°⨳°·..·°⨳°⊹٭ 5. Dezember ٭⊹°⨳°·..·°⨳°

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„Mr. Marshall! Wir sind da!"
Rose schnalzte mit der Zunge, als Archie sein Ankommen lauthals verkündete.
Nachdem sie Mr. Baker gestern ihre Hilfe zusagte, erklärte er ihr, wo sie parken konnte, ohne dass sie ein Parkticket lösen musste oder jeder sah, wo sie hinging. Sie war noch nie im Hinterhof der Bäckerei gewesen, nicht einmal, als sie Heather begleitete, um die Äpfel abzuliefern. Nun ja, das kam auch eher selten vor, seit sie wieder in der Heimat war. Es gab Leute, die mussten sie nicht zu sehen bekommen.
„Archer Harris. Jeder in der Stadt konnte gerade hören, dass du hier bist."
Archie grinste sie niedlich an, so dass sie kaum böse auf ihn sein konnte.
Seufzend nahm sie ihren Korb, in dem sie alle Utensilien eingepackt hatte, die sie gebrauchen konnte. Natürlich hatte Marshall ein ganzes Arsenal an teuren Küchengeräten, aber sie benutzte gerne ihre eigenen Sachen.
„Hilf mir lieber meinen Korb in die Backstube zu schaffen."
Als er wieder bei ihr stand, hob sie mahnend den Finger.
„Du wirst deine Hausaufgaben machen, wie du es versprochen hast, okay?"
Er nickte, aber man sah ihm an, dass er darauf hoffte, es nicht tun zu müssen.
Rose musste leider zugeben, dass sie ihren Sohn in der Hinsicht sehr verwöhnte. Da sie selbst gut in Mathematik war und leider manchmal die Geduld eines Flohs besaß, konnte es schon passieren, dass sie ihm die Aufgabe vorrechnete und er sie nur noch abschreiben musste. Gerade abends, wenn sie eigentlich mit ihrer Arbeit fertig war und Archer dann mit seinen Fragen zu Matheaufgaben kam. Archer wusste, dass sie Abends so müde war und nutzte das aus. Das war natürlich falsch, aber heute würde sie das bestimmt nicht machen. Vor allem nicht, wenn Mr. Baker in der Nähe war.

Die metallene Tür wurde aufgestoßen und Archer hob seine Arme in die Höhe, als er Mr. Baker erkannte, der ebenfalls seine Arme hob.
„Da bist du ja endlich, Archie. Ich habe schon auf dich gewartet."
Archie schnaubte.
„Mum wollte mich gar nicht mitbringen, weil ich Hausaufgaben machen muss."
Rose seufzte leise.
Nun versuchte ihr Sohn es wohl so und sie hoffte, dass Mr. Baker wenigstens nicht gegen sie arbeitete.
„Mh. Das wäre aber schade. Denn wenn du deine Hausaufgaben machst, und zwar ohne Fehler, könntest du uns danach helfen. Du könntest sogar die kleinen Brötchen kneten, aber das kann nur jemand machen, der seine Hausaufgaben fertig hat."
Archies Augen leuchteten auf.
„Wirklich? Ich darf den Teig kneten?"
Marshall nickte.
„Wirklich, wirklich. Aber du darfst erst in die Backstube, wenn du alle Hausaufgaben fertig hast. Und zwar wirklich alle."
Archie nickte und rannte in das Gebäude, als ob er schon immer hier gelebt hätte.
Rose schaute ihm verblüfft hinterher.
„Sie haben gerade ein Wunder vollbracht, Mr. Baker. Archer ist eigentlich nie dazu bereit, seine Hausaufgaben zu erledigen."
Mr. Baker grinste sie an.
„Ich war doch selbst mal ein kleiner Junge. Mein Vater ist ebenfalls ein Bäcker und für mich war es immer das Größte, wenn ich ihm helfen durfte. Ich habe beim ersten Mal schon bemerkt, dass sich Archie dafür interessiert und einfach mal mein Glück versucht."
Sie lachte leise.

„Und das Glück war Ihnen hold. Hatte ihr Vater auch eine Bäckerei?"
Er nickte.
„Ja. Er hat sie sogar noch."
Sie runzelte die Stirn.
„Und warum sind Sie dann hier?"
Nun zuckte er bedauernd mit den Schultern.
„Wir sind eine Bäckerfamilie. Ich habe einen älteren Bruder und er übernimmt Dads Bäckerei. Ich sah es als Chance, als mein Onkel erklärte, dass er einen Nachfolger sucht."
Er beugte sich zu ihr und fuhr leise fort.
„Seit dem Tod meiner Tante ist er nicht mehr derselbe. Ich verstehe das und war froh, dass ich den Betrieb einfach übernehmen kann. Natürlich muss ich ihm alles abbezahlen, aber Onkel Harry ist in der Hinsicht großzügig. Als Anzahlung nahm er ein Ticket nach Florida."
Sie blickte ihn fragend an.
„Florida?"
Er nickte.
„Da kommt meine Familie her. Mein Vater war zwar nicht der ältere Bruder, aber er blieb in Florida und übernahm die Bäckerei seines Vaters, während es meinen Onkel in die Ferne zog. Er fand hier seine große Liebe und blieb einfach."
Rose seufzte leise.
„Das ist wirklich romantisch. Und jeder sah, dass er immer noch in seine Frau verliebt war. Und sie in ihn."
Das wäre etwas, was sie sich selbst wünschen würde. Ein Mann, der sie über alles liebte und dem weder seine beruflichen Ambitionen noch Geld oder andere Frauen wichtiger waren.
Doch bisher war kein Mann bereit gewesen, sie so zu lieben. Nicht einmal Timothy.
Mr. Baker riss sie aus ihren Gedanken.
„Ist alles in Ordnung?"
Sie lächelte ihn schüchtern an. Hoffentlich hatte er sie nicht mehrmals angesprochen. Das wäre nun sehr peinlich, wenn sie dumpf vor sich hingestarrt hätte, während er sich mit ihr unterhalten wollte.
„Ich war nur in Gedanken. Verzeihen Sie mir, Mr. Baker."
Er verzog das Gesicht.
„Nennen Sie mich doch Marshall. Ich meine, Sie werden mir bei meinem Problem helfen und Sie kommen mit mir in mein Allerheiligstes, der Backstube."
Sie reichte ihm die Hand.
„Einverstanden, Marshall. Aber Sie müssen mich dann auch Rose nennen."
Er schüttelte ihre dargebotene Hand und nahm ihr dann den Korb ab.
„Dann wollen wir mal loslegen, Rose. Ich kann es kaum erwarten, mit Ihnen Ideen zu wälzen."
Sie lief neben ihm her und musste sich schon anstrengen. Warum mussten manche Männer solche lange Beine haben, dass man ihnen kaum hinterherkam?
„Eigentlich ist es doch schon von Anfang an vorprogrammiert gewesen, dass sie ein Bäcker werden, oder?"

Er lachte laut auf.
„Wegen meines Namens? Das kann schon sein. Und es liegt mir im Blut. Ich habe noch eine Schwester, die wurde allerdings Köchin. Und meine Mutter war eine Patissière in einem Sternerestaurant. Ich habe beides von meinen Eltern übernommen. Ich wurde zuerst Bäcker, dann Konditor. Wobei ich zugeben muss, dass ich die Herstellung von Nachspeisen liebe."
Unauffällig tippte sie auf ihren Bauch.
Sie liebte auch süße Leckereien und das machte sich leider auch auf ihren Hüften bemerkbar.
Er hielt ihr die Tür auf und Rose seufzte, als sie den Duft von frischgebackenem Brot in die Nase bekam, obwohl sie erst in einer Art Vorraum war. Hier waren Spinde und Haken angebracht und sie bemerkte, dass Archie schon seine Jacke und Schuhe ausgezogen hatte.
„Ihre Straßenkleidung können sie hier aufhängen. Ich habe Ihnen Arbeitskleidung besorgt und auch Schuhe."
Sie entledigte sich ihrer Jacke.
„Kein Wunder war Archie so darauf bedacht, seine neuen Schuhe, die er nicht einmal anhatte, mitzunehmen."
Marshall nickte.
„Ich habe es ihm erklärt, als er heute Morgen vorbei kam."
Sie runzelte die Stirn.
„War er nicht in der Schule?"
Marshall lachte leise.
„Das war er, aber vor der Schule kam er noch auf einen Sprung vorbei. Conny hat es sich nicht nehmen lassen, auch ihm eine Hose zu kürzen, damit er in die Backstube kann."
Rose lächelte.
„Ich muss mich bei Conny bedanken. Ich habe nicht daran gedacht."
Er nickte ernst.
„Wir achten hier sehr auf Sauberkeit und das ist auch wichtig. Aber nun kommen Sie, Rose. Ziehen sie sich um und kommen dann in die Backstube. Ich werde auf sie warten."
Sie nickte und Marshall verschwand hinter der nächsten Tür.
Rose nahm die Kleidung und zog sie sich über. Wie erwartet lag alles etwas eng an, aber das musste sie wohl nun akzeptieren. Ein Blick in den Spiegel ließ sie sauer knurren.
Sie sah aus wie eine Presswurst. Seufzend dachte sie an die Leckereien, von denen Marshall gerade noch gesprochen hatte. Die waren in der nächsten Zeit wohl tabu.
„Rose? Kommen Sie?"
Sie seufzte und zupfte noch einmal am Shirt. Sie sollte Marshall nicht wegen ihrer Eitelkeit warten lassen.

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