Verdrehte Welt

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Schweiß glitzert mir auf der Stirn und macht dem Schnee der anfängt zu schmilzen Konkurrenz. Mein Atem rasselt laut und vermischt sich mit dem Wind der mir Tränen in die Augen treibt. Wie winzige Nadeln stechen wie kleinen Kieselsteine unter meinen Knien. Meine Arme zittern während ich versuche mich aufzuraffen.

Ein Gewicht, warm und kalt zur gleichen Zeit legt sich sanft an meine Kehle. Lässt mich in meiner Bewegung innehalten. So vorsichtig und doch so tödlich. Mein Blick richtet sich auf und streift über funkelnde Sterne über einem Herbstwald. Ja... Daran erinnern mich seine Augen. Unendliche stürmische weiten, voller Geheimnisse und Gefahren. Ein Meer aus Gold und rot Tönen.
,, Steh auf ", es ist keine bitte sondern ein Befehl. Die gefährliche Blutklinge noch immer an meinem Hals, bereit mir diesen zu durchtrennen.

Mein Körper ächzt protestierend als ich mich erhebe, um seinem Befehl zu folgen. Zitternd komme ich taumelnd in den Stand und halte weiterhin Augenkontakt. Etwas blitzt in seinen Iriden auf.

Es ist jetzt gut zwei Wochen her seit unserem Handel und ich weiß immernoch nicht so recht ob ich dem Teufel höchst persönlich meine Seele verkauft habe. Er benimmt sich jedenfalls so. Tag ein Tag aus drescht er auf mich ein und versucht meine Fluchtkraft zu aktivieren. Ihr Leben einzuhauchen. Jedoch regt sich bis auf meine unbändige Wut nichts in meinem inneren. Als wäre sie verstummt. Nie existent gewesen.

Dickflüssiges Blut tropft von meiner Nase zu Boden. Vermischt sich mit der pampe aus Dreck, Schnee und Schweiß. Kies knistert unter meinen Füßen, als ich Haltung annehme. Wartend zieht sich die Klinge zurück und wird wieder Teil von Chosos Kreislauf. Eine Art verlängerter Arm.

,, Ich brauch eine Pause", bitte ich, doch sein sturrer Blick verrät das es keine Pause für mich geben wird. Nicht in den nächsten zwei Stunden. Nicht so lange ich noch stehe und bei Bewußtsein bin. Denn diese Taktik sprich für ihn. Trägt beinahe seine Initialen.

Choso beginnt mich zu umrunden. Seine Haltung erhaben und unerschütterlich. Wie ein Prinz, der höchstpersönlich aus der Hölle empor gestiegen ist, um meine Welt zu Staub zu zermahlen
,, Das was du brauchst", beginnt er,, Ist Disziplin. Du stehst dir selber im Weg. Du blockierst dich. "

Meine Augen verfolgen ihn stumm, als er mich weiter umrundet, als wäre ich das wild was er zwischen seinen klauen jeden Moment in Stücke reißen wird. Seine Worte darauf ausgelegt mich ernsthaft zu erwischen.
,, Du zeigst keine Fortschritte. Du jammert in einer Tour und da ist dann noch diese Wut, die du nicht in den Griff bekommst. "
,, Willst du mich provozieren?", zische ich.
,, Ich will ", Choso bleibt mir zugewandt stehen. Sein Blick kalt und unnachgiebig ,, Das du dich endlich mit dir beschäftigst. Aus deinen Fehlern lernst und an diesen wächst. Denn wenn du es nicht tust, stirbst du. Ich will das du deine Wut nutzt und diese in etwas brauchbares verwandelst"

Damit meint er meine Fluchtkraft.
Ich atme tief ein, schlucke den protest hinunter und mache mich gefasst, die hucke voll zu kriegen. Wie jeden Tag. Seit zwei Wochen.
Meine Wut nutzen... Nichts leichter als das...

*

Fluchend lasse ich mich in das heiße Wasser sinken. Das Zink der Wanne kühlt die blauen Flecke und Abschürfungen. Soviel dazu meine Wut zu nutzen. Meine Wut hat mir soviel gebracht, dass ich einen direkten Schlag ins Gesicht bekommen habe und er mir die Lichter direkt ausgeknipst hat. Er hat nicht fest zu geschlagen, vermutlich nur seine halbe Kraft aber das hat gereicht. Mein Geist und mein Körper war zu erschöpft um ihm stand zu halten, weshalb mich der Frust beinahe auffrisst und ich tiefer ins Wasser sinke.

Es klopft an der Tür, die ohne Aufforderung sich öffnet.
Chosos Gestalt rückt in meinen Augenwinkel, doch ich rühre mich nicht. Starre stur weiter auf die Wasseroberfläche.
,, Wie geht es dir? " sollte ich darauf wirklich antworten? Was sollte ich sagen? Danke der Nachfrage mir geht's es blendend nachdem mein Stolz gebrochen ist und ich zu nichts nutze bin? Das wäre vermutlich sinnvoll und ehrlich, aber stattdessen gebe ich nur ein leises knurren von mir. Ich muss ihm ja nicht alle Karten offen legen. Wer weiß vielleicht spielt er sie irgendwann gegen mich aus.
,, Du bist enttäuscht", stellt er fest und stoff raschelt, was bedeutet das er sich hin hockt. Sein stechender Blick schickt mir eine Gänsehaut über den Körper. Jedoch ist sie nicht wie am Anfang. Sie ist eher wie ein warmes kribbeln was über meine Haut kriecht. Ich habe mich in den letzten Wochen ein wenig an seine Präsenz gewöhnt und festgestellt das er doch nicht so abgeklärt ist wie ich am Anfang dachte. In diesen zwei Wochen in denen wir schon zusammen hausen Stelle ich oftmals fest wie überfordernd die Menschenwelt für ihn zu sein scheint. Einfache Dinge wie einkaufen, kurze knappe Gespräche unter Bekannten führen oder einfach mal einen schluck Alkohol trinken und die Seele baumeln lassen, all das ist ihm fremd. Choso nannte es eine verdrehte Wahrheit. Das wir Menschen uns selbst belügen, uns Dinge schön reden würden und all das völlig unnötig wäre. Aber was weiß er schon, er ist ein Fluch.

Ich atme tief ein,, Natürlich bin ich enttäuscht. Seit zwei Wochen versuchen wir meine Fluchtkraft zu rufen und es passiert absolut nichts"
,, So etwas braucht Zeit" sagt Choso und dabei klingt seine Stimme so Samtweich, als würde eine Katze an meinem Bein vorbeistreifen.
,, Die ich nicht habe", ich drehe den Kopf und sehe ihm direkt in die Augen. Er ist mir so nah, das sein warmer Atem auf mein Gesicht trifft und scheiße wieso macht mich das nervös. Er hat meine Wunden versorgt, mich zu 80 Prozent - ich bin mir sehr sicher - nackt gesehen und das macht mir zu schaffen? Mein dummes Herz schlägt mir bis zum Hals und ich habe Sorge das Wasser könnte die Vibration zu kleinen Wellen Formen und ihm darauf aufmerksam machen was in mir vorgeht. Ich versuche mich zu beruhigen. Einfach langsam ein und ausatmen.

Seine Hand legt sich auf den Wannenrand und zwei seiner Finger berühren das Wasser. Für einen Moment ringe ich damit den Blick der sich automatisch auf seine Finger gelegt hat noch eine Weile dort verweilen zu lassen, doch ich sehe zurück in die Wildheit seiner Augen.

,, Ich habe Jahre damit verbracht meine Fähigkeiten zu beherrschen und zu verbessern. Man lernt niemals aus und so kleine Rückschläge wie bei dir haben mich noch nie aus der Ruhe gebracht. " und da ist es wieder, indirekt direkt mir meinen Misserfolg unter die Nase zu reiben. Das tut er gern.
,, Du bist ein Fluch. Du weißt nicht wie sich so etwas wie Frust anfühlt. Oder-"
,, oder überhaupt Gefühle? Ist es das was du sagen willst? "

Für einen Bruchteil fühle ich mich schlecht, weil ich genau so etwas sagen wollte. Dabei habe ich mir nie darüber Gedanken gemacht ob Flüche oder Fluchgeister etwas empfinden. Ob sie Schmerz, Freude oder Trauer empfinden. Es war für mich nicht relevant. Sie waren eine Plage und bedrohten die Menschen und ihre Empfindungen, manipulierten oder zerstörten sie und deshalb hatten sie das Recht auf Existenz verwirkt. Zumindest war mein mindset damals so. Doch jetzt wo ich Choso so ansehe, kann ich etwas sehen. Hinter der kalten Maske liegt etwas. Etwas mir so unfassbar vertrautes. Etwas Menschliches

Ich erkenne das meine Worte ihn gekränkt haben. Das ich nachwievor denke sie sind seelenlos, ohne Gefühl, was zum Teil auch stimmt. Aber jetzt wo ich ihn so genau sehe bin ich mir nicht sicher. Er will seine Brüder zurück und ich glaube kaum das er es tun würde ohne wahrlich Liebe im Herzen zu tragen. Oder die Tatsache das er mir hilft, was wiederum seinem Vorteil wieder dient. Aber er hilft mir.

,, Es tut mir leid", sage ich aufrichtig und lege meine Hand auf die seine die auf dem Rand ruht. Sie ist warm und weich. Beinahe menschlich... Für einen Moment verspannt sich Choso, da meine Berührung ihn kalt erwischt hat. Hin und wieder fällt mir auf das Berührungen ihn überfordern und er nicht weiß wie er sich verhalten soll, doch augenblicklich entspannt er sich wieder und ich meine beinahe ein kleines zucken in seinem Mundwinkel zu sehen. Wir beide müssen uns erst aneinander gewöhnen. Ob wir wollen oder nicht.

Blood is thicker than WaterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt