dieser Typ bringt mich völlig durcheinander und ich kann es nicht einmal kontrollieren. Ich verhalte mich anders als ich sollte und dürfte.

,, Ein anderes mal okay? ", sage ich geschlagen und ich höre wie er kurz inne hält. Vermutlich überrascht es ihm genauso wie mich. Meine Stimme war nicht lauter als ein flüstern und doch hat er es gehört.
,, Ich lass die Tür angelehnt. Wenn etwas ist ruf einfach. Ich bin in direkter Nähe und denk dran, du kannst nicht fliehen"
Mit diesen Worten schließt er nicht die Tür und ich hebe den Kopf und kann tatsächlich Licht auf dem Flur sehen. Er lässt die Tür wirklich auf. Mal seine Drohnung mit der Flucht ausgeschlossen.

*

Stunden später wälze ich mich von links nach rechts. Auf einmal bin ich garnicht mehr müde und drehe mich zum tausendsten mal auf den Rücken und seufze genervt. Der Traum hat mich ziemlich aufgewühlt und ich denke über Chosos Worte nach. Ich hätte nicht gedacht das ihn meine Aussagen so treffen. Vielleicht sollte ich mich bei ihm entschuldigen.

Ich ringe mit mir. Nage an meiner Lippe, bis ich letztendlich doch die Decke zurück schlage und aufstehe. Barfuß schleiche ich zur Tür und lege mein Ohr an das Holz. Ich kann ein Feuer knistern hören und überlege, ob das was ich tue überhaupt Sinn macht. Ich mein ihm wäre doch völlig egal ob es mir leid tut oder nicht. Ich bin seine Gefangene. Ihm wäre sogar egal ob ich abkratze. Naja nur so lange bis er hat was er will.

Meine Gedanken vergrabe ich ganz tief in meinem Kopf und ziehe die Tür auf, die laut knarzend sich öffnet. Naja anschleichen kann ich damit vergessen.

Als ich den ersten Schritt nach draußen wage und mich umsehe, erkenne ich den Flur links runter flackerndes Licht, was aus einem der Zimmer strahlt. Bei meiner Flucht bin ich von mir aus rechts gelaufen. Da sind mir die anderen Räume garnicht aufgefallen.

Vorsichtig schlage ich den linken Flur ein und tapse zu dem Raum. Der Boden ist eiskalt unter meinen Füßen und eine gänsehaut überzieht meinen Körper. Soweit ich vernehmen kann ist alles ruhig und das immer lauter werdende knistern und das hin und wieder leise quietschen der Ratten ist nur zu vernehmen.

Vorsichtig schiele ich an der halb offenen Tür vorbei und spähe in den Raum. Vor einem bodentiefen Kamin sitzt Choso und sieht in die Flammen. Sein eines Bein ist ausgestreckt, während das andere angewinkelt ist. Auf seinem Knie ruht sein Arm und sein Gewand ist bis zur Hälfte seines Rücken herunter gerutscht. Seines extrem breiten Rückens. Ich kann auf seiner Haut unzählige Narben sehen. Lange und kurze striemen, die sich wie ein abstraktes Muster über seinen Rücken verteilen. Einige sind blass, aber andere sind stark vernarbt und dunkel.

,, Komm rein oder willst du weiterhin von dort aus mich anstarren", Choso dreht sich nicht einmal um und Peinlichkeit schüttelt meinen Leib. Er hat mich und meine Blicke also deutlich gespürt.

Einen Moment stehe ich noch wie erstarrt an der Türzarge und entschließe mich die Tür zu öffnen und einzutreten. Weglaufen ist jetzt eh nicht mehr drin und zu verlieren habe ich nichts.

Blood is thicker than WaterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt